Bewegung tut der Kinderseele gut
Wenn Kinder keine Lust haben zu spielen, schnell müde werden, antriebslos wirken und „einfach so“ traurig sind, deklarieren viele Eltern diese Auffälligkeiten als „Phase“, die rasch wieder vorbei geht. Tatsache ist: Hinter den Warnsignalen kann sich auch eine waschechte Depression verbergen. Im Kindergarten- und Volksschulalter sind etwa 5 % betroffen, in der Pubertät trifft es 3-10 %.
Einer kindlichen Depression auf die Schliche zu kommen, ist jedoch schwierig. Denn oft lassen sich die klassischen Symptome vom alterstypischen Verhalten kaum unterscheiden. Bei manchen Kindern drückt sich die seelische Last lautstark aus, andere verhalten sich hingegen ruhig und sind in sich gekehrt. Deshalb gilt es, genau hinzuschauen, um Stimmungskrisen rechtzeitig zu erkennen. Für Depressionen bei Kindern sind u.a. folgende Symptome typisch: trauriger Gesichtsausdruck, verminderte Mimik und Gestik, Apathie, Schüchternheit, Aggressivität, Jähzorn, Daumenlutschen, schlechter Schlaf, Gewichtsverlust oder -zunahme, emotionaler Rückzug sowie Selbstvorwürfe, schlechte Schulnoten und Angst vor Mitschülern.
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Stimmungskrisen können bereits im Säuglingsalter auftreten. Betroffene Babys schlafen meist übermäßig viel, sind träge und scheuen Körperkontakt. Zudem macht sich eine Depression bei Neugeborenen durch körperliche Entwicklungsverzögerungen bemerkbar. Eine Diagnose ist in diesem Alter allerdings schwierig.
Übergewichtig und sozial ausgegrenzt
Sind Kinder zu dick, ist ein Familienmitglied bereits depressiv oder treten Spannungen innerhalb der Familie oder im Schulalltag auf, kann es häufiger zu Stimmungskrisen bereits in frühen Jahren kommen. Dicke Kinder werden im Kindergarten und in der Schule häufig verspottet und weniger oft als Spielkameraden gewählt. Diese Hänseleien nagen am Selbstwertgefühl und hinterlassen tiefe Kerben in der kindlichen Psyche. Passend dazu zeigt eine deutsche Studie, dass adipöse Kinder dreimal so häufig unter Depressionen leiden als normalgewichtige Altersgenossen. Einer amerikanischen Untersuchung zufolge werden übergewichtige und adipöse Vorschulkinder öfter gemobbt und ausgelacht als ihre schlanken Kameraden. Depressive Kinder reagieren meist gereizt, verhalten sich aggressiv und fühlen sich einsam. Zudem sind sie anfälliger für Angstzustände, Essstörungen und Drogenmissbrauch in späteren Jahren.
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Wie man kindliches Körpergewicht richtig einschätzt, lesen Sie hier.
Riskantes Wechselspiel
Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass sich Depressionen und Übergewicht – insbesondere Adipositas – gegenseitig begünstigen und verstärken. Laut einer Metaanalyse von Luppino et al. erhöht sich demnach das Depressionsrisiko bei adipösen Personen um satte 55 %. Umgekehrt pushen Depressionen die Wahrscheinlichkeit für krankhaftes Übergewicht um knapp 60 %. Werden Kinder von anderen gemieden und aus dem Freundeskreis ausgeschlossen, laufen sie Gefahr, in einen Teufelskreis zu geraten: Sie suchen Trost und emotionalen Halt im Essen, gleichzeitig nehmen sie immer mehr zu. Einer Depression zu entkommen, ist schwierig, für dicke Kinder umso mehr.
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Eine Depression muss nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sein. Sie kann auch „maskiert“ auftreten. Typisch dafür sind z. B. Kopf-, Rücken- und Bauchschmerzen, Verdauungsprobleme, Appetitlosigkeit, Essensverweigerung sowie Schlaflosigkeit.
