"Hut"-Food: Pilze in der Küche
Kochen beginnt mit der Beschaffung der Zutaten. Und hier ist erstes Wissen gefragt: Woran erkennt man Qualität bei Pilzen? Das ist sortenspezifisch. Für alle Pilze gilt jedoch: Die visuelle Qualitätsbeurteilung ist bei lose angebotenen Pilzen einfacher. Pilze sollten unbeschädigt sein, daher zuerst auf Druckstellen überprüfen. Frische Eierschwammerl sind gelb, trocken und brüchig, bei älteren Exemplaren sind die Ränder braun verfärbt. Frische Steinpilze erkennt man an den weißen bis butterfarbenen Röhren. Sind die Röhren leicht grünlich, ist der Pilz schon älter, aber noch genießbar, solange das innere Fruchtfleisch weiß ist. Auf Märkten werden Steinpilze daher oft halbiert angeboten. Auch Zuchtchampignons lassen sich optisch überprüfen: Ein geschlossener Hut und helle Lamellen sind ein Zeichen für Frische. Braune Lamellen bedeuten fortgeschrittene Reife, aber noch Genusstauglichkeit. Sind die Pilze hingegen überreif und glitschig, sollten Sie buchstäblich den Hut draufhauen und die Pilze entsorgen.
Richtig lagern = gut behüten
Ob frisch gefunden oder frisch gekauft – Pilze sind nur beschränkt lagerfähig. Der Lagerort ist klar: im Kühlschrank. Weniger klar ist für viele das Wie. Pilze sollten nicht in einer Plastikverpackung oder einem Plastiksack gelagert werden, da sie darin leicht schwitzen und in der Folge rascher verderben. Besser legt man die Pilze in eine flache Schüssel, die man mit Küchenrolle auslegt und abdeckt. So sind sie ein paar Tage haltbar. Besonders gut lagerfähig sind Kräuterseitlinge und Shiitakepilze.
Putzen oder waschen? In jedem Fall behutsam!
Dies ist nahezu eine Frage der Küchenreligion. Die einen finden, dass das Aroma verloren geht, wenn man Pilze wäscht, oder meinen gar, dass Pilze Wasser aufsaugen. Im Internet findet man dazu Versuche. Ein Beispiel: 250 g Pilze wogen um 6 g mehr, nachdem sie fünf Minuten im Wasser verbracht hatten. Das spricht gegen die Theorie, dass Pilze wie ein Schwamm Wasser aufsaugen, zumal ein Abspülen deutlich weniger Wasserkontakt bedeutet als die Reinigung im Wasserbad. Andere wiederum sind der Ansicht, dass Pilze selbst nahezu ausschließlich aus Wasser bestehen, ergo durch Wasser von außen keinen Schaden nehmen.
Was also tun? Es ist ausreichend, Pilze lediglich abzubürsten. Wer sie unter fließendem Wasser abspült, sollte das nur kurz, aber keinesfalls intensiv tun, und die Pilze nur im Ganzen abbrausen. Etwaige Erd- und Substratreste sind jedenfalls zu entfernen.
Beim Rohessen auf der Hut sein
Pilz-Carpaccio ist zwar köstlich, es sind aber nur wenige Pilzarten dafür geeignet. Steinpilze oder Champignons können roh verzehrt werden. Beide Pilzsorten haben zudem den Vorteil, dass sie durch ihre Form leicht in dünne Scheiben geschnitten werden können. Viele Wildpilze führen roh verzehrt zu Unverträglichkeitsreaktionen. Maronen-Röhrlinge, Eierschwammerl und Hallimasch gehören beispielsweise unbedingt erhitzt. Was spricht noch gegen Rohkonsum von Waldpilzen? Theoretisch können sich auf Wildpilzen die Eier des Fuchsbandwurms befinden. Statistisch betrachtet ist diese Gefahr jedoch äußerst gering: In Österreich werden jährlich im Durchschnitt zwei bis drei Fuchsbandwurm-Erkrankungen registriert.
Kein alter Hut – neue Pilzgerichte
Nichts gegen Pilzsaucen, geröstete Eierschwammerl oder Risotti. Aber das kulinarische Spektrum der Pilze ist größer als der Horizont der meisten Köche. Schon mal probiert? Pilze schmecken auch als Drink und als Praline!
