19.03.2009 von Mag. Sabine Dämon MAS

Marmor, Stein und Eisen …

Poröse Knochen, ein Sturz, ein gebrochener Oberschenkelhals... Nicht selten ist dies für ältere Menschen ein Alarmzeichen. Aber auch manch Jüngere haben bereits ein schwaches Körpergerüst. Dabei wäre die Vorsorge kein außergewöhnlicher Knochenjob.

Die Osteoporose und die damit verbundenen Frakturen werden zumeist nicht als lebensbedrohliche Erkrankung eingeschätzt. Viele Betroffene wissen nichts davon, die ansteigenden Prävalenzdaten enthüllen jedoch ein schwerwiegendes gesundheitliches aber auch wirtschaftliches Problem. In der EU-Statistik liegt Österreich bei den Hüftfrakturen der über 65-Jährigen auf dem dritten Platz, also im europäischen Spitzenfeld. Und dies nicht nur aufgrund der demografischen Entwicklung, sondern auch durch die Veränderung des Lebensstils mit einer Zunahme der Osteoporose-Risikofaktoren. Auch wenn die Osteoporose vor allem eine Erkrankung des Alters ist, so ist sie eigentlich auch ein pädiatrisches Thema. Denn die Weichen werden bereits im Kindes- und Jugendalter gestellt (Mehr dazu in der ernährung heute 1/2008)

Osteo-poro oder: das Knochen-Loch

Osteoporose steht griechisch für Knochenschwund und ist eine systemische Erkrankung des Skeletts. Charakterisiert durch eine verstärkte Reduktion der Knochenmasse und eine Verschlechterung der knöchernen Mikroarchitektur sind Knochenfestigkeit und -funktion vermindert und das Frakturrisiko erhöht. Die WHO-Definition erfolgt auf Basis der Knochenmineraldichte, gemessen als T-Score mittels DXA-Scan (Dual Energy X-Ray Absorptiometry).

Diagnosekriterien der WHO

  • normal: T-Score* ≥ 1; Frakturrisiko nicht erhöht
  • Osteopenie: T-Score -1 bis -2,5; Frakturrisiko mäßig erhöht
  • Osteoporose (präklinisch): T-Score ≤ -2,5; Frakturrisiko hoch
  • schwere Osteoporose (manifest): T-Score ≤ -2,5; Fraktur(en) bereits vorhanden

* der T-Wert beschreibt das Ausmaß der Standardabweichung vom mittleren Knochendichte-Normwert eines knochengesunden Kollektivs junger Erwachsener kaukasischer Ethnizität.

Der Knochen als stoffwechselaktives Organ unterliegt durch spezialisierte Zellen, so genannte Osteoblasten und Osteoklasten, einem lebenslangen Auf- bzw. Abbau. Im besten Fall erneuert sich unser Skelett innerhalb von circa sieben Jahren komplett. Osteoporose ist das Endergebnis eines jahrelangen, verstärkten Knochenverlusts aufgrund eines Ungleichgewichts im laufenden Knochenumbau. Ist dies ohne organische Ursache, so spricht man von einer primären Form, während sich die sekundäre Osteoporose als Folge anderer Erkrankungen oder des Einsatzes bestimmter Medikamente entwickelt.
Vor allem postmenopausale Frauen sind durch die starke Abnahme des Östrogenspiegels während der Wechseljahre betroffen. Die Osteoblasten stimulierende und Osteoklasten hemmende Wirkung des Östrogens nimmt ab, sodass die Knochen abbauenden Prozesse überwiegen. Etwa jede dritte Frau über 50 erleidet eine osteoporosebedingte Fraktur. Die männlichen Androgene wirken ebenso knochenschützend, ihre Produktion sinkt jedoch nicht so schnell. Daher ist auch das starke Geschlecht im Alter zunehmend von Osteoporose-Frakturen betroffen, genau gesagt jeder fünfte Mann.

