Gemüse aus dem Meer
Was lange vor der Zeit der Dinosaurier evolutionär entstand, wird heute vor allem in großflächigen Meereskulturen in Indonesien, Philippinen, Südkorea, Japan und China produziert. Dort lobte der Autor Sze Tou bereits 600 v. Chr. Algen als taugliche Speise für ehrbare Gäste und Könige. Global gesehen nimmt die jährliche Algenernte stetig zu und wurde 2007 auf ungefähr 14,5 Mio. t geschätzt. Verantwortlich für den Zuwachs sind vor allem der Einsatz als Tierfuttermittel sowie als Binde- und Verdickungsmittel in der Lebensmittelindustrie. Der Großteil wird jedoch immer noch direkt gegessen. Auch wenn Algen in Europa durch den Einfluss der asiatischen Küche und spekulative Gesundheitsbehauptungen immer beliebter werden, ist uns der asiatische Raum beim Verzehr weit voraus. Ein Vergleich zeigt: In Europa werden jährlich 70 t getrocknete Algen verspeist – in Japan 97.000. Inzwischen hat die europäische Küche den Trend aufgegriffen und bereichert mit dem Meeresgemüse auch heimische Speisekarten. Die Zubereitungsmöglichkeiten sind vielfältig. So werden sie in Suppen, Salaten, Aufläufen und Smoothies, als Pesto, Beilage oder Spaghetti verwendet.
Wissenswert
Algen werden botanisch nach ihrer Größe eingeteilt. Makroalgen können bis zu 50 Meter lang werden. Mikroalgen sind bis zu einem Millimeter groß. Gegessen werden nur Makroalgen. Sie werden auch Seetang oder Seegras genannt. Weiter klassifiziert werden sie nach ihrer Farbe in Braun-, Rot- und Grünalgen.
Pflanzlicher Nährstoffexot
Eine gute Quelle für biologisch hochwertiges Eiweiß, langkettige Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B12 und Jod - klingt nach Fisch, ist aber Alge. Ihre Inhaltsstoffe sind einer der Gründe, warum das Meeresgemüse als Lebensmittel der Zukunft gehandelt wird. Der Eiweißgehalt von Nori-Algen ist zum Beispiel vergleichbar mit dem von Sojabohnen.
Dabei sind Algen energie- und fettarm sowie reich an löslichen und unlöslichen Ballaststoffen. Das wenige Fett ist hochwertig: Eicosapentaensäure und alpha-Linolensäure tragen zu einem günstigen Omega-3- / Omega-6-Verhältnis bei. Algen sind zudem reich an Beta-Carotin, B-Vitaminen und Vitamin C sowie den Mineralstoffen Kalzium, Kalium, Magnesium und den Spurenelementen Eisen, Zink, Kupfer, Mangan und Jod. Neben tierischen Lebensmitteln enthalten sie auch für den Menschen verwertbares Vitamin B12. Das gilt jedoch nicht für alle Arten – nur Seetange der Gattung Enteromorpha (z. B. Meersalat) oder Porphyra (z. B. Nori) enthalten wesentliche und verwertbare Mengen.
Auf die Dosis kommt es an
Trotz ihrer Nährstoffdichte hält sich der Beitrag von Algen zur Gesamtversorgung in Grenzen. Das hat mehrere Gründe. Algen sind ein Naturprodukt und unterliegen damit ausgeprägten saisonalen und regionalen Nährstoffschwankungen. Die verzehrte Menge ist zudem gering: Ein Blatt Nori-Algen wiegt ungefähr 3 g. Bei einer üblichen Portion Maki-Sushi (18 Rollen) macht das gerade einmal 6 g Algen. In Bezug auf den teilweise hohen Jodgehalt ist ein sparsamer Umgang sinnvoll, denn Menschen in Jodmangelgebieten wie Österreich reagieren sensibler auf einen Jodüberschuss als der durchschnittliche Japaner. Aufgrund unserer üblicherweise geringen Jodaufnahme kann es bei einer länger andauernden Jodüberversorgung leichter zu einer Störung der Schilddrüsenfunktion kommen. Aufpassen müssen besonders Kleinkinder, Schwangere und ältere Menschen. Braunalgen wie Kombu sollten angesichts ihres hohen Jodgehalts von Personen mit bereits vorhandener Knotenbildung in der Schilddrüse gemieden werden.
Wissenswert
Bei der Zubereitung von Algen sollte man sich an die Angaben des Herstellers halten, denn der Jodgehalt in Algen kann zwischen
1- 4600 µg / g Trockenware schwanken. Als Obergrenze wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ein Maximalwert von
500 µg Jod / Tag festgelegt.
Als natürlicher Bestandteil von marinen Ökosystemen filtern Algen nicht nur wertvolle Mineralstoffe, sondern auch toxische Substanzen wie Schwermetalle. Das Problem dabei: Der Großteil der essbaren Seegräser wird in offenen Meerwasserkulturen angebaut. Die stetig zunehmende Meeresverschmutzung wirkt sich damit auch auf die Belastung der Algen aus. Die Gehalte schwanken, stellen aber Untersuchungen zufolge keine Gefahr für den Menschen dar.