Etwa der Cocktail „Sparkling Squirrel“, für den Bourbon Whiskey mit getrockneten Steinpilzen vakuumiert wird und einige Stunden im heißen Wasserbad zieht. Dann wird er abgekühlt und gesiebt oder filtriert. Diesen Steinpilz-Bourbon kann man auf Vorrat herstellen. Zum Trinken wird er mit Wermut, Campari und Eiswürfeln 20 Sekunden lang gerührt und in einen Sodasiphon gefüllt. Wir ziehen den Hut vor jenen, sie sich so etwas einfallen lassen!
Pralinen lassen sich aus dunkler Schokolade, hellem Nougat und getrockneten, pulverisierten Steinpilzen herstellen. Während „Trüffel“-Pralinen nur aufgrund ihrer trüffelähnlichen Form so heißen, die Trüffeln aber selten in Pralinen enthalten sind, ist das bei diesen Steinpilz-Pralinen anders.
Aufwärmen und sich hüten
Dass man Pilzgerichte nicht aufwärmen darf, ist ein Mythos – zumindest seit es Kühlschränke gibt. Wer die Speise rasch abkühlt und beim späteren Aufwärmen über 70 °C erhitzt, kann Pilze ein zweites Mal genießen.
Anders war das zu Zeiten unserer Urgroßmütter. Pilzgerichte sind aufgrund ihres hohen Wassergehalts und Eiweißanteils für Bakterien attraktiv, ergo leicht verderblich. Die meisten Bakterien lieben Raumtemperatur. Wird ein Pilzgericht länger warmgehalten oder bei Raumtemperatur stehen gelassen, vermehren sich die Bakterien rasch und zersetzen das Eiweiß.
Hut ab vor altem Wissen: Die Haltbarmachung
Haltbarmachen betrifft nur Wildpilze, die es saisonal beschränkt gibt. Die Pilzsaison kann auf verschiedene Arten verlängert werden: durch Einlegen der Pilze, durch Einfrieren oder Trocknen. Nicht jede Pilzart ist für jede Konservierungsform geeignet.
Trocknen:
Trocken ist DIE Methode zur Haltbarmachung von Steinpilzen. Man braucht dazu nicht unbedingt einen Dörrapparat und auch keinen Backofen. Wer die Pilze sehr dünn schneidet und mit einer Nähnadel auf einen Faden auffädelt, kann sie zum Lufttrocknen aufhängen. Voraussetzung ist ein trockener, gut durchgelüfteter Raum. Auf diese Weise dauert der Trocknungsprozess zwar länger, verbraucht aber keine Energie. Nach zwei bis drei Wochen sind die Pilze fertig getrocknet.
Eine andere Möglichkeit ist, die etwa 2 mm dünnen Scheiben auf mehreren Schichten Zeitungspapier zu trocknen. Die Pilze müssen mehrmals täglich gewendet werden und das Zeitungspapier ist zu wechseln – auf diese Weise lässt sich der natürliche Trocknungsprozess auf etwa vier Tage beschleunigen. Ob sie ausreichend trocken sind, ist akustisch erkennbar: Rascheln die Pilze beim Zusammenschütten wie Zeitungspapier, sind sie fertig und können in luftdichten Gläsern gelagert werden.
Wer Pilze im Backofen trocknet, muss die Ofentür einen Spaltbreit offen lassen (z. B. Kochlöffel einklemmen). Getrocknete Steinpilze lassen sich gut zu Pulver vermahlen und sind so als Gewürz verwendbar.
Eierschwammerl kann man theoretisch auch trocknen, sie verlieren jedoch deutlich an Aroma.
Einfrieren:
Einfrieren ist hingegen eine Variante, um die Eierschwammerl-Saison ein paar Monate zu verlängern. Dafür werden die Pilze geputzt, zerkleinert und blanchiert. Wer dem Blanchierwasser etwas Salz zusetzt, verhindert, dass die Pilze dunkel werden. Zusatz von Zitronensäure zum Wasser fördert die Haltbarkeit und reduziert das Bitterwerden. Auch andere Pilze mit festem Fleisch lassen sich gut einfrieren, z. B. Steinpilze.
