11.09.2015 von Redaktion

Acrylamid - braun, knusprig und krebserregend

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veröffentlichte im Juni 2015 ihre erste vollständige Risikobewertung zu Acrylamid in Lebensmitteln. Darin wird bestätigt, dass der beim Bräunungsprozess entstehende Stoff krebserregend ist. Welche Lebensmittel enthalten besonders viel und wie kann die Belastung minimiert werden?

Acrylamid war bis 2002 nur aus der Verwendung in der Kunststoffindustrie bekannt. Im Frühjahr 2002 sorgte dann die Schwedische Behörde für Lebensmittelsicherheit für Aufsehen: Auch in einigen Lebensmitteln entdeckten Forscher hohe Gehalte an Acrylamid (AA). Seitdem wurden viele Daten zu AA erhoben, welche die EFSA heuer in einem wissenschaftlichen Gutachten zusammenfasste und daraus das gesundheitliche Risiko für den Verbraucher abschätzte.

Wie entsteht Acrylamid?

Acrylamid bildet sich aus Zucker- und Eiweißbausteinen bei Temperaturen über 120 °C und einem niedrigen Wassergehalt. Genauer gesagt handelt es sich um Aminosäuren (v.a. Asparagin) und Einfachzucker (v.a. Glucose und Fructose). Die Reaktion bedingt nicht nur die braune Farbe von gebratenen und gebackenen Lebensmitteln, sondern auch den typischen Geruch und Geschmack. Ideale Bedingungen für das Entstehen von AA bieten Frittieren, Backen, Braten, Rösten und Grillen von Kartoffel- und Getreideprodukten. Dabei ist die bei diesen Bräunungsprozessen entstehende AA-Menge von der Temperatur, dem Bräunungsgrad und der Erhitzungsdauer abhängig. AA wird Lebensmitteln also nicht zugesetzt. Obwohl es bis vor 2002 nicht bekannt war, gibt es AA in Lebensmitteln also schon seit unsere Speisen erhitzt werden.

Wo ist es drin?

Hohe Mengen an AA wurden in stark erhitzen Kartoffelprodukten gefunden wie Pommes frites, Kroketten und Bratkartoffeln. Auch Kartoffelchips und -snacks enthalten relativ hohe AA-Mengen, sie tragen allerdings nur wenig zur Gesamtaufnahmemenge bei. Gleiches gilt für Kaffee-Ersatzmittel wie Malz-Pulver. Als AA-Aufnahmequellen spielen bei Erwachsenen im Wesentlichen drei Produktgruppen eine Rolle: Rund die Hälfte machen Pommes frites und Co aus, Kaffee rund 30 % und Toastbrot circa 20 %. Kinder nehmen ebenfalls die Hälfte der gesamten AA-Menge über Kartoffelprodukte auf. Ein weiteres Viertel tragen Erzeugnisse aus Getreide bei, darunter Toastbrot, Frühstückszerealien und Kekse.

Wissenswert

Neben Lebensmitteln enthält auch Tabakrauch große Mengen AA. Raucher nehmen über den Zigarettengenuss sogar am meisten AA auf.

Schädlich: ja oder nein?

Gelangt AA aus dem Magen-Darm-Trakt in den Körper, verteilt es sich in alle Organe und wird v. a. in der Leber zu dem hoch reaktiven Glycidamid verstoffwechselt. Tierexperimentelle Untersuchungen belegen verschiedene gesundheitsschädliche Wirkungen: AA kann das Erbgut verändern und dadurch Krebs auslösen, das Nervensystem schädigen sowie die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Ergebnisse aus Humanstudien lassen jedoch derzeit keine klaren Schlüsse zu.

Das wissenschaftliche Gutachten stützt sich deshalb auf die Erkenntnisse aus den Tierversuchen, von denen das gesundheitliche Risiko für den Menschen abgeleitet wurde. Demnach erhöht AA aus Lebensmitteln potenziell das Krebsrisiko. Kinder sind aufgrund ihres geringeren Körpergewichts besonders betroffen. Keine Bedenken sieht die EFSA bezüglich der Nervenschädigung und der Fortpflanzungsfähigkeit beim Menschen.

