26.01.2023 von Elisabeth Sperr, MSc

Essbare Insekten: Ein Update

Insekten stehen bei mehr als einem Viertel der Weltbevölkerung ganz selbstverständlich auf dem Speiseplan. Käfer, Heuschrecken, Grillen und Wanzen dienen als Eiweißlieferanten und haben vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsdebatte auch die Aufmerksamkeit in unseren Breiten geweckt.

Die Weltbevölkerung wächst stetig, bis 2050 rechnet man mit über 9 Milliarden Menschen. Dieses Wachstum übt Druck auf die Umwelt und Agroökosysteme weltweit aus. Die Transformation der Ernährung hin zu einer verstärkt pflanzenbasierten Kost wird daher von vielen Seiten gefordert und vorangetrieben. Warum gerade Insekten ebenfalls zu einem nachhaltige(re)n Ernährungssystem beitragen sollen, hat laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) mehrere Gründe: Insekten sind gute Eiweißlieferanten und enthalten viele wichtige Vitamine, Ballast- und Mineralstoffe. Aber vor allem brauchen sie weniger Futter als etwa Rinder, Schafe oder Schweine, um dieselbe Menge an Eiweiß zu produzieren. Zudem stoßen sie weniger Treibhausgase und Ammoniak aus. Darüber hinaus bieten sie sozioökonomische Möglichkeiten, denn in Entwicklungs- und Schwellenländern dient die Insektenzucht vielen Menschen als Lebensunterhalt. Auch in westlichen Ländern sollten somit verstärkt Insekten gegessen werden – mit diesem Ansatz setzte die FAO bereits im Jahr 2013 eine öffentliche Diskussion in Gang, die nunmehr langsam in die Mitte der Gesellschaft rückt.

Wissenswert

Insekten brauchen durchschnittlich 2 kg Futter, um 1 kg Körpermasse aufzubauen. Rinder hingegen benötigen dafür 8 kg Futter.

Wie sieht die „Insekten-Lage“ in Österreich aus?

Obwohl Insekten als Ganzes in Ländern wie den Niederlanden und Belgien bereits 2015 in Supermärkten angeboten wurden, blieb die Herstellung von Lebensmitteln aus Insekten in Europa lange ungeregelt. Mittlerweile werden essbare Insekten europaweit einheitlich durch die Novel Food-Verordnung (EU) 2015/2283 geregelt und müssen seit Beginn 2020 ein strenges Zulassungsverfahren bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) durchlaufen, um ihre Sicherheit zu belegen. Darüber hinaus werden einzelne ganze Insekten geduldet, die bereits vor dem Anwendungsbeginn der EU-Novel-Food-Verordnung mit Jänner 2018 in Verkehr gebracht wurden. Dazu erließ das Gesundheitsministerium eine entsprechende Übergangsleitlinie. Werden Insekten als Nahrungsmittel (als Zutat) verwendet, muss dies für Konsumenten klar erkennbar sein und durch Hinweise zur Insektenart und Verarbeitung auf der Verpackung angeführt werden. Zudem sind Allergiehinweise verpflichtend. Denn Menschen mit einer Allergie gegen Krebstiere, Weichtiere sowie Hausstaubmilben können mitunter auch auf den Verzehr der Krabbeltiere allergisch reagieren.

Bisher zugelassen

Im Jänner 2021 veröffentlichte die EFSA eine Stellungnahme zur Sicherheit von getrockneten gelben Mehlwurmlarven (Tenebrio molitor). Die Larven wurden als ganzes Insekt in Form von Snacks sowie als Lebensmittelzutat als sicher eingestuft. Daraufhin stimmte die EU-Kommission der Vermarktung zu, seit Juni 2021 dürfen sie als Ganzes oder in Pulverform und als Zutat in bestimmten Erzeugnissen (z. B. Keksen, Teigwaren) in der EU vertrieben werden. Das zweite zugelassene Speiseinsekt ist die Wanderheuschrecke (Locusta migratoria). Sie darf seit Dezember 2021 gefroren, getrocknet und pulverförmig in Verkehr gebracht werden – entweder pur oder verarbeitet (z. B. in Kartoffelprodukten, Fleisch-Alternativen). Mit Februar 2022 wurden zudem die Hausgrille (Acheta domesticus, auch Heimchen) – gefroren, getrocknet oder pulverförmig – für den europäischen Markt zugelassen. Im Jänner 2023 folgten zusätzlich deren teilweise entfettetes Pulver und die Larve des Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus, auch Buffalowurm) in gefrorener, pastenartiger, getrockneter und pulverisierter Form. Weitere Anträge für bestimmten Insektenarten werden derzeit von der EU-Kommission geprüft. 