Sauer einlegen:
Zum Einlegen von Pilzen braucht man Gläser mit breiter Mündung, damit man das Füllgut leicht einschichten kann. Die Pilze werden vorgegart, ins Glas geschichtet, mit einer zuvor aufgekochten Essig-Wasser-Zucker-Salz-Gewürz-Mischung übergossen und bei 100 °C im Einkochtopf, im Kochtopf oder im Backofen eingekocht. Die Dauer hängt davon ab, ob die Pilze ganz oder geschnitten sind und variiert von 75 bis 90 Minuten. Der Eigengeschmack der Pilze geht in der Essiglake jedoch stärker unter als bei anderen Haltbarmachungsmethoden. Der Vorteil des Einlegens ist, dass die Pilze jederzeit verwendbar sind und nicht aufgetaut werden müssen.
Wissenswert
Einkoch-Know-How: Unabhängig von der Methode muss die Temperatur des Wassers und des befüllten Glases zu Beginn gleich sein. Warme Gläser werden also in warmes Wasser gestellt, kalte Gläser in kaltes. Die Einkochzeit beginnt, sobald die Zieltemperatur erreicht ist.
Sonne mit Hut tut gut
Pilze sind nicht nur kulinarisch interessant, sie decken sogar ein Nährstoff-Spektrum ab, das ohnehin mehr Beachtung verdient. So liefern sie neben anderen Vitaminen und Mineralstoffen Folat, Vitamin D sowie Ballaststoffe. Drei Nährstoffe, die im aktuellen Österreichischen Ernährungsbericht 2017 als Mangelware genannt werden. Die Folatgehalte der Kulturspeisepilze sind zwar deutlich geringer als beim Spinat, können aber mit Tomaten und Karotten locker mithalten (30–50 µg/100 g Frischpilz). Spricht man vom Vitamin D in Pilzen, ist immer von Vitamin D2 die Rede (Ergocalciferol). Ähnlich wie das Vitamin D3 (Cholecalciferol), das in den Hautzellen von Mensch und Tier entsteht, bildet sich Vitamin D2 in der Zellmembran von Pilzen, wenn Licht im UVB- oder UVC-Wellenlängenbereich einstrahlt. Dann wandelt sich das Ergosterol (Provitamin D2) über eine Zwischenstufe in das Vitamin D2 um (vgl. Abbildung). Wie hoch die Umwandlungsrate ist, hängt vom Feuchtigkeitsgehalt des Pilzes, der Bestrahlungsdosis und dem UV-Spektrum ab. Wildwachsende Pilze weisen daher einen weitaus höheren Vitamin-D-Gehalt auf als Kulturspeisepilze. Kräuterseitlinge – in unseren Breiten mittlerweile Klassiker der kultivierten Pilze – tragen demnach nur unwesentlich zur Aufnahme bei (<0,05 µg/100 g). Für Shiitake, Austernpilz und Champignon liegen die angegebenen Werte dagegen bei ~ 2 µg/100 g, Steinpilz und Eierschwammerl weisen etwa 3 µg/100 g Frischpilz auf. 2–3 µg entsprechen ungefähr jener Vitamin-D-Menge, die jeder in Österreich pro Tag aufnimmt. Pilze können also hervorragend zu einem guten Vitamin-D-Level beitragen.
Der Gehalt lässt sich durch die traditionelle Sonnentrocknung steigern. So zeigte sich in einem Forschungsprojekt beim Champignon: Legt man 9 mm dicke Scheiben für 15 Minuten in die Sonne, führte das zu einem Gehalt von 18 µg/100 g. Damit lässt sich eine vergleichbare Vitamin-D-Konzentration erzielen wie in Lachs. Überdosierungen sind aber weder beim Wiesenchampignon noch bei sonnengetrockneten Pilzen zu befürchten. Mehr als 50 µg/100 g Frischpilz werden über die natürliche Sonneneinstrahlung nur äußerst selten erreicht.
