08.10.2018 von Dr. Elisabeth Rudolph

Salz – besser als sein Ruf?

Eine kürzlich veröffentlichte Studie im Fachmagazin Lancet hat im wahrsten Sinne des Wortes Salz in die Suppe der Debatte rund um die Speisesalzzufuhr gestreut.Viel Salz scheint demnach nicht so ungesund zu sein, wie bisher angenommen. Aber auch zu wenig Salz ist laut der Studienergebnisse nicht ideal. Was hat es mir der Studie auf sich und was empfehlen Experten? Wir haben nachgefragt.

Die Autoren der Studie analysierten Daten von knapp 94.000 Menschen aus 18 verschiedenen Ländern bezüglich ihrer Salzaufnahme und dem Auftreten von Herz-Kreislauferkrankungen, Schlaganfällen und Sterblichkeit. Dabei kommen sie zu einem erstaunlichen Ergebnis: Je mehr Salz gegessen wurde, desto geringer war das gesundheitliche Risiko. Wurde weniger Salz als empfohlen konsumiert, stieg das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, sogar an. Die Autoren stellten fest, dass Herzinfarkt und Schlaganfall nur jenen Personen drohte, die durchschnittlich mehr als 5 g Natrium, also ca. 12 g Salz pro Tag zu sich nahmen. Das sind 2,5-Mal mehr als die Weltgesundheitsbehörde (WHO) empfiehlt. Diese Fälle traten vor allem in China auf und hängen vermutlich mit dem Verzehr von salzreicher Sojasauce zusammen.

Kritik schwingt mit

Ein Kritikpunkt dieser Studie gilt der Erfassung der Salzaufnahme bzw. –ausscheidung. Diese wurde nur anhand einer punktuellen morgendlichen Urinprobe berechnet. Um diese jedoch akkurat erfassen zu können, bräuchte es mehrere 24-Stunden-Messungen. Ebenso ist die Ernährungsweise entscheidend, das räumen auch die Autoren der Studie ein. Unbestritten ist nämlich, dass Kalium als Blutdrucksenker gilt. Wer also reichlich Obst und Gemüse isst, vor allem Bananen, Karotten, Avocado, Tomaten oder Kartoffeln, beugt Bluthochdruck vor. Lesen Sie hier mehr darüber, wie Natrium, Chlorid und Kalium zusammenspielen.
Die Ergebnisse der im Fachjournal Lancet publizierten Studie rütteln bisherige Salzdiskussionen ordentlich auf, denn bisher gingen Fachleute von einem erhöhten gesundheitlichen Risiko bei hoher Salzzufuhr aus.
Wir haben bei Ernährungsexperten hierzulande nachgefragt, wie sie dazu stehen, konkret bei Assistenz-Professorin Petra Rust, Ernährungswissenschaftlerin an der Universität Wien, und Cem Ekmekcioglu, Professor für Physiologie an der MedUni Wien.

Unterschiedlich starke Reaktionen

Wie beurteilen Sie die derzeitige Studienlage zum Thema Salz? Aktuell werden ja unterschiedliche Positionen vertreten.
Petra Rust: Die Mehrheit der Studien lässt einen Zusammenhang zwischen Kochsalzzufuhr und Bluthochdruck erkennen. Drei bis fünf von zehn Personen mit hohem Blutdruck und zwei von zehn Personen mit normalem Blutdruck reagieren empfindlich auf die Zufuhr von Kochsalz. Die Debatte rund um bestehende Empfehlungen zur Senkung der Natriumzufuhr resultiert allerdings aus einer nicht zufriedenstellenden Datenlage. Wissenschaftler sind sich einig, dass zur Unterstützung bestehender Empfehlungen randomisierte kontrollierte Langzeituntersuchungen nötig sind.
Cem Ekmekcioglu: Einzelne gut publizierte Beobachtungsstudien aus den letzten Jahren, wie aktuell jene von Mente et al. (Anmerkung der Redaktion: Autor jener Salzstudie, die unlängst im Fachjournal Lancet veröffentlich wurde) haben überraschenderweise eine negative Korrelation zwischen Salzzufuhr und gesundheitlichen Folgen wie Herzinfarkt beschrieben. Diese Studien muss man natürlich ernst nehmen und darf sie als Wissenschaftler nicht einfach wegen potentieller Schwächen im Studiendesign lapidar abtun. Jedoch bewirken diese Publikationen eine immense Verunsicherung in der Allgemeinbevölkerung. Durch die medienaffine und -wirksame Darstellung der Resultate wird auf die Bedeutung des Salzes als Treiber für Bluthochdruck vergessen, was mich ehrlich gesagt ein wenig ärgert.

