05.04.2022 von Redaktion (aktualisiert)

Fruktose: Zu Recht am Pranger?

Sie ist süßer als Glukose und kommt natürlicherweise in vielen Nahrungsmitteln vor. In zugesetzter Form und in großer Menge soll sie die Leber schädigen. Die Rede ist von Fruktose, dem Fruchtzucker. Wie sind die Zusammenhänge?

Fruktose oder Fruchtzucker ist ein sogenannter Einfachzucker, im Fachjargon auch Monosaccharid genannt. Er zählt zu den energieliefernden Nährstoffen, den Kohlenhydraten. Fruktose kommt hauptsächlich in Früchten und Honig vor. Haushaltszucker, die Saccharose, besteht als Disaccharid zu gleichen Teilen aus einer Mischung aus Fruktose und Glukose. Beide Zucker liefern die gleiche Energiemenge, werden im Körper jedoch unterschiedlich verwertet.

Fruktose als beliebtes Süßungsmittel

Fruktose schmeckt süß, wird im Körper aber insulinunabhängig aufgenommen. Das macht den Zucker zu einem beliebten Süßstoff. Zusätzlich ist die Süßkraft etwa doppelt so hoch wie beim Haushaltszucker. Süßwaren oder Getränke werden deshalb verstärkt mit Fruktose gesüßt. Dadurch spart man nicht nur mengenmäßig an Zucker ein, man reduziert auch gleichzeitig den Energiegehalt des Produktes. Neben Fruktose wird auch der sogenannte high fructose corn sirup (HFCS) verwendet. Er ist nur geringfügig anders zusammengesetzt als herkömmlicher Haushaltszucker. Er besteht zu 55 % auf Fruktose und 45 % aus Glukose und wird aus Maisstärke hergestellt.

Die Leber mitten im Geschehen

Die Leber wandelt Fruktose in Energie um, die wiederum vom Körper direkt genutzt werden kann. Bei diesem Vorgang wird ganz automatisch auch Fett in die Leberzellen eingelagert. Dabei handelt es sich um einen natürlichen Prozess, der normalerweise unproblematisch und gefahrlos verläuft. Das Fett wird nämlich wieder abtransportiert. Es gibt jedoch Krankheitsbilder, bei denen es zu einer vermehrten Fetteinlagerung in der Leber kommt. In diesem Fall spricht man von einer Fettleber oder einer nicht-alkoholischen Fettleber (NAFL). Sie wird auch als Wohlstandskrankheit bezeichnet, denn die meisten Betroffenen sind übergewichtig oder leiden an Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 und Insulinresistenz.

Wissenswert

Mittlerweile zählt die NAFL zu einem der weltweit häufigsten Krankheitsbilder. Das Spektrum reicht von einfacher Leberverfettung, der Steatosis hepatis, über die nicht alkoholische Steatohepatitis (NASH) bis hin zur Fettleberzirrhose. In Europa ist bereits jede dritte Person über 40 von einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung betroffen.

Fruktose im Kreuzfeuer der Kritik

Immer wieder wird Fruktose in Zusammenhang mit der nicht-alkoholischen Fettleber gebracht. Ebenso wird sie häufig als Dickmacher genannt. Manche Wissenschaftler sehen den Einfachzucker sogar als Hauptursache für Leberschäden und Gewichtszunahmen. Auch in aktuellen Leitlinien wie jener der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wird Fruktose in Zusammenhang mit der steigenden Adipositasprävalenz gebracht. Ein Problem der Fruktoseabsorption sei die rasche Phosphorylierung in der Leber. Durch diesen Vorgang werden teilweise andere, ebenso wichtige Biosynthesen gehemmt. Zudem wird dieser Zucker insulinunabhängig verstoffwechselt, was zu einer unkontrollierten Aufnahme in die Zellen führt. Durch die schnelle Aufnahme kommt es zu keinem oder einem kürzer anhaltenden Sättigungsgefühl. Festgehalten wird in der Leitlinie jedoch auch, dass Fruktosekonsum im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung und adäquaten Energieaufnahme die Entstehung einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung nicht begünstigt. Eine Gewichtszunahme wird hauptsächlich auf eine übermäßige Kalorienzufuhr zurückgeführt. Denn Fruchtzucker wird in den seltensten Fällen alleine gegessen.

