Folsäure – auch ein maskulines Thema!
Wenn kein Storch zu sichten ist, lässt sich meist zuerst die Frau auf Fruchtbarkeits- untersuchungen ein. Dabei ist die Ursache eher beim Mann zu suchen: Laut Register des IVF-Fonds (in-vitro-Fertilisation Fonds) liegt das Problem in Österreich in 56 % der Fälle beim Mann und zu 23 % bei der Frau - in den restlichen 21 % der Fälle haben beide Partner keine optimalen Voraussetzungen fürs Kinderkriegen.
Grund für die männliche Unfruchtbarkeit sind häufig eine verminderte Spermienqualität und -anzahl: Im Ejakulat sind nicht mehr ausreichend Spermien enthalten, die flink und beweglich genug sind, um die weibliche Eizelle zu befruchten. Zudem sind die Spermien bei verminderter Spermienqualität anfälliger für Genommutationen. Dann fehlen einzelne Chromosomen, oder sie sind zusätzlich zum üblichen Chromosomensatz vorhanden. Wenn diese defekten Spermien die Eizelle befruchten, kann es zu Fehlgeburten oder zum Down-Syndrom beim Nachwuchs kommen.
Oxidativer Stress
Verantwortlich für die verminderte Spermienqualität sind neben Erbfaktoren auch Umwelt-
einflüsse (Alkohol, Nikotin, Drogen, bestimmte Medikamente, ...), die dem Körper mit einem Übermaß an freien Radikalen zusetzen. Gerade in ihrem finalen Entwicklungsstadium sind Spermien besonders anfällig für freie Radikale, da in dieser Phase das meiste an Zellinhalt entfernt wird - und damit gehen auch die Abwehrenzyme (Katalase und Glutathion- peroxidase), die die freien Radikale entschärfen können, verloren. Folge ist, dass die freien Radikale vermehrt die DNA angreifen und so zu mehr DNA-Brüchen führen. Weitere Angriffsziele für freie Radikale sind neben der DNA ungesättigte Fettsäuren in der Plasmamembran der Spermien. Diese sind wichtig für die Beweglichkeit der Spermien: Je mehr ungesättigte Fettsäuren vorhanden sind, desto flinker sind die Spermien. Nicht zuletzt lässt sich auch die Schutzhülle der Eizelle leichter durchdringen, wenn die Plasmamembran genügend intakte ungesättigte Fettsäuren beherbergt. Ungesättigte Fettsäuren reagieren aber ebenfalls sehr leicht mit freien Radikalen - die Plasmamembran wird geschädigt und die Spermien werden träge.
Ernährungsfaktoren, die Spermien auf Trab bringen
Was hat das nun alles mit Folsäure zu tun? Sie spielt einerseits eine bedeutsame Rolle in der Entwicklung von Keimzellen. Denn Folsäure ist notwendig, um DNA und Aminosäuren (Cystein und Methionin) produzieren zu können. Andererseits ist sie antioxidativ aktiv. Daher liegt es nahe, dass eine niedrige Folsäurezufuhr ein Faktor für eine schlechte Spermienqualität sein könnte.
Studien bestätigen, dass eine hohe Zufuhr an Folsäure die Spermien aufpeppelt: Young et al. (2008) untersuchten u. a. den Zusammenhang zwischen der Folsäureaufnahme und der Spermienqualität von 89 gesunden Nichtrauchern. Dabei zeigte sich, dass Männer, die täglich zwischen 770 μg und 1150 μg Folsäure über Nahrung und Nahrungsergänzungsmittel konsumierten, im Vergleich zu Männern mit einer Aufnahmemenge unter 330 μg um 20 % weniger genomgeschädigte Spermien aufwiesen.
Wissenswert
Über die Nahrungsaufnahme sind keine toxischen Wirkungen von Folsäure bekannt. Auch nach Supplementeinnahme von 4 mg Folsäure pro Tag wurden keine Nebenwirkungen (gastrointestinale Störungen, Schlafstörungen) beobachtet, die bei höheren Dosierungen (15 mg pro Tag) auftreten können. Weil Folsäure einen Vitamin B12-Mangel maskieren kann, wird aber empfohlen, einerseits über längere Zeit nicht mehr als 1 mg Folsäure pro Tag aufzunehmen und andererseits auf eine ausreichende Vitamin B12-Aufnahme zu achten.
Eine weitere Studie zeigte, dass die Spermiendichte in vermindert fruchtbaren Männern
(n = 94) um 40 % gesteigert werden konnte, wenn sie 5 mg Folsäure pro Tag über sechs Monate aufnahmen. Um die Spermiendichte deutlich zu erhöhen, brauchte Folsäure jedoch noch Zink zur Unterstützung: Die Probandengruppe, die neben Folsäure 66 mg Zinksulfat (entspricht 15 mg Zink) täglich auf dem Versuchsplan hatte, wurde mit einer 74 %igen Steigerung der Spermiendichte prämiert. Dieses Resultat gründet auf der erleichterten Folsäure-Aufnahme bei gleichzeitiger Zinkzufuhr. Außerdem wirkt auch Zink antioxidativ und ist als Kofaktor von über 80 Enzymen in die Keimzellenentwicklung involviert.