Bewegung als Schutzschild gegen psychischen Stress
Zahlreiche Studien kommen zu dem Schluss: Bewegungsfreudige Kinder entwickeln sich schneller, sind selbständiger, kontaktfreudiger und zielstrebiger als Kinder, die weniger aktiv sind. Zudem tut Bewegung auch der kindliche Psyche gut. Das zeigt eine aktuelle Studie aus Norwegen. Volkschulkinder, die einenhalb Stunden pro Tag herumtollen, laufen und toben, sind demnach weniger anfällig für Depressionen als Altersgenossen, die ihre Freizeit eher sitzend verbringen. Für die Datenauswertung wurden verschiedene Symptome für Depressionen (z. B. Konzentrationsstörungen, Trennungsängste, Angst vor anderen Menschen, Aggressionen) einbezogen. Die Wissenschafter stellten fest, dass Kinder, die sich ausreichend bewegen (ca. 75 Minuten pro Tag), ein äußerst geringes Depressionsrisiko aufweisen. Sie entwickeln lediglich 0,5 Depressionsmerkmale von neun möglichen.
Bewegung wirkt positiv gegen Depressionen, weil sie an der Hirnchemie kurbelt: Die Glückshormone Endorphin und Serotonin werden vermehrt ausgeschüttet, die Aktivität des Stresshormons Kortisol nimmt ab und es kommt zur Neubildung von Zellen im Hippocampus. Dadurch wirkt Bewegung teilweise ähnlich wie Psychopharmaka. Lesen Sie mehr dazu hier.
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Um Kinder und Eltern spielerisch den Zusammenhang von körperlicher Aktivität und Ernährung zu vermitteln, entwickelte das forum. ernährung heute das Bewegungspiel [ess-be] mit Quizfragen rund um Ernährung. Im Vordergrund steht der Spaßfaktor, der Lerneffekt stellt sich nebenbei ein.
Laut österreichischen Bewegungsempfehlungen sollten Kinder 60 Minuten pro Tag „bewegt“ verbringen. Die f.eh-Bewegungspyramide zeigt, wie die Verteilung aussehen kann, um ausreichend Bewegung zur Gewohnheit zu machen. Dabei dürfen Kinder ruhig außer Atem kommen und schwitzen. Wichtig ist vor allem, Kindern Freude an Bewegung zu vermitteln, sie zu motivieren und Bewegungsimpulse zu setzen. Lesen Sie mehr dazu hier.
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Fit Sport Austria bietet eine Vielzahl an Sport- und Bewegungsangeboten für Kinder. Das Angebot reicht von Babyschwimmen, Kleinkind-Turnen bis hin zu Tanzen, Judo und Ballspielen. Österreichweit kann je nach Region nach den passenden Kursen gesucht werden.
Literatur
Zahl T, Steinsbekk S, Wichstrom L: Physical Activity, Sedentary Behaviour, and Symptoms of Major Depression in Middle Childhood. Pediadrics 139 (2017).
Harrist A: The social an emotional Lives of Overweight, Obese and severely obese schildren. Child Development 48: 15-39 (2016).
Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ): Depressionen bei Kindern Teil 1.
www.paediatrie.at/home/Spezialbereiche/Jugendmedizin/depression_bei_kindern_und_jugendlichen_teil_1.php (Zuletzt abgerufen am 09.10.2017
Dilling H, Freyberger HJ (Hrsg.): TASCHENFÜHRER ZUR ICD-10-KLASSIFIKATION PSYCHISCHER STÖRUNGEN. Verlag Hans Huber, Bern (2012).
Eschenbeck H, Kohlmann CW, Dudey S, Schürholz T: Physician-diagnosed Obesity in German 6-14 year olds. Prevalence and Comorbidity of Internalising Disorders, Externalising Disorders and Sleep Disorders. Obes Facts 2: 67-73 (2009).
Luppino FS et al.: Overweight, Obesity and Depression: A Systematic Review and Meta-Analysis of Longitudinal Studies. Arch Gen Psychiatry 67:220-229 (2010).