18.02.2022 von Redaktion (aktualisiert)

Hilft Vitamin C gegen Erkältung?

Wer täglich reichlich Vitamin C aufnimmt, schützt sich vor Erkältungen und grippalen Infekten, verkürzt sie oder dämmt deren Schweregrad ein – so eine landläufige Meinung. Dass der vielgepriesene Effekt jedoch nicht so groß ist wie gedacht, zeigt die momentane Studienlage.

Viele Menschen versuchen, mit einer verstärkten Aufnahme von Vitamin C (Ascorbinsäure) einer drohenden Erkältung vorzubeugen. Sind erste Symptome wie Schnupfen oder Husten bereits aufgetreten, folgt oftmals der Griff zu entsprechend angereicherten Präparaten wie Brausetabletten. Auch Arzneimittelhersteller suggerieren in ihren Werbungen mitunter, dass Vitamin C ein wirksames Mittel gegen Erkältungen und grippale Infekte sei.

Wissenswert

Die Idee, Vitamin C gegen Erkältung einzusetzen, machte der US-amerikanische Chemie- und Friedens-Nobelpreisträger Linus Pauling populär. Er war in den 1970er Jahren davon überzeugt, dass Vitamin C in hohen Dosen gegen diverse Krankheiten schützen würden – darunter HIV, Krebs, Grippe und Schnupfen. Diese Theorien gelten mittlerweile als widerlegt.

Vitamin-C-Effekt bei Erkältung begrenzt

Bisherige Studienergebnisse verweisen die angebliche Wirksamkeit der Ascorbinsäure allerdings ins Reich der Mythen. Die Autorengruppe rund um Cerullo et al. analysierte im Jahr 2020 über 200 Studien, die sich mit dem Thema Infektionskrankheiten und Vitamin C beschäftigten. Sie gingen der Frage nach, wie sich Vitamin C auf die Immunfunktion auswirkt und ob bzw. wie der Nährstoff bei kritischen Krankheiten zum Einsatz kommt. Die ernüchternden Ergebnisse des Forscherteams decken sich mit jenen älterer Übersichtsarbeiten. Schon Hemilä und Chalker stellten in ihrer Arbeit aus dem Jahr 2013 fest, dass auch bei einer regelmäßigen Aufnahme hoher Vitamin C-Dosen das Auftreten einer Erkältung nicht verhindert werden kann.

Es gibt jedoch einzelne Gruppen, die von einer vorbeugenden Einnahme von Vitamin C (200 mg/ Tag oder mehr) profitieren. Dazu zählen ältere Personen sowie chronisch oder schwer kranke Personen. Eine weitere Ausnahme scheinen Extremsportler zu sein. Bei ihnen dürfte die vorbeugende Supplementierung tatsächlich das Risiko vermindern, sich zu erkälten. So konnten Hemilä und Chalker zufolge beispielsweise Marathonläufer ihre Erkältungshäufigkeit um rund die Hälfte senken, wenn sie zwei bis drei Wochen vor Beginn der körperlichen Extrembelastung mit der Vitamineinnahme begonnen hatten.

Bei Personen, die weniger aktiv sind und vorbeugend Vitamin C schlucken, zeigt sich diese Wirkung nicht. „Otto-Normalverbraucher“ sind im Falle einer Erkältung zwar mitunter etwas kürzer krank, der Effekt ist allerdings sehr gering. Bei durchschnittlich sieben Krankheitstagen sorgt das Vitamin C nach mehreren Jahren der Supplementierung lediglich für eine Verkürzung auf sechs bis sechseinhalb Krankheitstage.

Wissenswert

Die Wirkung von Vitaminen wird auch verstärkt im Hinblick auf den Einsatz bei Sars-CoV-2 Erkrankungen untersucht. Die Resultate dazu sind aktuell jedoch heterogen.

Obst und Gemüse statt teurer Vitaminpillen

Diese Ergebnisse der Untersuchungen stellen in Frage, wie sinnvoll es ist, routinemäßig zu Vitaminpillen zu greifen. Statt hochdosierter Präparate reicht es aus, Vitamin C entsprechend einer ausgewogenen Ernährung in seiner natürlichen "Hülle" – in Form von Obst und Gemüse – aufzunehmen.

Gute Vitamin C-Quellen:

LebensmittelGehalt in mg/100 g
Acerola1700
Hagebutten1250
Sanddornbeeren frisch/als Saft450/266
Brennessel300
Schwarze Johannisbeere177
Petersilienblätter159
Bärlauch150
Paprika120
Brokkoli115
Grünkohl105
Zitrone53
Orange50
Kiwi46
Grapefruit44
Orangensaft42-52

Quelle: GU Nährwerttabelle, Ausgabe 2020/21

Vitamin C dennoch wichtig

Selbst wenn sich Vitamin C nicht als verlässlicher Schutzschild gegen Erkältungen und grippale Infekte eignet – wir brauchen es trotzdem. Vitamin C beeinflusst und optimiert zahlreiche Körperfunktionen, darunter die Wundheilung sowie die Neubildung von Knochen und Knorpel. Außerdem gilt Vitamin C als Antioxidans und schützt den Körper vor Radikalen. Für Erwachsene und Jugendliche wird eine Aufnahme von 95–110 mg Vitamin C pro Tag empfohlen. Das kann erreicht werden, indem man etwa eine Portion Paprika, Kohlgemüse oder Brokkoli isst oder zwei Orangen bzw. Kiwis. Neben diesen Früchten findet man Vitamin C vor allem auch in Hagebutten, Sanddorn und Kräutern wie Petersilie.

Wissenswert

Wie Ernährung, Schlaf und Bewegung das Immunsystem beeinflussen können, haben wir mit Experten im Webinar „Immunstark durch die kalte Jahreszeit“ besprochen.

Fazit

Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin C ist über eine ausgewogenen Ernährung leicht erreichbar, eine zusätzliche Einnahme über Kapseln zur Krankheitsvorbeugung ist laut aktueller Studienlage weder nötig noch sinnvoll. Dennoch zeigt sich, dass ein guter Status im Blut die Dauer eines Infekts möglicherweise um etwa einen Tag verkürzen kann.

 

Literatur

Cerullo G et al: The Long History of Vitamin C: From Prevention of the Common Cold to Potential Aid in the Treatment of COVID-19. Frontiers in immunology, 11, 574029 (2020).

Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE), Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE): D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. 2. Auflage, DGE, Bonn (2015).

Elmadfa I et al.: Die große GU Nährwert-Kalorien-Tabelle. 3. Auflage. München. (2018).

Hemilä H, Chalker E: Vitamin C for preventing and treating the common cold. Cochrane Database of Systematic Reviews. Issue 1. Art. No.: CD000980. (2013).

Kerschner B: Vitamin C bei Erkältungen so gut wie nutzlos (Stand 23.12.2021). www.medizin-transparent.at (Zugriff: 15.02.2022).

Rawat D et al: Vitamin C and COVID-19 treatment: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Diabetes & metabolic syndrome, 15(6), 102324 (2021).

 

 

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