Donnerwetter, Blitz!
Kinder brauchen Bewegung. Für sie ist das bewegte Spielen Voraussetzung für die körperliche, motorische, emotionale, psychosoziale und kognitive Entwicklung. Bevor ein Kind etwas be-greifen kann, muss es seine Umwelt greifen können, bevor es etwas er-fassen kann, muss es die Dinge in die Hand nehmen und anfassen. Ohne ausreichende Bewegung sind keine großen Fort-Schritte zu machen.
Die Entwicklung von Kindern wird von Genetik und Bewegung bestimmt. Die Gene geben den Bauplan vor und bestimmen wann welche Wachstums- und Entwicklungsschritte an der Tagesordnung stehen. Dieser genetische Fahrplan wird durch starke Entwicklungsreize gefördert. Dazu zählen optische, akustische oder taktile Sinnesreize. Sie stimulieren die Reifungsvorgänge und schöpfen das genetische Potenzial aus. Fehlen Bewegungsangebote in den Kindheitsjahren, können sich die individuellen genetischen Möglichkeiten kaum entfalten oder sie bleiben sogar komplett ungenutzt. Da nur begrenzte Zeitfenster für bestimmte Entwicklungsschritte im Reifungsplan vorgesehen sind, können manche Entwicklungsphasen später nur noch schwer nachgeholt werden. Bis zum achten Lebensjahr sollten sich Kinder möglichst abwechslungsreich bewegen. Hüpfen, klettern, fangen, rennen, balancieren und radfahren stehen auf dem Plan, den Kinder im bewegten Spiel wie von selbst erledigen, wenn man sie lässt.
Wissenswert
Donnerwetter, Blitz! ist ein altes Kinderspiel. Bei dem die Kinder in die Richtung eines Spielleiters laufen bis, er „Donnerwetter, Blitz!“ ruft und sich gleichzeitig umdreht. Das Kind, das er noch in Bewegung sieht, scheidet aus.
Turnen für Pisa
Der körperlichen Entwicklung folgt bei ausreichender Bewegung die geistige Entwicklung. Bewegung hilft Kindern, sich die Umwelt anzueignen und sich mit ihr handelnd auseinander zu setzen. Jede Berührung, jede Bewegungsabfolge wird in elektrische und chemische Arbeit übersetzt, die zur Bildung neuer Verbindungen und damit zur Differenzierung des Gehirns beiträgt. Bewegung und intellektuelle Entwicklung hängen daher untrennbar miteinander zusammen. Wer lernt, sich über seinen Körper auszudrücken, ist auch später in der Lage, sich anderen Menschen mitzuteilen.
Zwischen guten Noten und dem guten Fitnesszustand besteht auch ein enger Zusammenhang. Turnen gegen Mathe tauschen- Das ist das Ergebnis einer amerikanischen Studie. 546 Grundschüler erhielten von der 1. bis zur 6. Klasse fünf zusätzliche Stunden Sportunterricht pro Woche. Sie mussten aber dafür nicht länger, als ihre Kollegen in der Schule bleiben, die Zeit wurde von den anderen Schulstunden abgezwackt. Das Sportprogramm wurde strukturiert nach einem Schema durchgeführt: In den 1. und 2. Klassen standen Laufen, Hüpfen und Balancieren auf dem Programm. In den höheren Klassen bildeten Ausdauer- und Kraftübungen den Bewegungsmittelpunkt. Den Schülern in der 6. Klasse wurden Mannschafts- und Ballsportarten vorgeschlagen. Das Resultat: Schon in der 2. Klasse wurde der positive Effekt des strukturierten Bewegungsprogrammes sichtbar. Die Kinder der Bewegungsklassen zeigten trotz eines verringerten Unterrichtspensums von 12–14 % deutlich bessere schulische Leistungen als ihre gleichaltrigen Mitschüler ohne Bewegungsprogramm. Am deutlichsten zeigte sich das im „Lieblingsfach“ vieler: Mathematik.
Kinder, die sich selbst trauen
Über die Erfahrungen, die ein Kind durch Spiel und Bewegung gewinnt, bekommt es ein Gefühl für seine eigenen Fähigkeiten. Es erlebt, dass es mit Handlungen und Aktivitäten aktiv etwas bewirken kann. Das Lernen und Erfahren von Können und Nichtkönnen, von Erfolg und Misserfolg, von der eigenen Leistungsfähigkeit und den eigenen Grenzen geben dem Kind das Gefühl von Selbständigkeit und stärken die Sicherheit, in sich selbst zuvertrauen. Diese Sicherheit schafft auch die notwendige Grundlage für Kontaktfreude und soziale Kompetenz. Kaum etwas steigert das Selbstwertgefühl von Kindern und Jugendlichen mehr als Erfolge und Fortschritte beim Sport.
Wissenswert
Viele Studien kommen zu dem Schluss: Sportliche Kinder entwickeln sich motorisch und psychisch wesentlich schneller; sie sind selbständiger, kontaktfreudiger und zielstrebiger als Kinder, die nicht gefördert werden.
Kinder, die miteinander spielen, trainieren spielerisch den Teamgeist, Fair Play, Offenheit und ihre Frustrationstoleranz – soziale Fähigkeiten, die fürs spätere Leben wesentlich sind. Allerdings finden Kinder oft keinen Spiel- und Bewegungsraum, in dem sie sich gefahrlos und spontan ausleben können. Häufig ist die Zeit vollkommen verplant, so dass keine Zeit für Spielgefährten oder Eigenaktivität bleibt. Das Ergebnis sind immer mehr Stubenhocker, bei denen das Fernsehen oder der Computer die Rolle des Spielkameraden übernimmt und die virtuelle Welt die Erfahrungen auf der Wiese ersetzt. Die Voraussetzungen, dass Kinder ihren natürlichen Bewegungs- und Forscherdrang adäquat ausleben können, müssen von Eltern und Erziehern geschaffen werden. Wichtig sind dabei nicht nur die Sport- und Bewegungsmöglichkeiten in Kindergarten und Schule, sondern auch die Freiräume zu Hause.
Die Grundlagen für Teamfähigkeit, soziale Intelligenz, Empathiefähigkeit werden im Kindesalter gelegt. Auf dem Spielplatz muss man verhandeln, Absprachen treffen, Rücksicht nehmen, sich streiten und wieder versöhnen, Kompromisse finden und sich gegenseitig helfen. Man lernt, wie man kleine Niederlagen seelisch bewältigen kann und wie es ist, sich selbstlos mit anderen zu freuen. Das alles sind Qualifikationen, die auch im späteren Berufs- und Privatleben von großer Bedeutung sind.
Fazit
Fangen spielen macht schlau, baut Stress ab und macht Kinder zu selbstsicheren kleinen Persönlichkeiten. Aber es braucht eine Umgebung, die das Spielen, Laufen und Toben sowohl als Kind gerechte Ausdrucksform versteht als auch als besonders wichtig für die Entwicklung von Körper und Geist begreift.