Nährstoffgehalt beliebter Algen (pro 100 g Trockenmasse):
Nährstoff | Nori | Wakame | Kombu | Hijiki |
---|---|---|---|---|
Eiweiß (g) | 31,4 | 19,8 | 7,5 | 11,6 |
Eiweißqualität 1 | 89,6 | 95,9 | 65,9 | 80,9 |
Fett (g) | 2,8 | 4,5 | 1,0 | 1,4 |
EPA (% von Fett) | 20,9 | 13,2 | 16,2 | 42,4 |
n6- / n3-Verhältnis | 0,6:1 | 0,5:1 | 1,3:1 | 0,3:1 |
Ballaststoffe (g) | 49,8 | 45,9 | 36,0 | 62,3 |
Unlösliche Ballaststoffe 2 (g) | 30,0 | 16,0 | 11,8 | 31,3 |
Jod (µg) | 2.640 | 16.300 | 293.400 | 26.200 |
1 Angabe als Essential Amino Acid Index (EAAI) ² ermittelt als Neutral Detergent Fibre (NDF)
Arame bis Wakame
Mindestens 145 verschiedene Algen-Arten landen weltweit auf den Tellern. Die bekanntesten Vertreter sind:
Arame (Eisenia bicyclis): Die Braunalge wird auch See-Eiche genannt und mundet süßlich mit einer Prise Meer. Verwendet wird sie in Suppen, Salaten oder als Gemüse. Am Teller fällt sie durch ihre dunkle Farbe auf. Achtung bei der Menge, ihr Jodgehalt ist hoch.
Dulse (Plamaria palmata): Der nussig schmeckende Lappentang wird auch traditionell in europäischen Ländern wie Frankreich, Großbritannien und Irland verspeist. Frisch wird die Rotalge als spinatartige Beilage serviert. Ihr Jodgehalt ist mittelmäßig.
Hijiki (Hizikia fusiforme): Die Braunalge verfügt über ein spezielles Aroma. Geschmacklich erinnert sie an Fisch mit einer Note Anis. Ihr dunkler Farbton kann zum Beispiel im Kontrast zu geraspelten Karotten oder Avocado attraktiv als Salat präsentiert werden. Sie hat einen mittleren Jodgehalt.
Kombu (Laminaria sp.): Die Rotalge bildet beim Lufttrocknen den Zuckeralkohol Mannitol und wird deswegen dank ihres Geschmacks auch Zuckertang genannt. Sie ist außerdem die Basis für die bekannte Dashi-Brühe – ein japanischer Fischsud und wichtiger Bestandteil der traditionellen Küche. Aufgrund ihres sehr hohen Jodgehalts, sollte Kombu nur als Gewürz verwendet werden.
Meersalat (Ulva lacuca): Die Grünalge ähnelt optisch einem Kopfsalat und hat so ihren Namen erhalten. Sie wächst auch an den Küsten Nordfrankreichs und Spaniens. Meersalat ist frisch oder in Salz eingelegt erhältlich. Sein Jodgehalt ist niedrig.
Nori (Porphyra sp.): Weniger bekannt als seine Beteiligung am Sushi ist, dass es sich bei Nori nicht um ein spezielles Seegras handelt. Ausgangsprodukt sind unterschiedliche Rot- und Grünalgen – meistens der Gattung Porphyra. Sie werden getrocknet, geröstet und zu papierartigen Blättern verarbeitet. Sein Geschmack ist mild, der Jodgehalt ist vergleichsweise niedrig.
Wakame (Undaria pinnatifida): Als Klassiker der japanischen Küche ist die Braunalge neben Nori der meist-verzehrte Seetang in Japan. In ihr liegt das Geheimnis für das Meeresaroma der Misosuppe. Gegessen wird Wakame auch zu Fisch oder kurz blanchiert als Salat. Trotz Klassifizierung als Braunalge hat sie eine intensive grüne Farbe. Ihr Jodgehalt ist mittelmäßig.
Küchentipps für den Umgang mit Algen:
- Algen werden meist getrocknet zum Kauf angeboten. Einmal geöffnet sollten sie luftdicht aufbewahrt werden, damit sie ihr Aroma behalten.
- Frisches Meeresgemüse im Kühlschrank lagern und nur wenige Tage aufbewahren.
- Wenn Algen zu intensiv nach Meer schmecken, können sie für ein paar Stunden in Wasser eingeweicht oder kurz aufgekocht werden. Das reduziert nicht nur ihr Aroma, sondern auch den Jodgehalt auf ein Zehntel.
- Auch getrocknete Algen sollten bei der Zubereitung als Gemüse vor dem Kochen in kaltem Wasser eingeweicht werden – das verbessert ihre Konsistenz.
- Gekochte Algen können problemlos eingefroren und wieder erwärmt werden.
Fazit
Algen enthalten einen Mix an wertvollen Nährstoffen. Bei den üblichen Verzehrsmengen ist der Beitrag zur Gesamtversorgung jedoch begrenzt. Ihr hoher Jodgehalt stellt dabei eine Ausnahme dar. Wer die Verzehrsmenge beachtet, muss aber keine Überdosierung fürchten. Risikogruppen wie Kinder, Schwangere, ältere Menschen und Personen mit Schilddrüsenerkrankungen sollten besonders jodreiche Braunalgen wie Kombu meiden. Kulinarisch gesehen gibt es mit Algen eine neue Welt an Kreationen zu entdecken – dabei muss es nicht immer asiatisch sein. Kombinationen mit traditioneller Küche können auch hiesige Algenmuffel überraschen.
Literatur
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