02.09.2022 von Dr. Marlies Gruber

Bohnen, Linsen und Co. - ein unterschätzter Joker?

Hülsenfrüchte stehen nicht im Fokus, wenn es um ernährungsassoziierte Erkrankungen geht. Und doch weisen sie ein hohes Potenzial auf. Richten wir den Scheinwerfer auf eine zu wenig beachtete Kategorie!

Hülsenfrüchte schlagen mehrere Fliegen mit einer Klappe. Sie bilden eine gute pflanzliche Eiweißquelle und punkten mit einigen gesundheitsrelevanten Aspekten. Denn sie adressieren genau jene Parameter, die bei vielen Menschen aus dem Lot geraten sind, etwa Blutzuckerspiegel, Cholesterin- und Triglyceridspiegel, Blutdruck und Darmgesundheit. Der Grund dafür liegt unter anderem in ihrem hohen Anteil an Kohlenhydraten von 55 bis 65 % in der Trockensubstanz. Diese wirken vor allem deswegen so günstig, weil 30–40 % davon als Amylose, also als resistente Stärke, vorliegen.

Während „normale“ Stärke wie alle anderen Kohlenhydrate von den Verdauungsenzymen in ihre Bestandteile aufgespalten und somit schlussendlich als Glukose vom Körper aufgenommen wird, passiert resistente Stärke den Dünndarm unverdaut. Sie beeinflusst daher den Blutzuckerspiegel nicht, ist also nicht glykämisch wirksam. Erst im Dickdarm wird die resistente Stärke durch die Darmbakterien zu kurzkettigen Fettsäuren wie Butyrat oder Propionat verstoffwechselt. Daher zählt die resistente Stärke zu den Ballaststoffen und fördert unter anderem die Darmgesundheit. Kurzkettige Fettsäuren schützen die Darmbarriere und hemmen chronische Entzündungsprozesse, die mit der Entwicklung von gastrointestinalen Problemen wie Colitis ebenso verbunden sind wie mit Übergewicht und Diabetes Typ 2. Bei Menschen mit Diabetes wurde festgestellt, dass die Aufnahme von resistenter Stärke hilft, den Insulinspiegel und die Insulinresistenz, um circa ein Drittel zu reduzieren.

Rot, schwarz, gesprenkelt

Hülsenfrüchte enthalten darüber hinaus eine Reihe von sekundären Pflanzenstoffen, z. B. Flavonoide, Tannine, Phenolsäuren und Anthocyane. Diese Polyphenole sind antioxidativ und entzündungshemmend, wirken Bluthochdruck sowie übermäßigem Gewebewachstum entgegen und schützen das Herz-Kreislauf-System. Dunkle Bohnen weisen dabei höhere Gehalte an Polyphenolen auf als hellere und damit sowohl eine höhere antioxidative Kapazität als auch eine stärkere antiproliferative Wirkung. Zudem verbessern die Anthocyane die Blutzuckerantwort, indem sie die Aktivität der Enzyme α-Amylase, Maltase und Saccharase unterbinden. Menschen mit Diabetes profitieren also davon, wenn beispielsweise Reis mit dunklen Bohnen gemischt wird; im Vergleich zu purem Reis. Dann ist weniger Insulin nötig. Aufgrund ihrer antiglykämischen Wirkung helfen Hülsenfrüchte demnach auch beim Diabetesmanagement.

Kosten-Nutzen-Rechnung

Regelmäßiger Leguminosenkonsum zeigt zudem beachtliche langfristige Effekte auf relevante metabolische Parameter. So senken vier bis sieben Portionen à 100 g gekochte Hülsenfrüchte pro Woche bereits nach zwei Monaten den HbA1c-Wert deutlich, wirken positiv auf den Gesamt- und LDL-Cholesterinspiegel, die Triglyceride sowie den systolischen Blutdruck; sie führten sogar zu einem ausgeprägteren Gewichtsverlust als in Kontrollgruppen. 100 g gekochte Leguminosen pro Tag (etwa 50 g rohe) liefern im Durchschnitt 115 Kalorien, 20 g Kohlenhydrate, 7–9 g Ballaststoffe, 8 g Protein und 1 g Fett, je nach Art und Zubereitungsmethode. Damit ist fast ein Drittel der empfohlenen Ballaststoffzufuhr erreicht. Wenn das keine bemerkenswerte Ausbeute ist!

Fazit

Gewohnheitsmäßig mehr Hülsenfrüchte in den Speiseplan zu integrieren, scheint eine effektive Strategie zu sein, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes zu senken sowie Komorbiditäten einzudämmen. Die Auswahl an Sorten, Rezepten und neuen Produkten ist groß. Hülsenfrüchte lassen sich nahezu „unbemerkt“ und spielend leicht in den Alltag einbauen. Ihr Potenzial ungenutzt zu lassen, ist eine vertane Chance.

Dieser Artikel ist in der ernährung heute 3_2022 Klein, aber oho!“erschienen.

Literatur

 

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Serventi L: Upcycling Legume Water: From Wastewater to Food Ingredients. 1. Ausgabe, Springer Verlag (2020).

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