Milchzuckerunverträglichkeit: Laktosefrei war gestern!
Die Milchzuckerunverträglichkeit zählt zu den häufigsten Nahrungsmittelintoleranzen im Erwachsenenalter: Rund 68 % der Weltbevölkerung vertragen Milchzucker (Laktose) nicht optimal. Während die Zahl für West- Süd- und Nordeuropa bei etwa 28 % liegt, leiden im nahen Osten bis zu 70% der Bevölkerung unter einer Laktosemalabsorption.
Warum die Laktose Probleme bereitet, kann verschiedene Gründe haben. Am häufigsten handelt es sich um den erworbenen Laktasemangel: Normalerweise wird der Milchzucker von einem bestimmten Enzym im Dünndarm, der Laktase, in die zwei Einfachzucker Glukose und Galaktose gespalten. Diese zwei Zuckerarten können dann durch die Darmwand aufgenommen werden. Beim erworbenen Laktasemangel wird mit dem Alter kontinuierlich weniger Laktase produziert. Ist nun zu wenig Laktase vorhanden, um Milchzucker aus der Nahrung zu spalten, landet der unverdaute Milchzucker im Dickdarm. Dort angesiedelte Bakterien verstoffwechseln ihn zu Gasen wie Kohlendioxid und Wasserstoff. Diese Gase machen sich dann unangenehm in Form von Blähungen, Bauchschmerzen und Völlegefühl bemerkbar. Zudem verwandeln die Bakterien den Milchzucker zu kurzkettigen Fettsäuren, die den osmotischen Druck erhöhen und so Wasser ins Darminnere ziehen. Die Folge davon ist Durchfall. Die Laktoseintoleranz tritt meist zwischen dem 2. und 20. Lebensjahr auf.
Individuelle Toleranzgrenze
Ab welcher Menge die unangenehmen Symptome auftreten, ist von Person zu Person sehr verschieden: Manche Personen reagieren bereits auf 3 g Laktose, andere vertragen Mengen bis zu 24 g. Die Toleranzgrenze ist abhängig von der Restaktivität der Laktase im Dünndarm, der Zusammensetzung der Dickdarmflora und von der individuellen Empfindlichkeit. Bestimmte Botenstoffe etwa, die bei Stress, Angst oder auch beim Rauchen vermehrt ausgeschüttet werden, beschleunigen die so genannte Transitzeit des Speisebreis: Auch wenn die Laktase noch ein bisschen arbeitet, hat sie dann zu wenig Zeit, um den Milchzucker zu spalten und mehr Laktose gelangt in den Dickdarm.
Trotz der großen „Schwankungsbreite" bei den tolerablen Laktosemengen lässt sich jedoch eine klare Tendenz ausmachen: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat die vorhandene Literatur dazu ausführlich gesichtet und kommt in ihrem Gutachten zu dem Schluss, dass die meisten Betroffenen einer Milchzuckerunverträglichkeit 12 g Laktose auf einmal durchaus vertragen. Ein kleiner Becher Naturjoghurt (200 g) etwa ist für die Mehrheit noch im akzeptablen Bereich. Auch höhere Dosen (20-24 g) könnten toleriert werden, wenn sie über den Tag verteilt verzehrt werden. Damit liegt man nicht weit unter den „Laktose-Normalverbrauchern". Denn im Durchschnitt werden in unseren Breiten täglich zwischen 35 und 40 g Milchzucker konsumiert. Auch wenn man unter Milchzuckerunverträglichkeit leidet, können also kleine Mengen Milch und Milchprodukte beschwerdefrei konsumiert werden. Das ist insofern wichtig, weil Milch und Milchprodukte die Kalzium-Lieferanten Nr. 1 sind.
Laktosegehalte in Lebensmitteln
Lebensmittel | g Laktose/100 g |
---|---|
Butter | 0,6-0,7 |
Hart-, Schnitt-, Weichkäse | <1 |
Cottage Cheese 20 % F.i.T. | 2,6 |
Crème fraiche | 2,0-3,6 |
Frischkäsezubereitungen 10-70 % F.i.T | 2,0-3,8 |
Topfen 10-70 % F.i.T | 2,0-3,8 |
Molke, Molkengetränke | 2,0-5,2 |
Schlagobers | 2,8-3,6 |
Sauerrahm | 2,8-3,6 |
Schmelzkäse 10-70 % F.i.T | 2,8-6,3 |
Desserts (Cremes, Pudding, Milchreis, ...) | 3,3-6,3 |
Rahmfrischkäse | 3,4-4,0 |
Buttermilch | 3,5-4,0 |
Joghurtzubereitungen (Vanille, Schokolade, ...) | 3,5-6,0 |
Kefir | 3,5-6,0 |
Naturjoghurt | 3,7-5,6 |
Kaffeesahne 10-15 % Fett | 3,8-4,0 |
Magertopfen | 4,1 |
Ziegenmilch | 4,1 |
Milchmixgetränke (Vanille, Schokolade, ...) | 4,4-5,4 |
Schafmilch | 4,7 |
Kuhmilch (Frisch-, H-Milch, 1,5 oder 3,6 % Fett) | 4,8-5,0 |
Büffelmilch | 4,9 |
Eiscreme (Milch-, Frucht-, Joghurteis) | 5,1-6,9 |
Stutenmilch | 6,2 |
Kondensmilch 4-10 % Fett | 9,3-12,5 |
Milchschokolade | 9,5 |
Milchpulver | 38,0-51,5 |
verändert nach: Renner E, Renz-Schauen A (1994); Souci, Fachmann, Kraut (2008). DEBInet (Zugriff: 1.3.2022).