Primäres Ziel: eine hohe Peak Bone Mass

Neben einigen unbeeinflussbaren Faktoren wie die Genetik, physiologische Aspekte des Alterns und hormonelle Veränderungen oder die notwendige Einnahme bestimmter Medikamente gibt es viele vermeidbare, individuell beieinflussbare Größen (siehe Tab. 2). Präventive Maßnahmen sollten bei (noch) normaler Knochendichte und insbesondere beim Befund Osteopenie gesetzt werden. Ziel ist dabei der Aufbau einer möglichst hohen maximalen Knochenmasse, der so genannten „Peak Bone Mass“, im Kindes- und jungen Erwachsenenalter bzw. deren Aufrechterhaltung in der ersten Lebenshälfte, ebenso wie die Verlangsamung oder vollständige Bremsung des Knochenabbaus in der zweiten Lebenshälfte bzw. nach der Menopause (siehe Abb. 1). Man schätzt, dass bereits durch eine 10 %-ige Steigerung der Peak Bone Mass das Frakturrisiko im Erwachsenenalter um 50 % gesenkt werden könnte. Eine große Rolle spielt die Ernährung.

Investitionen in die Knochenbank

Der Knochenaufbau wird durch Kalzium und Vitamin D gefördert. Mit etwa 99 % des gesamten Kalziumbestandes ist das Skelett die Speicherkammer des Körpers . Aufgrund der lebensnotwendigen regulativen Kalzium-Funktionen liegt, gesteuert durch einen hormonellen Regelkreis („knochenkataboles“ Parathormon versus „knochenanaboles“ Calcitonin), die Priorität stets beim Ausgleich des Kalziumspiegels im Blut. Je nach Bedarf wird Kalzium aus den Knochen freigesetzt oder verstärkt eingebaut, aber auch die Resorption im Darm sowie die Ausscheidung über die Niere beeinflusst. Eine kontinuierliche Zufuhr von außen ist also von entscheidender Bedeutung, vor allem in der Phase des Wachstums. Die Peak Bone Mass wird zwar erst gegen Ende der dritten Lebensdekade erreicht, liegt bis zum Ende der Adoleszenz jedoch bereits bei 90 %. Auch wenn das Skelett danach pro Jahr etwa 1 % seiner Knochenmasse verliert, so kann noch im späteren Alter durch eine ausreichende Kalziumzufuhr der physiologisch bedingte Abbau zumindest verlangsamt werden.  Da die Osteoklasten vor allem nachtaktiv sind, können durch eine abendliche Einnahme bzw. eine kalziumhaltige Spätmahlzeit nächtliche Knochenabbauprozesse reduziert werden. Negative Kalziumbilanzen, wenn auch über einen kurzen Zeitraum, wirken sich in jedem Fall sehr nachteilig aus, denn verlorenes Knochenmaterial wird auch bei ausreichender Zufuhr nur relativ langsam wieder ersetzt.

So kann die tägliche Kalziumzufuhrempfehlung gedeckt werden (1000 mg für gesunde Erwachsene), am besten auf mehrere Mahlzeiten verteilt, da dadurch die intestinale Absorptionsrate erhöht wird:

  • 2 Scheiben Edamer (50 g)
  • 1 kleine Becher Joghurt, fettarm (150 g)
  • 1 kleines Glas Milch, fettarm (200 ml)
  • 1 Portion Brokkoli (200 g)
  • ½ Liter kalziumhaltiges Mineralwasser (> 150 mg/l)

Jugendlichen, Frauen nach der Menopause sowie Männern ab dem 65. Lebensjahr werden 1300 mg/d empfohlen.

Copilot des Kalziums ist das Vitamin D, das durch die Bildung des kalziumbindenden Proteins Calbindin-D für eine funktionierende Resorption im Darm sorgt. Auch wenn in Industrieländern ein Vitamin D-Mangel mit Knochenerweichung („Osteomalazie“) bis hin zur Knochenverformung bei Kindern („Rachitis“) relativ selten vorkommt, so sind mildere Formen weit verbreitet und gerade bei Senioren durch die verringerte Eigensynthese über die Haut ein Risikofaktor. Also wie war das noch mal? Regelmäßig Fisch essen und ab in die Sonne als Katalysator für die körpereigene Vitamin-D-Produktion!

