28.06.2016 von Redaktion

Alternative Ernährungsweisen

Die Wahl einer alternativen Ernährungsform kann für den Menschen, angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, durchaus zu einer schwierigen Entscheidung werden. Ob vegetarisch, 5-Elemente-Ernährung nach der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), das indische Ayurveda, Vollwertkost, Rohkost oder Makrobiotik – sie alle unterscheiden sich in mehr oder weniger Einzelheiten und sind als Dauerkost nicht immer geeignet.

„Alternative“ beschreibt die Wahl zwischen zwei oder mehr Möglichkeiten. Alternative Ernährungsformen sind daher nicht als zeitlich begrenzte Diäten gedacht, sondern häufig Ausdruck einer Lebensphilosophie. Sie basieren oft auf religiös-ethischen Überlegungen und sind Teil einer „alternativen“ Weltanschauung. So wird etwa in anderen Kulturen oft das Töten von Tieren abgelehnt und bringt damit eine vegetarische oder vegane Lebensmittelauswahl mit sich.

Rohes ist nicht immer besser

Kennzeichen vieler alternativer Ernährungsweisen ist die Betonung von Rohkost. Grundsätzlich ist der Genuss von rohem Obst und Gemüse eine gute Wahl. Wird dies jedoch zum alleinigen und ausschließlichen Prinzip, können sowohl Nährstoffversorgung als auch kulinarische Möglichkeiten am Teller stark eingeschränkt sein. Auch gegarte Lebensmittel bieten Vorteile. So weiß man heute, dass z. B. Beta-Carotin, der orange Farbstoff in vielen Obst- und Gemüsesorten, für den Körper besser verfügbar ist, wenn die Zellwände des Lebensmittels zuvor durch Garen aufgeschlossen wurden. Dasselbe gilt für Lycopin, den roten Farbstoff aus Tomaten. Beide spielen eine Rolle bei der Vorbeugung von Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

In manchen Fällen werden allergieauslösende Eiweißkörper durch das Erhitzen denaturiert und verlieren dadurch ihre allergene Wirkung. So kann es sein, dass das rohe Lebensmittel Allergiesymptome auslöst, während das gegarte Lebensmittel ohne weiteres vertragen wird.
Nicht zuletzt bedeutet Garen auch mehr Genuss. Die Möglichkeiten der Zubereitung erweitern sich und bescheren eine deutlich größere kulinarische Vielfalt als alleinige Rohkost: Geschmackstoffe, Farb- und Röststoffe bilden sich durch den Garvorgang und erhöhen die Zartheit, Saftigkeit oder den Geschmack und verändern die Konsistenz.

Lebensmittelverarbeitung hat lange Tradition

In manchen alternativen Kostformen werden verarbeitete Lebensmittel gänzlich abgelehnt oder als zweite Wahl betrachtet. Man geht davon aus, dass Lebensmittel, wie sie die Natur bietet, vorteilhafter seien als jene, die von Menschenhand bearbeitet wurden. Besonders die industrielle Lebensmittelverarbeitung wird kritisiert und mit Nährstoffverlusten und „schädlichen“ Zusatzstoffen in Verbindung gebracht.
Dabei hat die Lebensmittelverarbeitung lange Tradition. Der Mensch nutzte bereits in der Frühgeschichte das Feuer, um Nahrung zu erhitzen. Industriell oder im Haushalt verarbeitete Lebensmittel sind nicht zwangsläufig ernährungsphysiologisch ungünstig, wie dies von manchen Vertretern alternativer Ernährungsformen behauptet wird. Milchprodukte wie Käse, Joghurt, Topfen, Sojamilch oder Tofu – sie alle liefern trotz des hohen Verarbeitungsgrades nach wie vor wertvolle Inhaltsstoffe. Manche Lebensmittel, wie Kartoffel oder Hülsenfrüchte, sind unverarbeitet sogar für den Körper schädlich und werden erst durch Erhitzen und Verarbeitung genießbar. Das Durcherhitzen oder manche Konservierungsmethoden gewährleisten erst die hygienische und mikrobiologische Sicherheit mancher Lebensmittel.
Die Empfehlung zum Konsum von Rohmilch, wie er in einigen Ernährungsformen zu finden ist, ist besonders für Schwangere, Kinder und alte Personen gefährlich. Rohmilch, Käse aus Rohmilch, Rohwurst oder rohes Fleisch und Fisch können Listeriose oder Toxoplasmose verursachen. All das zeigt, dass verarbeitete Lebensmittel nicht per se schlechter als rohe, unbearbeitete sein müssen.