Untersuchungen von Stricker et al. aus dem Jahr 2021 bestätigen die Ergebnisse vergangener Metaanalysen: Fruktose trägt genauso viel oder wenig zum Dicksein bei, wie andere Zuckerarten. Freie Fruktose, wie sie in manchen Studien verabreicht wird, führte in hohen Dosen zu einem moderaten Gewichtsanstieg. Längerfristig verschlechtert das auch die Leberwerte. Diese Effekte können allerdings nicht sicher von denen eines generellen Energieüberschusses getrennt werden. Um klare Ergebnisse zu bekommen, bedarf es weiterer randomisierter kontrollierter Interventionsstudien unter isokalorischen Bedingungen (Ernährung mit dem gleichen Energiegehalt wie ohne Intervention). Anders ist das in Tierversuchen: Hier zeigen Untersuchungen an Mäusen, dass viel Fruktose, vor allem in Kombination mit hoher Fettzufuhr, eine Fettleber begünstigen.

Wieviel sollte es sein?

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie der deutschen, österreichischen und schweizerischen Gesellschaft für Ernährung, sollte Zucker nicht mehr als 10 % der empfohlenen Tagesenergiezufuhr ausmachen. Das sind in etwa 200 kcal oder 50 g. Ob diese nun von Glukose, Saccharose oder Fruktose stammen, spielt keine Rolle. Dem österreichischen Ernährungsbericht 2017 zufolge liegt die tatsächlich erreichte Gesamtzuckeraufnahme bei 81,4 % der Männer und bei 88,8% der Frauen über den Empfehlungen (Zuckerzufuhr Frauen: 17,6 E%, Männer: 16,5 E%). In Interventionsstudien mit Fruktose werden dagegen oft 1,5 g/ kg Körpergewicht bis hin zu 3,5 g/kg Körpergewicht getestet. Bei einer etwa 70 kg schweren Person, sind das immerhin 105 g bis 245 g Fruktose, was 18 bis zu 43 % der Gesamtenergiezufuhr ausmachen kann. Das liegt deutlich über den empfohlenen Mengen.

Fazit

Fruchtzucker steht immer wieder unter Verdacht, eine nicht-alkoholische Fettleber auszulösen. Aufgrund der derzeitigen Studienlage sind jedoch keine klaren Zusammenhänge erkennbar. Die Untersuchungen beschäftigen sich meist mit der Aufnahme an Fruktose, zusätzlich zur normalen Ernährung. Das führt unweigerlich zu einer erhöhten Kalorienaufnahme. Dass eine generell zu hohe Energieaufnahme langfristig zu Übergewicht mit allen Folgeerscheinungen beiträgt, steht außer Frage. Mausmodelle zeigen, dass eine erhöhte Fruktose- mit gleichzeitiger Fettaufnahme die Entstehung einer Fettleber begünstigt. Wie weit das auf den Menschen zutrifft, ist nicht abzuleiten – hier fehlen weitere Interventionsstudien. Vielmehr scheint es ein Zusammenspiel von Kalorienaufnahme, ausgewogener Ernährung und einem aktiven Lebensstil zu sein.

Literatur

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Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Evidenzbasierte Leitlinie. Kohlenhydratzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungmitbedingter Krankheiten. Version 2011: www.dge.de (Zugriff: 30.03.2022).
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE), Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE): D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 2. Auflage, Bonn (2019).
Hahn C, Kerschner B, Mahlknecht P: Fruchtzucker schlecht für die Leber? (2016) medizin-transparent.at: www.medizin-transparent.at (Zugriff: 30.03.2022).
N.N.: Die stillen Leiden der Leber. (2016) www.medizinpopulaer.at (Zugriff: 30.03.2022).
N.N.: Fruchtzucker. www.chemie.de (Zugriff: 30.03.2022).
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Rust P, Hasenegger V, König J: Österreichischer Ernährungsbericht 2017. 1. Auflage, Wien (2017).
Schattenberg M: Nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) und nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH): Pathophysiologie und Ernährungsaspekte. Ernährungs Umschau. 2: M92-M100 (2015).
Sievenpiper J et al: Effect of fructose on body weight in controlled feedig trials: A systematic review and meta-analysis. Ann Intern Med: 156: 291-304 (2012)
Stricker S et al.: Fructosekonsum – freie Zucker und ihr Einfluss auf die Gesundheit. Dtsch Arztebl Int 118: 71-80 (2021).

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