Dieses perfekte Duo auch im Rahmen einer Supplementierung zu vereinen, erscheint also äußerst plausibel. Viele Interventionsstudien, insbesondere mit Risikogruppen, bestätigten die Wirksamkeit bezüglich des Frakturrisikos. Es gibt aber auch andere Daten: So ergab der Kalzium plus Vitamin D-Teil der Women’s Health Initiative keine Senkung der Frakturrate bei postmenopausalen Frauen. Und eine Meta-Analyse zeigte, dass bei Senioren eine Kalzium-Supplementierung sowohl mit als auch ohne zusätzliche Vitamin D-Gabe effektiv sein kann. Aufgrund des vielfältigen Einflusses von Vitamin D auf den gesamten Zellstoffwechsels und im Sinne einer umfassenden Prävention wird in jedem Fall eine Optimierung der Versorgung empfohlen.

Eiweiß: Saurer Feind oder des Knochen Freund?

Dass gerade in westlichen Ländern mit höherer Kalziumaufnahme als in Entwicklungsländern auch die Osteoporoseprävalenz im Vormarsch ist, klingt auf den ersten Blick paradox (zweiter Blick: die Lebenserwartung ist auch höher). Bei genauerer Analyse liegt jedoch folgender Verdacht nahe: Eine vergleichsweise hohe Eiweißzufuhr könnte über die dadurch gesteigerten renalen Kalziumverluste zu einer negativen Kalziumbilanz führen. Eine weitere mögliche Begründung ist, dass insbesondere tierisches Eiweiß durch den höheren Anteil schwefelhältiger Aminosäuren zur Säurebelastung des Körpers beitragen. Die Säure muss über Niere oder Lunge bzw. die Freisetzung alkalischer Salze aus dem Knochen abgepuffert werden. Obwohl es einige Hinweise aus Beobachtungsstudien gibt, dass ein höherer Verzehr von tierischem Eiweiß mit einem schnelleren Knochenmasseverlust und eine weniger säurebetonte Ernährungsweise mit einer höheren Knochendichte bei Frauen vor und nach der Menopause einhergehen könnte, wird dieser Ansatz aufgrund bisher fehlender, eindeutiger klinischer Studien noch diskutiert.
Darüber hinaus gibt es Studien, die positive Effekte von Eiweiß bestätigen: Die intestinale Kalziumabsorption und IGF-1 als wichtiger Faktor zur Knochenbildung werden gesteigert. Durch zusätzliches Eiweißgaben wurde bei betagten Osteoporose-Patienten mit nur knapp erreichter Eiweißzufuhrempfehlung die Knochenabbauprozesse signifikant reduziert. Gesichert ist in jedem Fall der Zusammenhang zwischen Knochen- und Muskelmasse, sodass eine ausreichende Eiweißzufuhr vor allem bei Älteren ebenso wie regelmäßige, Gewicht belastende körperliche Aktivität knochengünstig ist. Insgesamt, so die Meinung von Experten, sind die Risiken einer unzureichenden Eiweißaufnahme deutlich höher einzuschätzen als jene einer überhöhten.

Kalziumräubern und Knochenschützern

Neben Eiweiß ziehen auch andere „Kalziumräuber“ durchs Land, oft zu Unrecht. So ging man lange davon aus, dass Phosphat die Kalziumbilanz verschlechtert und Knochenabbauprozesse erhöht. Nach aktuellem Kenntnisstand spielt das Kalzium-Phosphor-Verhältnis in der Ernährung aber keine Rolle.
Wegen ihrer Erhöhung der Kalziumausscheidung werden auch immer wieder Kochsalz und Kaffee als mögliche Risikofaktoren beschuldigt. Zu Natrium gibt es teilweise sehr widersprüchliche Studien, während kontrollierte Studien für einen mäßigen Kaffeegenuss von drei bis vierTassen täglich keinen negativen Einfluss gezeigt haben. Für beide dürfte gelten: Bei Sicherstellung einer ausreichenden Kalziumzufuhr sind die Auswirkungen moderater Mengen eher von geringer Bedeutung.
Klar zu verurteilen ist jedoch Alkohol, der in großen Mengen von der WHO als überzeugender Risikofaktor tituliert wird. Er hemmt und schädigt die Osteoblasten, beeinflusst die Hormone des Kalziumstoffwechsels und auch den Vitamin D-Stoffwechsel. Darüber hinaus geht chronischer Alkoholmissbrauch oft mit einem schlechten Ernährungsstatus einher. Moderater Alkoholkonsum wird andererseits unter die möglichen Schutzfaktoren eingereiht.
Signifikant positive Ergebnisse konnten mehrfach auch zu Obst bzw. Gemüse und Knochengesundheit gefunden werden. Selbst wenn die exakt dafür zuständigen Inhaltsstoffe bis dato nicht identifiziert sind und potentielle Wirkstoffe wie z. B. Phytoöstrogene erst am Beginn der Forschung stehen, so sollten die präventiven Allrounder auch die Absolution zur Osteoporosevorsorge erhalten.