Häufig fachlich nicht haltbare Behauptungen

Ein Kritikpunkt an manchen alternativen Kostformen ist, dass deren Vertreter häufig wissenschaftliche Erkenntnisse nicht berücksichtigen. Manche Behauptungen und Thesen sind fachlich unhaltbar, manchmal sogar gesundheitsschädlich. Vor allem die häufig geäußerten Heilversprechen bestimmter Ernährungsformen bei schweren Krankheiten wie Krebs, sind falsch und können dazu führen, dass wirksame Heilverfahren abgelehnt werden.

So lehnte etwa Wandmaker, ein Vertreter der Rohkosternährung, Milch u. a. deshalb ab, weil er meinte, dass der Mensch ab dem dritten Lebensjahr nicht mehr über die notwendigen Enzyme zu deren Verdauung verfüge. Das ist schlichtweg falsch. Nur rund 15–20 % der Menschen hierzulande können aufgrund eines Enzymdefekts Milchzucker im Darm nicht aufspalten.

Die Aussagen von M. O. Bruker, ein in der Fachwelt nicht unumstrittener Arzt, dass Arteriosklerose kein Fettproblem sei und ausschließlich die Folge denaturierter Zivilisationskost, sind ebenfalls wissenschaftliche nicht haltbar. Eine zu hohe Fettaufnahme ist einer der wesentlichsten Risikofaktoren für Arteriosklerose. Genauso wie das Prinzip der Trennkost, wonach der Mensch Eiweiß und Kohlenhydrate nicht gleichzeitig verdauen könne. Das menschliche Verdauungssystem ist so ausgelegt, dass die Aufspaltung und Aufnahme beider Nährstoffe problemlos zeitgleich stattfinden kann.
Georges Oshawa, Begründer der Makrobiotik, rät etwa, schimmelige Lebensmittel zu essen und so wenig wie möglich zu trinken und erst dann zum Wasserglas zu greifen, wenn einem der Körper signalisiert, dass man Durst hat. Beides sind Empfehlungen, die nachweislich gesundheitsgefährdend sind. Ebenso wie die Aussage, dass hohe Salzmengen ungefährlich seien (weil sie entsprechend der asiatischen Energielehre extrem Yang sind, eine Energiequalität, die gefördert werden sollte) oder der Körper Vitamin C selbst herstellen könne.

Begrüßenswerte Grundsätze

Viele alternative Kostformen besitzen aber auch positive und begrüßenswerte Ansätze. So wird häufig der Verzehr von Vollkornprodukten gegenüber Weißmehlprodukten bevorzugt oder der reichliche Verzehr von Gemüse und Obst empfohlen. Beides Lebensmittelgruppen, die bei unseren Ernährungsgewohnheiten in der Regel zu kurz kommen. Fleisch und Fleischwaren hingegen landen bei uns zu häufig am Teller, daher ist die Empfehlung vieler alternativer Varianten, den Fleischkonsum zu reduzieren, aus ernährungswissenschaftlicher Sicht erfreulich.

Oft wird die Auswahl von Lebensmitteln aus biologischem Landbau und/oder entsprechend der Region und Saison bevorzugt. Auch das ist, v.a. aus ökologischen Überlegungen, begrüßenswert.

Oft weltanschauliche Entscheidung

Alternative Ernährungsformen müssen daher differenziert betrachtet werden. Einige bieten, richtig praktiziert, durchaus gesundheitliche Vorteile. Andere, extreme Formen mit stark eingeschränkter Lebensmittelauswahl, bergen dagegen Gesundheitsrisiken. Kostformen wie die lakto- und ovo-lakto-vegetarische Ernährung oder die Vollwerternährung entsprechen den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und sind als Dauerkost sehr gut geeignet. Bei anderen, wie der veganen Ernährungsweise, Makrobiotik- oder Rohkostvarianten führen bestimmte Grundsätze der Lebensmittelwahl mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Nährstoffmängeln und gesundheitlichen Risiken.
Eine Bewertung kann hier lediglich aus ernährungswissenschaftlicher Sicht erfolgen. Der philosophische Hintergrund dagegen lässt keine naturwissenschaftliche Beurteilung zu. Manchmal ist es aber genau jener, der für die Entscheidung zu einer alternativen Ernährungsform ausschlaggebend ist. Ernährungswissenschafter können daher nur auf mögliche gesundheitliche Auswirkungen der Lebensmittelwahl und Ernährungsweise eingehen und diese bewerten.

Über die einzelnen Alternativen Ernährungsweisen lesen Sie hier.

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