Auf Nummer Sicher testen
Doch was sollte man tun, wenn man den Milchzucker für regelmäßig auftretende Magen-Darm-Beschwerden verdächtigt? Am besten ihn vorerst zwei Wochen lang vollständig meiden. Besteht tatsächlich eine Laktoseintoleranz, würden die oben genannten Beschwerden mit hoher Wahrscheinlichkeit abklingen. Eine 100%-ige Garantie, dass es sich um eine Laktoseintoleranz handelt, hat man allerdings nicht. Dabei ist es wesentlich, versteckte Laktosequellen zu kennen. Nicht immer wird der Milchzucker auf der Zutatenliste auch als solcher deklariert. Einein Hinweis, dass das Produkt Laktose enthält, geben folgende Begriffe:
- (Süß)-Molke
- (Voll-/Mager-)Milchpulver
- (entrahmte) Milch
- Rahm
- Schlagobers
- Sahnepulver
- Butter
- Laktosemonohydrat
- Milchserum
- Molkereistoffe
- Topfen(Quark)
- Kasein/ Kaseinate
- aufgespaltene Milcheiweiße
- Milchfette
- Laktalbumin
- Laktglobulin
Zudem können Aromen, Backwaren, Bindemittel, Brotaufstriche, Fisch- und Gemüsekonserven, Gewürzmischungen, Pesto, Fruchtgummis, Süßstofftabletten, Verdickungsmittel, Medikamente und Zahnpasta kleine Mengen an Laktose enthalten. Für die meisten Betroffenen fallen diese jedoch nicht ins Gewicht. Auch blähende Gemüsesorten wie Kohl, Zwiebel und Co. sowie grobe Vollkornprodukte sollten in der „Ausschluss-Phase“ weitestgehend vermieden werden, um andere Bauchweh-Faktoren ausschließen zu können. Diese Methode ersetzt jedoch nicht professionelle Tests wie den Blutzucker-Test und den Wasserstoff-Atemtest (H2-Atemtest). Diese können die Diagnose Laktoseintoleranz bestätigen.
Wissenswert
Als „Goldstandard" bei der Diagnose einer Laktoseunverträglichkeit gilt der Wasserstoff-Atemtest: Die in den Dickdarm gelangte Laktose wird von den dortigen Bakterien zu Wasserstoff abgebaut, der vom Blut in die Lunge wandert und darauf abgeatmet wird. Wenn nun nach dem Trinken einer laktosereichen Lösung (50 g Laktose in Wasser) vermehrt Wasserstoff abgeatmet wird, geht man von einem Laktasemangel aus.
Wird eine Laktoseintoleranz diagnostiziert, ist es am besten, sich individuell von Fachkräf- ten (Ärzte, Diätologen) beraten zu lassen. Sie begleiten dann auch die „Testphase", in der die persönliche Milchzucker-Toleranzgrenze bestimmt wird. Hier werden nach und nach Lebensmittel wieder in den Speiseplan eingeführt, die wenig Laktose enthalten. Diese sechs bis acht Wochen dauernde Testphase geht dann fließend in die Langzeiternährung über.
Fazit
Wer unter einer Laktoseintoleranz leidet, muss nicht völlig auf Milch- und Milchprodukte verzichten. Dies belegt auch die EFSA in ihrem Gutachten. Die meisten der Betroffenen vertragen eine Dosis von 12 g Laktose mit wenig oder gar keinen Symptomen. Sogar höhere Dosen (20-24 g) könnten toleriert werden, wenn sie über den Tag verteilt werden. So reicht es oft, die Laktosemengen um die Hälfte bis ein Drittel zu reduzieren. Die individuelle Toleranzgrenze testet man nach zwei laktosefreien Wochen, indem man die Laktosemenge langsam steigert.
Literatur
EFSA: Scientific Opinion on lactose tresholds in lactose intolerance and galactosaemia. The EFSA Journal 8(9): 1777 (2010).
Hofmann L: Milchzuckerunverträglichkeit. Ernährung im Fokus 6: 264-268 (2010).
Schäfer C: Therapie der Laktoseunverträglichkeit. Ernährung im Fokus 6: 269-273 (2010).
Mörixbauer A: No milk today? Leben mit Laktoseintoleranz. ernährung heute 6: 3 (2005).
Souci S, Fachmann W, Kraut H: Die Zusammensetzung der Lebensmittel Nährwert- Tabellen. 7. revidierte und ergänzte Auflage. Medpharm Scientific Publishers, Stuttgart (2008).
Renner E, Renz-Schauen A: Nährwerttabellen für Milch und Milchprodukte. Verlag B. Renner, Gießen (1994).
Storhaug CL, Fosse SK, Fadnes LT: Country, regional, and global estimates for lactose malabsorption in adults: a systematic review and meta-analysis (2017).