Risikofaktoren für Osteoporose

Genetische Ursachen:

  • Ethnische Zugehörigkeit
  • Geschlecht
  • u.a. graziler Körperbau
  • Osteoporose der Eltern
  • Genpolymorphismen

Lebensstil:

  • Rauchen
  • Übermäßiger Alkoholkonsum
  • Niedriges Körpergewicht
  • Bewegungsarmut
  • Längere Immobilisationsphasen (v. a. während der Pubertät)
  • Ernährung (kalziumarm)
  • Vitamin-D-Mangel
  • Mangelnde Sonnenlichtexposition

Hormonelle Veränderungen:

  • Primäre oder sekundäre Oligo-Amenorrhoe
  • Frühzeitige Menopause
  • Hypogonadismus
  • Schilddrüsenüberfunktion

Behandlung mit Medikamenten, die den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen: (Beispiele)

  • Glukokortikoide
  • LH-RH-Agonisten/Antagonisten
  • Aromataseinhibitoren
  • Antiandrogene
  • Antiepileptika
  • Heparin
  • Glitazone
  • Immunsuppressiva
  • Zytostatika

aus Bröll J. et al.

Fazit

Die Osteoporose und ihre Auswirkungen werden meist unterschätzt. Obwohl genetische Faktoren für das Osteoporose-Risiko eine große Bedeutung haben, spielen der Lebensstil und die Ernährung eine Schlüsselrolle in der Prävention. Selbst Osteoporose-Patienten haben eine gute Chance, ihren Knochenstoffwechsel positiv zu beeinflussen. Jeder Einzelne kann also große Schritte für seine Knochengesundheit – und gleichzeitig für die Vorsorge vieler Erkrankungen – tun.

Mehr zum Thema:

International Osteoporosis Foundation IOF: www.iofbonehealth.org
Netzwerk Osteoporose: www.netzwerk-osteoporose.de
Online Risiko-Selbsttest für Frauen und Männer: www.aktiongesundeknochen.at
Website für Mädchen: Powerful girls – Powerful bones:
www.girlshealth.gov/nutrition/bonehealth/eating-for-strong-bones.html


Literatur

Bröll J et al.: Konsensuspapier Osteoporose: Prävention & Therapie. Österreichische Ärztezeitung, August 2007, Supplementum.

Dawson-Huges B: Guten Appetit! Die Rolle von Nahrungsmitteln und Ernährung für den Aufbau und Erhalt starker Knochen. International Osteoporosis Foundation, 2006. (dt. Bearbeitung: Lindner-Dickmann M, Weber K; Aktion gesunde Knochen).

Popp AWE, Lippuner K: Osteoporoseprävention bei der Frau heute. J Menopause 12(1): 14–21 (2005).

Poulsen RC, Kruger MC: Soy phytoestrogens: impact on postmenopausal bone loss and mechanisms of action.
Nutr Rev 66(7): 359-374.

Rieder A et al.: Österreichischer Osteoporosebericht. Verein Altern mit Zukunft (Hrsg.), Wien, 2007.

Tang BMP, Eslick GD, Nowson C., Smith C, Bensoussan A: Use of calcium or calcium in combination with vitamin D supplementation to prevent fractures and bone loss in people aged 50 years and older: a meta-analysis. Lancet 370: 657-666 (2007).

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