24.07.2014 von Redaktion

Aluminium: Gefährdung weder bestätigt noch widerlegt

Ob Lebensmittelverpackungen, Sonnenlotionen oder Deos – das silbrig glänzende Metall ist heute in vielen Produkten zu finden. Ob die Gesamtaufnahme gesundheitsschädlich ist, ist bisher unklar - so das Fazit einer Literaturarbeit des Gesundheitsministeriums.

Wegen seiner zahlreichen technischen Vorteile kommt Aluminium häufig zum Einsatz: Es ist weich, aber trotzdem hochstabil, korrosionsbeständig und zu hauchdünnen Folien auswälzbar.
Immer wieder landet Aluminium in den Schlagzeilen – es steht im Verdacht bei der Entwicklung von Alzheimer und Brustkrebs eine Rolle zu spielen. Dabei sind besonders die Anwendungsbereiche interessant, bei denen
das Material mit dem Körper in Kontakt kommt: Arzneimittel, Kosmetika und Lebensmittel.

Es gibt drei Quellen, durch die Aluminium ins Essen gelangen kann:

  1. Auf natürlichem Weg: Aluminium im Boden geht auf Pflanzen und Wasser über. Besonders Kräuter, Gewürze und Teepflanzen nehmen große Mengen auf. Über aluminiumhaltiges Tierfutter können auch tierische Produkte Spuren von Aluminium aufweisen.
  2. Manche Zusatzstoffe enthalten Aluminium. So kommt z. B. für kandierte Kirschen ein aluminiumhaltiges Festigungsmittel zum Einsatz, in Biskuitgebäck ein Backtriebmittel auf Aluminiumbasis und zum Dekorieren von Süßwaren fettlösliche Farblacke mit Aluminium als Trägersubstanz. Aufgrund einer neuen Verordnung aus 2012 sind heute weniger aluminiumhaltige Zusatzstoffe zugelassen bzw. ihre Verwendung beschränkt oder die Höchstmenge reduziert.
  3. Aluminium kann aus Getränkedosen, Kaffeekapseln oder Alufolie in das Lebensmittel wandern, wenn das Material verkratzt ist oder die Packung lange und unsachgemäß gelagert wird. Auch saure Produkte wie Rhabarber, Zitrusfrüchte, Kirschen und Tomaten greifen das Metall an. Dabei löst sich reines Aluminium und tritt ins Lebensmittel über.

Wissenswert

Das am häufigsten vorkommende Metall in der Erdkruste wurde erst Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckt. Der Däne Hans Christian Oersted gewann es im Jahre 1825 bei der Zerlegung von Alaunerde. Daher leitet sich auch der heutige Name ab. Nach Stahl ist es das meistverwendete Metall.

Aufnahme über Lebensmittel

Weil sich das Metall im Körper anreichert, erachtet es die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) zielführend die Wochenexposition als Kriterium heranzuziehen. Der wöchentlich tolerierbare Grenzwert (TWI) liegt bei 1 mg Aluminium/kg Körpergewicht. Die Durchschnittsbelastung aus Lebensmitteln schätzt die Efsa auf 1,6 – 13 mg Aluminium pro Tag. Für einen 60 kg schweren Erwachsenen ergibt sich  eine wöchentliche Aufnahmemenge von 0,2 – 1,5 mg/kg Körpergewicht. Durch Nahrungsmittel alleine könnte also der Grenzwert überschritten werden.

Wissenswert

Die Efsa unterscheidet zwischen dem „tolerable daily intake“ (TDI) und dem „acceptable daily intake“ (ADI): Während der ADI bei Stoffen angewendet wird, die absichtlich dem Lebensmittel zugesetzt werden, spricht man vom TDI bei verunreinigten Produkten.

Aluminiumhaltige Deodorants

Neben Nahrungsmitteln tragen auch aluminiumhaltige Deos wesentlich zur Gesamtaufnahme des Leichtmetalls bei. Zu diesem Schluss kommt das Deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einer im Februar 2014 veröffentlichten Stellungnahme. Aluminium wirkt schweißhemmend, indem es die Haut zusammenzieht und einen gelartigen Protein-Komplex bildet, der wie ein Pfropfen die Schweißkanäle verschließt. Experimentelle Studien mit menschlicher Haut zeigten, dass über Roll-Ons weniger Aluminium in die Haut übergeht als bei Deo-Sprays oder Sticks. Rasiert man die Haut zuvor, entstehen kleine Wunden und die natürliche Barrierefunktion ist beeinträchtigt. Dadurch gelangt mehr Aluminium in den Körper. In wieweit in-vitro-Versuche auf den Mensch übertragbar sind, bleibt fraglich. Fest steht, dass die Art des Deos und eine Rasur kurz vor der Deoverwendung einen Einfluss haben.
Es gibt lediglich eine Humanstudie aus dem Jahr 2001, die die Aluminiumaufnahme aus Deos untersuchte. Zwei Probanden (!) verwendeten 14 Tagen eine Lösung mit markiertem Aluminium, das im Urin untersucht wurde. Bei täglicher Benutzung ergibt sich eine Aluminiumdosis von 0,175 µg/kg Körpergewicht. Um diesen Wert mit der wöchentlich tolerierbaren Dosis vergleichen zu können, muss berücksichtigt werden, dass nur 0,1 % der aufgenommenen Aluminiums im Blut ankommen. Pro Tag ergibt sich dadurch eine maximal tolerierbare Dosis von 0,14 µg/kg Körpergewicht. Das würde bedeuten: Schon alleine die tägliche Verwendung von Deo schöpft den TWI-Wert komplett aus.

