Mythen rund um Milch
Milch und Milchprodukte zählen in Europa und Nordamerika immer noch zu den Grundnahrungsmitteln. Darüber hinaus sind sie wichtige Nährstofflieferanten, vor allem für Kalzium und Eiweiß. Milch ist aber auch ein stark polarisierendes Nahrungsmittel, denn schließlich ist der Mensch das einzige Säugetier, das Milch einer anderen Spezies trinkt. Die Lobby der Milchgegner ist groß und nicht selten verunsichern sie mit Behauptungen rund um das weiße Getränk.
Milch schwächt die Knochen
Ein beliebtes Argument der Milchgegner ist, dass Milch dem Knochen Kalzium entzieht und dadurch indirekt an der Entstehung von Osteoporose beteiligt ist. Zündstoff liefert das sogenannte Kalzium-Paradoxon. Das bedeutet, in Ländern, in denen kaum Milch und Milchprodukte gegessen werden, treten weniger Knochenbrüche auf. Das trifft vor allem auf Afrika und Asien zu. Woran liegt das? Begründet wird das Paradoxon damit, dass das in der Milch enthaltene Eiweiß zu einer Kalziumausscheidung führe und Kalzium aus der Milch für den Menschen gar nicht verwertbar sei. Tatsache ist, es gibt Umstände, die die Aufnahme des Kalziums in die Knochen begünstigen oder behindern. So wird beispielsweise Milcheiweiß als Risikofaktor für den Knochenabbau gesehen. Das hängt mit den schwefelhaltigen Aminosäuren im Milcheiweiß zusammen. Diese führen zu einer erhöhten Kalziumausscheidung über den Urin. Ob sich dadurch aber das Osteoporoserisiko erhöht, wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Unklar ist immer noch, ab welcher Menge dieser Effekt auftritt. Fest steht jedenfalls, Milch und Milchprodukte liefern mehr Kalzium, als für die Neutralisierung des gleichzeitig aufgenommenen Eiweiß ausgeschieden wird. Genießt man beispielsweise die Frühstückszerealien mit 100 ml Milch, werden in etwa 5 mg Kalzium über den Urin ausgeschieden. Gleichzeitig aber 36 mg zusätzlich aufgenommen. Der Mythos, dass Milch ein Kalzium Räuber ist und dadurch die Knochen schwächt, kann somit widerlegt werden.
Wissenswert
Kalzium wird aus tierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln aufgenommen. Säuglinge haben die höchste Aufnahmerate, die bei knapp 60 % liegt. Beim Erwachsenen liegt die durchschnittliche Rate zwischen 20 und 40 %. Im Alter nimmt die Aufnahmerate wieder ab.
Kalzium ist aber nur einer von vielen Puzzlesteinen wenn es um Knochenstabilität und in weiterer Folge um Osteoporose geht. Zu berücksichtigen sind die Genetik, der Hormonhaushalt, Bewegung und eben auch, was man isst. Das Zusammenspiel mehrerer Nährstoffe ist für den Aufbau und den Erhalt des Knochengewebes verantwortlich, so spielen zusätzlich zu Kalzium Vitamin D, Phosphor, aber auch Vitamin C, Kupfer und Magnesium eine wichtige Rolle. Ist man langfristig mit den Bausteinen des Knochengewebes unterversorgt, hat das schwerwiegende Folgen für die Festigkeit.
Wissenswert
Kalzium wird über den Darm aufgenommen. Das geschieht entweder über einen aktiven Transport, der durch Vitamin D reguliert ist, oder durch passive Diffusion entlang des Dünn- und Dickdarms. Die Kalziumaufnahme hängt nicht nur von der Menge in den Lebensmitteln ab, auch von der Versorgung mit Vitamin D, von hemmenden Substanzen wie Oxalsäure und fördernden Substanzen wie Milchzucker.
Macht Milch dick?
Die Frage, ob Milch dick macht, lässt sich ganz einfach beantworten: Wenn man zu viel davon trinkt, wahrscheinlich schon. Denn auch hier gilt wie für nahezu jedes Nahrungsmittel: Die Menge macht’s. Empfohlen werden im Rahmen einer vollwertigen Ernährung täglich zwei bis drei Portionen Milch- und Milchprodukte. Das entspricht in etwa einem ¼ Liter Milch und drei Scheiben Käse oder andere Milchprodukte wie Joghurt oder Buttermilch. Möchte man Kalorien einsparen, sollte man auf den Fettgehalt der einzelnen Produkte achten. Studien zeigen, dass regelmäßiges Milchtrinken nicht mit Übergewicht zusammenhängt. Manche Untersuchungen weisen sogar auf einen geringen Gewichtsverlust hin. Dafür könnte Kalzium verantwortlich sein, denn scheinbar verhindert es die Fettbindung und steigert gleichzeitig die Fettspaltung.
Die Mär vom Verschleimen
In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) rät man vom Milchkonsum ab, da Milch die Schleimbildung im Körper fördern würde. Erkrankt man öfter an Atemwegsinfekten ist Milchtrinken folglich kontraproduktiv und sollte gemieden werden. Was steckt hinter diesen Thesen und woher kommt überhaupt der Schleim in der Milch? Ein Forscherteam aus Neuseeland hat herausgefunden, dass ein Abbauprodukt der Milch, nämlich beta-Casomorphin-7, bestimmte Drüsen im Darm zu verstärkter Schleimabsonderung anregt. Die Forscher verfolgen die Hypothese, dass diese Stoffe über die Blutbahn zu den Atemwegen gelangen. Liegt dort bereits eine Entzündung vor, wird diese noch verstärkt. Allerdings ist der Mechanismus unklar und die wissenschaftliche Begründung dazu fehlt. Es gibt bisher keine Untersuchungen, die negative Effekte der Milch auf die Entwicklung oder die Dauer von Atemwegserkrankungen belegen. Eine zu diesem Thema durchgeführte Meta-Analyse erkannte keinen Zusammenhang zwischen dem Milchkonsum und erhöhten Entzündungswerten im Blut. Der Mythos der verschleimenden Milch kann also ruhigen Gewissens widerlegt werden.
Fazit
Milch und Milchprodukte sind wichtiger Baustein einer ausgewogenen Ernährung. Sie liefern eine Kombination aus lebenswichtigen Nährstoffen und vor allem für Kalzium sind sie die wichtigste Quelle. Fettarme Milch und Milchprodukte zeichnen sich durch eine hohe Nährstoffdichte aus. Die mit Milch verbundenen Mythen kursieren immer noch, können aber aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Belege widerlegt werden.
Erfahren Sie mehr über Milch, Mythen und Meinungen in der ernährung heute 1_2015
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Literatur
Mörixbauer A: M wie Milch, Mythen und Meinungen. ernährung heute 1: 4-8 (2015).
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Bartley J, McGlashan SR: Does milk increase mucus production? Med Hypotheses 74: 732-734 (2010).
D-A-CH-Referenzwerte der DGE, ÖGE, SGE/SVE: Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr 1 (2015)