Minimierungsmaßnahmen

Die Lebensmittelhersteller sind angehalten, die AA-Gehalte so niedrig wie möglich zu halten. Zu Kontrollzwecken erfasste die EFSA seit 2007 die in der Produktion ermittelten AA-Gehalte. Eine Trendanalyse ergab, dass zwar in einigen wenigen Lebensmittelgruppen die Maßnahmen zur Reduzierung von AA ihre Wirkung zeigten, bei den meisten blieb der AA-Gehalt jedoch unverändert. Produktionsstätten wurden infolgedessen genauer überprüft, wenn sie einen vorgeschriebenen Richtwert überschritten. Außerdem wurden Tests im Labor durchgeführt. So identifizierte man im Wesentlichen drei Schrauben, an denen gedreht werden kann:

    • Rohstoff: Gehalt an reduzierendem Zucker
    • Lagerbedingung: Temperatur und Atmosphäre im Lagerraum
    • Zubereitung: Dauer und Temperatur des Röstvorgangs

Wissenswert

Legt man Kartoffeln vor dem Frittieren in Wasser, eine Salz- oder Zuckerlösung ein, sinkt der AA-Gehalt um bis zu 75 %. Eine sensorische Abweichung der Chips soll es dadurch nicht geben.

Der Spielraum bei den einzelnen Stellschrauben ist jedoch nicht groß. Ab einem gewissen Punkt weist das Produkt nicht mehr die typischen Eigenschaften auf, die der Konsument erwartet. AA kann also nie vollständig vermieden werden. Bei der Reduktion des AA-Gehalts ist aber nicht nur die Lebensmittelproduktion gefordert, sondern jeder Einzelne. Schließlich besteht bei der täglichen Zubereitung im Haushalt ein großes Einsparungspotenzial.

Tipps zur Zubereitung von Speisen im Haushalt:

  • Kartoffel- und Getreideprodukte (Backofenkartoffeln, Pommes frites, Kroketten, Kuchen, Kekse, ...) nur bei mittleren Temperaturen garen und eine zu starke Bräunung vermeiden.
  • Werden Bratkartoffeln aus gekochten statt aus rohen Kartoffeln gemacht, entsteht weniger AA.
  • Backofen-Pommes frites, die bei Ober-/Unterhitze (höchstens 200° C) gebacken werden, enthalten weniger AA als die bei Umluft (höchstens 180° C) gegarten. Entscheidet man sich für die Fritteuse, ist die Temperatur auf maximal 175° C zu begrenzen. Zum Temperaturmessen eignet sich dabei ein externes Fett-Thermometer, da bei vielen Haushalts-Fritteusen die Temperatur nicht korrekt angezeigt wird. Optimales Frittieren gelingt, wenn für 100 g Pommes frites ca. 1,5 Liter Öl verwendet werden. 
  • Kekse sollen nur so lange backen, bis sie leicht gebräunt sind. Bei Ober-/Unterhitze reichen 190° C, bei Umluft 170° C. 
  • Toast nur kurz und leicht rösten.
  • Generell darauf achten, dass die Oberfläche nicht zu stark austrocknet. Denn auch der Wassergehalt beeinflusst die Acrylamidbildung. Je höher der Wassergehalt eines Lebensmittels, desto weniger Acrylamid entsteht beim Garungsprozess.
  • Acrylamid bildet sich besonders an den Außenflächen. Daher sind größere Einzelstücke (z.B. bei Pommes frites und Keksen) vorteilhafter als kleine, da letztere eine größere Gesamtoberfläche haben.

Fazit:

Acrylamid hat krebserregendes Potenzial. Das Risiko, durch einseitige Ernährungsgewohnheiten an Krebs oder Erbgutschäden zu erkranken ist allerdings bedeutend höher als durch eine einzelne schädigende Substanz in der Nahrung. Daher ist in erster Linie die gesamte Ernährung wichtig, die so abwechslungsreich wie möglich gestaltet werden soll.

Mehr zum Thema:

Wissenschaftliches Gutachten der EFSA
Pressemeldung der EFSA
Fakten zu Acrylamid
Fragen und Antworten zu Acrylamid

 

Literatur

European Food Safety Authority (EFSA), Panel on Contaminants in the Food Chain (CONTAM):  Scientific Opinion on acrylamide in food. EFSA Journal 13(6): 4104 (2015).
aid infodienst: Acrylamidzufuhr gering halten. (2013). (Zugriff am 08.09.2015).

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