Wissenswert
Laut österreichischem Ernährungsbericht sind 72 % der Männer ausreichend mit Folat versorgt. Die D-A-CH Empfehlungen für die Zinkaufnahme liegen in Abhängigkeit von der Phytatzufuhr bei Männern zwischen 11 und 16 mg pro Tag. Im Durchschnitt werden 12 mg aufgenommen. Abgeraten wird von einer Zinkzufuhr über 25 mg pro Tag, weil es zu Wechselwirkungen mit dem Eisen- und Kupferstoffwechsel kommen kann.
Folsäure- und zinkreiche Lebensmittel
Lebensmittel (100 g) | Folsäure (μg) | Zink (mg) |
---|---|---|
Kalbsleber | 240 | 8,4 |
Kichererbsen | 340 | 2,4 |
Linsen | 168 | 3,7 |
Brokkoli, roh | 114 | 0,5 |
Hühnerei | 76 | 1,4 |
Weizenvollkornbrot | 29 | 1,5 |
Quelle: Souci Fachmann Kraut (2000)
Weitere Spermabooster
Eskenazi et al. (2005) fanden auch einen Zusammenhang zwischen einem guten Ernährungsstatus und einer besseren Spermienqualität. Die Kandidatin war jedoch in diesem Fall nicht Folsäure. Obwohl diese nicht übertrumpft werden konnte, schnitten die Antioxidantien Vitamin C, Vitamin E und ß-Carotin bei 97 nichtrauchenden Männern hinsichtlich Spermienqualität gut ab: War die Zufuhr an diesen drei Vitaminen hoch (Vitamin C: über 440 mg, Vitamin E: über 140 mg und ß-Carotin über 3,9 mg), waren die Spermienkonzentration und -beweglichkeit im Vergleich zu den Personen mit niedriger Aufnahme (Vitamin C: unter 99 mg, Vitamin E unter 9,6 mg, β-Carotin unter 1,2 mg)deutlich verbessert. Im Durchschnitt hatten Männer mit der höchsten Antioxidantienaufnahmemenge eine um über 80 x 10^6/ml erhöhte Spermienkonzentration und eine um 36 x 10^6/ml höhere Anzahl an sehr beweglichen Spermien, wenn man sie mit der Gruppe mit den niedrigsten Aufnahmemengen der drei Vitamine verglich. Die österreichischen Männer sind im Durchschnitt gut mit den drei Antioxidantien versorgt. Die in den Studien genannten Werte, die eine verbesserte Spermienqualität mit sich bringen, liegen über den Empfehlungen, aber noch unter den Tolerable Upper Intake Levels für diese Vitamine. Diese sollte man nicht - etwa mit hoch angereicherten Nahrungsergänzungsmitteln - überschreiten.
Fazit
Geht es um die Erfüllung des Kinderwunsches bzw. um gesunden Nachwuchs, ist Folsäure nicht nur für die Frau ein wichtiges Vitamin. Denn bei vermindert fruchtbaren Männern verbessert sich die Spermienqualität, wenn sie genügend Folsäure konsumieren. Die Aufnahme bei österreichischen Männern liegt jedoch weit unter den Empfehlungen. Um die Spermienqualität durch Folsäure und Antioxidantien wie Vitamin C, Vitamin E und β-Carotin zu erhöhen, sollten daher auch beim Mann mehr (grünes) Gemüse, Obst, Vollkornbrot und pflanzliche Öle (z. B. Weizenkeimöl) auf dem Speiseplan stehen.
Literatur
Young SS, Eskenazi B, Marchetti FM, Block G, Wyrobek AJ: The association of folate, zinc and antioxidant intake with sperm aneuploidy in healthy non-smoking men. Human Brokkoli 23 (5): 1014-1022 (2008).
Ebisch IMW, Thomas CMG, Peters WHM, Braat DDM, Steegers-Theunissen RPM: The importance of folate, zinc and antioxidants in the pathogenesis and prevention of subfertility. Human Reproduction Update 13 (2): 163-174 (2007).
Elmadfa I et al.: Österreichischer Ernährungsbericht 2012. 1. Auflage, Wien (2012).
Eskenazi B, Kidd SA, Marks AR, Sloter E, Block G, Wyrobek AJ: Antioxidant intake is associated with semen quality in healthy men. Human Reproduction 20 (4): 1006-1012 (2005).
Jahresbericht 2008 des IVF Fonds: www.bmgfj.gv.at/cms/site/standard.htmlchannel=CH0975&doc=CMS1038912858686 (Zugriff am 22.7.2009).
Souci SW, Fachmann W, Kraut H: Die Zusammensetzung der Lebensmittel - Nährwerttabellen. S. Hirzel Verlag Stuttgart (2000).