Um den Vitamin-D-Gehalt von Kulturspeisepilzen zu erhöhen, wurde vor Jahren bereits an UVB-Bestrahlung bei Pilzen geforscht. Bis zu 700 µg Vitamin D2/100 g Frischpilz sind technisch durchaus erzielbar, wenngleich nicht nötig. Für eine Markteinführung in Europa waren jedoch gar nicht etwaige hohe Grenzwerte ein Problem, sondern vielmehr die Novel-Food-Verordnung. In den USA und Australien hingegen werden schon längst Vitamin-D2-optimierte Pilze mit dem Hinweis „UV-treated“ or „High in Vitamin D“ angeboten.
Ballaststoffe statt Stärke
Pilzen fehlt Stärke, das ist eines ihrer Charakteristika. Sie enthalten dafür jede Menge Mannit, ein Zuckeralkohol, der auch in Feigen, Olivenbäumen, Flechten und Algen vorkommt. Mannit nimmt der Körper nur sehr langsam auf. Wesentlich für Pilze ist zudem ihr hoher Ballaststoffgehalt, der maßgeblich auf den Blutzuckerspiegel, die Blutfettwerte und die Stuhlmenge wirkt. Im Durchschnitt liegt der Gesamtgehalt an Ballaststoffen (TDF = Total Dietary Fiber) bei 26–30 % des Trockengewichts, bei kultivierten Kräuterseitlingen etwa bei 20 %. Wie hoch die Konzentrationen an unlöslichen und löslichen Ballaststoffen sind, hängt von der jeweiligen Pilzart ab. Mykorrhizapilze, z. B. Steinpilze, dürften mehr Chitin enthalten als holzzerstörende Pilze wie Austern- oder Kräuterseitlinge. Der unlösliche Ballaststoff Chitin steigert die Stuhlmenge, macht den Stuhl geschmeidiger und fördert die Dickdarmgesundheit. Auch die Gehalte an unlöslichen Ballaststoffen wie den ß-Glucanen variieren stark. Bei Austernseitlingen wurden 20–50 g/100 g gemessen, bei Kräuterseitlingen 20–39 g/100 g, beim Mandel-Egerling max. 9,7 g/100 g Trockengewicht. ß-Glucane regen die Neusynthese von Gallensäuren aus Cholesterin an und senken somit den Cholesterinspiegel. Zudem steigern sie die Viskosität des Nahrungsbreis im Magen und Darm, wodurch sich die Verdauung verlangsamt. Daher kommt es zu einem geringeren Blutzuckeranstieg nach dem Essen. Weil lösliche Ballaststoffe gut aufquellen, halten sie länger satt. Und die positiven Darmbakterien fördern sie obendrein, womit sie das Mikrobiom günstig beeinflussen.
Schattenseiten von Wildpilzen
Wie heißt es? Wo viel Licht, da ist auch Schatten! Wenngleich das für Pilze nur in beschränktem Ausmaß gilt. Dennoch: Durch den Reaktorunfall in Tschernobyl vor mehr als 30 Jahren weisen Wildpilze zum Teil heute noch eine erhöhte Strahlenbelastung auf. Die Höhe der Werte an radioaktivem Cäsium-137 variiert je nach Pilzart und Gegend. Parasole sind kaum betroffen, auch können Steinpilze aus allen Regionen gegessen werden. Bei Eierschwammerl werden im Mittel die Grenzwerte für die Belastung unterschritten, bei 10 % wurden in den vergangenen Jahren jedoch immer wieder Überschreitungen gemessen. Diese Eierschwammerl stammen eher aus Regionen, in denen es während des Durchzugs der „Tschernobyl-Wolke“ stark geregnet hat. Das sind vor allem Gebiete im westlichen Niederösterreich, der westlichen Obersteiermark, in weiten Teilen Oberösterreichs und Salzburgs sowie im Koralpengebiet. Eierschwammerl aus diesen Regionen sollten vorsorglich nicht in allzu großen Mengen gegessen werden. Die höchste Kontamination liegt allerdings bei Maronenröhrlingen vor. Bei mehr als der Hälfte dieser Pilze werden Grenzwertüberschreitungen festgestellt. Im Gegensatz zu Kulturspeisepilzen können Wildpilze auch mit Schwermetallen wie Blei, Cadmium oder Quecksilber belastet sein. Losgelöst von der Radioaktivität wird daher von einem übermäßigen Konsum von Wildpilzen abgeraten.
Der Artikel wurde erstveröffentlicht in der ernährung heute 4_2017.
Literatur
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