Fakten zu Insekten:

  • Entomophagie bezeichnet den Verzehr von Insekten durch Menschen.
  • Insekten tragen zur Ernährung von rund zwei Milliarden Menschen bei, vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika.
  • Über 2000 essbare Insektenspezies werden weltweit konsumiert, die Mehrzahl der bekannten Arten wird in der Wildnis eingefangen.
  • Die am häufigsten verzehrten Insekten sind laut FAO: Käfer (31 %), Raupen (18 %), Bienen, Wespen und Ameisen (14 %), Grashüpfer, Heuschrecken und Grillen (13 %), Zikaden, Wanzen und Pflanzenläuse (10 %), Termiten (3 %), Libellen (3 %), Fliegen (2 %) und andere Gattungen (5 %)

Frage der Gesundheit und Nachhaltigkeit

Insekten werden aufgrund ihres Nährwertprofils häufig als „Superfood“ bezeichnet. Allerdings greift ein pauschales Urteil dahingehend zu kurz. Denn neben der Vielzahl essbarer Spezies, hängen die jeweiligen Nährwerte auch davon ab, in welchem Entwicklungsstadium sich das entsprechende Tier gerade befindet und was es gefressen hat. Im Vergleich mit Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch können beispielsweise Heuschrecken und Mehlwürmer jedoch gut mithalten. Die Nährstoffe müssen allerdings in Relation mit der aufgenommenen Menge gesehen werden.

In puncto Nachhaltigkeit gibt es wiederum zu bedenken, dass neben vielen positiven Argumenten der Insektenzucht, Fragen zum Tierwohl noch offen sind. Zudem löst der Verzehr von Insekten in westlichen Gesellschaften nach wie vor Ekel aus – besonders, wenn Körperteile wie Kopf oder Beine noch erkennbar sind. Während es somit für manche ein spannendes Experiment oder eine kulinarische Mutprobe ist, lehnen andere derartige Lebensmittel grundsätzlich ab. Im Hinblick auf die Reduktion des Fleischkonsums können alternativ Hülsenfrüchte als nachhaltige Eiweißquelle herangezogen werden. Sie genießen gemeinhin eine größere Akzeptanz in der Bevölkerung.

Fazit

Essbare Insekten gewinnen als neuartige Lebensmittel in Europa zunehmend an Interesse. Die Krabbeltiere punkten in der Regel mit einem hohen Eiweißgehalt und einer nachhaltigeren Produktionsbilanz als Fleisch. Wer jedoch über die Ekelbarriere nicht hinweg kommt, dem stehen mit Hülsenfrüchten noch weitere nachhaltige und traditionell verankerte Eiweißquellen zur Verfügung.

Dem Thema Hülsenfrüchte haben wir uns in der ernährung heute 3-2022: „Klein, aber oho!“ gewidmet. Zum Magazin geht es HIER.

Literatur

Bundesministerium für Frauen und Gesundheit (BMGF): Leitlinie für gezüchtete Insekten als Lebensmittel. BMGF-75210/0003-II/B/13/2017 vom 15.02.2017 (2017).

Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): Essbare Insekten: Vom Exoten auf dem Weg zur alltäglichen Kost? www.bzfe.de (Zugriff: 25.01.2023).

Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA): Safety of dried yellow mealworm (Tenebrio molitor larva) as a novel food pursuant to Regulation (EU) 2015/2283. EFSA Journal 19(1): 6343 (2021).

Europäische Kommission: Durchführungsverordnung (EU) 2023/5 der Kommission vom 3. Januar 2023 zur Genehmigung des Inverkehrbringens von teilweise entfettetem Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille) als neuartiges Lebensmittel und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470. www.eur-lex.europa.eu (Zugriff: 25.01.2023).

Europäische Kommission: Durchführungsverordnung (EU) 2023/58 der Kommission vom 5. Januar 2023 zur Genehmigung des Inverkehrbringens von Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer) in gefrorener, pastenartiger, getrockneter und pulverisierter Form als neuartiges Lebensmittel und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 www.eur-lex.europa.eu (Zugriff: 25.01.2023).

Europäische Kommission in Deutschland: Insekten in Lebensmitteln: die Fakten. Pressemitteilung vom 19.01.2023 germany.representation.ec.europa.eu (Zugriff: 25.01.2023).

European Food Information Council (EUFIC): Sustainable Protein – Meeting future needs. www.eufic.org (Zugriff: 25.01.2023).

Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO): Der Beitrag von Insekten zur Nahrungssicherung, Lebensunterhalt und Umwelt. Informations-Leitfaden, Rom (2013).

Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO): „Worm“ up tot he idea of edible insects. www.fao.org (Zugriff: 25.01.2023).

Proteinsects: About the Project. www.proteinsect.eu (Zugriff: 25.01.2023).

van Huis A: Prospects of insects as food and feed. Organic Agriculture, 1-8 (2020).

Verbraucherzentrale: Insekten essen: Eine Alternative zu herkömmlichem Fleisch? www.verbraucherzentrale.de (Zugriff: 25.01.2023).

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