Wenn der wöchentlich maximal tolerierbare Wert (TWI) überschritten wird, resultiert daraus nicht unmittelbar eine Gesundheitsgefahr. Lediglich der Sicherheitsabstand zu der Schaden hervorrufenden Dosis wird verkleinert. Bei jahrzehntelanger Überschreitung sind die Folgen nicht abschätzbar. Es ist ratsam, die persönliche Aluminiumaufnahme zu reduzieren (siehe Kasten unten).

Wissenschaftliche Daten ungenügend

Zu den diskutierten von Aluminium ausgehenden Gesundheitsgefahren gehört die Entwicklung von Brustkrebs durch aluminiumhaltige Deodorants sowie Gehirnveränderungen, die zu Alzheimer und Demenz führen. Die Studienlage dazu ist widersprüchlich:
Experimente in der Petrischale mit Brustgewebe zeigten, dass ein Aluminiumsalz die Zellen schädigt und ihr Wachstumsverhalten verändert, ähnlich wie Krebs. Jedoch schädigte es nicht direkt das Erbgut wie es andere krebsauslösende Substanzen tun. Eine Humanstudie mit 1600 Frauen aus Amerika kam zu der Schlussfolgerung, dass Deos das Brustkrebsrisiko nicht erhöhen. Verglichen mit gesunden Frauen verwendeten Brustkrebspatientinnen Deos nicht signifikant häufiger. Eine Studie aus 2003 mit mehr als 400 Brustkrebspatientinnen behauptet, dass Frauen früher an Brustkrebs erkranken, wenn sie sich rasieren und Deos anwenden. Der Vergleich zu gesunden Frauen fehlte. An größeren Studien mit besserer Aussagekraft mangelt es hier.
Alzheimer ist eine komplexe Erkrankung des Gehirns, deren Ursachen bisher unbekannt sind. Gehirnproben demenzkranker Personen zeigten, dass der Aluminiumgehalt erhöht ist. Es ist allerdings schwierig, festzustellen, ob Aluminium zur Erkrankung führt oder ob es während des Krankheitverlaufs eingelagert wird. Insgesamt scheinen andere Risikofaktoren wie Alter oder Vererbung bedeutsamer als die Aluminiumaufnahme.

Fazit

Auf wissenschaftlicher Basis ist derzeit nicht geklärt, ob Aluminium gesundheitsschädigend ist oder nicht. Die maximal tolerierbare Aufnahmemenge von 1 mg/kg Körpergewicht pro Woche kann bereits durch eine normale Ernährung überschritten werden. Zusätzlich bilden Deos mit Aluminiumsalzen eine bedeutende Expositionsquelle. Da die Auswirkungen ungeklärt sind, rät das BMG die Aluminiumaufnahme zu senken (Tipps siehe Kasten). Gesundheitsminister Alois Stöger möchte sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass Maßnahmen ergriffen werden, um die Verwendung von Aluminium einzudämmen.

Um die Aluminiumaufnahme zu reduzieren, empfiehlt das BMG:

  • stark säurehaltige Lebensmittel wie Rhababerkompott, Apfelmus oder Tomatensauce nicht in Alufolie oder unbeschichteten Aluminiumgefäßen zubereiten und aufbewahren;
  • Trinkflaschen aus Aluminium mit Kratzer auf der Innenseite nicht weiter verwenden und zum Reinigen keine kratzigen Bürsten benutzen;
  • aluminiumfreie Deodorants gebrauchen; besonders nach der Rasur oder auf verletzte Hautpartien keine Deos mit Aluminium auftragen;
  • falls ein Arzneimittel zur Neutralisierung von Magensäure eingenommen werden muss, den Arzt nach einer aluminiumfreie Alternativen fragen.

Mehr Information zur Studienlage hat der europäische wissenschaftliche Ausschuss für Verbraucherprodukte (SCCS) zusammengetragen.

Literatur

Bundesministerium für Gesundheit (BMG): Aluminium – Toxikologische und gesundheitliche Aspekte körpernaher Anwendungen. Juni 2014.

Bundesministerium für Gesundheit (BMG): Stöger: Aluminium vorsorglich reduzieren! Pressemitteilung am 11.06.2014.

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Aluminiumhaltige Antitranspirantien tragen zur Aufnahme von Aluminium bei. Stellungnahme Nr. 007/2014.

Flarend R, Bin T, Elmore D, Hem SL: A preliminary study of the dermal absorption of aluminium from antiperspirants using aluminium-26. Food and Chemical Toxicology 39:163–168 (2001).

Österreichische Cochrane Zweigstelle: Brustkrebs durch Deos? www.medizin-transparent.at/brustkrebs-durch-deos#zitat3 (Zugriff 08.07.2014).

McGrath KG: An earlier age of breast cancer diagnosis related to more frequent use of antiperspirants/deodorants and underarm shaving. Eur J Cancer Prev. 12:479–85 (2003).

Österreichische Cochrane Zweigstelle: Vergesslich durch Aluminium? www.medizin-transparent.at/vergesslich-durch-aluminium (Zugriff 08.07.2014).

Perl DP, Brody AR: Alzheimer's disease: X-ray spectrometric evidence of aluminum accumulation in neurofibrillary tangle-bearing neurons. Science. 208:297–299 (1980).

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