Die WHO fordert eine weitere Senkung der Salzaufnahme auf unter 5 g pro Tag. Andere Gesundheitsorganisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfehlen Salz einzusparen. Warum?
Petra Rust: Nachdem Bluthochdruck ein Risikofaktor für weitere chronische Erkrankungen darstellt, ist es empfehlenswert jede Möglichkeit der Blutdruckreduktion zu nutzen. Idealerweise geht mit einer Reduktion der Salzzufuhr auch eine Veränderung des Lebensstils einher. Das heißt, es werden weniger stark verarbeitete, salzreiche Lebensmittel gegessen, dafür mehr Obst und Gemüse, die von Natur aus salzarm sind.
Cem Ekmekcioglu: Unsere Vorfahren haben über Jahrmillionen nicht mehr als die Menge, die unseren Bedarf deckt, pro Tag konsumiert. Das sind etwa 2-3 g pro Tag. Unser Körper, vor allem unsere Nieren, sind demnach eher auf diese Mengen programmiert und nicht auf jene, die das Vielfache davon betragen. Es ist schon seit vielen Jahrzehnten bekannt, dass eine hohe Salzzufuhr mit dem Risiko einer Hypertonie assoziiert ist und Interventionsstudien und Meta-Analysen haben eindrucksvoll zeigen können, dass eine Salzreduktion den Blutdruck, vor allem bei Menschen mit Bluthochdruck und bis zu einem geringen Grad auch bei Personen mit normalem Blutdruck, zu senken vermag. Die Hypertonie gilt als Top-Risikofaktor für verschiedenste Krankheiten, wie Schlaganfall, Herzinfarkt und vorzeitige Sterblichkeit. Daher ist es immens wichtig, dass weltweit die Salzzufuhr gesenkt bzw. optimiert wird. Nicht zu vergessen ist, dass zusätzlich zu einer reduzierten Salzzufuhr auch die Kaliumzufuhr verbessert werden sollte.

Welche gesundheitlichen Verbesserungen sind durch eine Salzreduktion zu erwarten?
Petra Rust: Von einer salzarmen Ernährung scheinen Hypertoniker, also Personen mit Bluthochdruck, am meisten zu profitieren. Generell ist die Interpretation von Studien jedoch schwierig, weil mit einer Reduktion der Kochsalzzufuhr meist weitreichende Veränderungen im Ernährungsverhalten einhergehen.
Cem Ekmekcioglu: Zwar fehlen langzeitige Interventionsstudien zu primären Outcomes wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, aber es ist stark zu vermuten, dass durch eine Reduktion der Salzzufuhr der Blutdruck in der Gesamtbevölkerung, v.a. bei Hypertonikern, abnehmen wird, unter der Annahme, dass nicht andere Gründe wie v.a. Adipositas eine Rolle spielen, und damit verbunden auch das Risiko für Folgeerkrankungen wie Schlaganfall. Berechnungen in den USA zeigten z.B., dass eine Salzreduktion zu enormen Einsparungen in den Gesundheitsausgaben führen würde.

Fazit

Ob und in welcher Form man auf Salz reagiert, hängt in erster Linie vom persönlichen Gesundheitszustand ab. Denn jeder Zweite mit Bluthochdruck, aber nur zwei von zehn Personen mit normalem Blutdruck reagieren empfindlich auf zu viel Salz. Salzsensitive Personen, oder jene die an Bluthochdruck leiden, könnten von einer Salzreduktion am meisten profitieren. Gleichzeitig ist es empfehlenswert, auf das Gleichgewicht zwischen Natrium, Chlorid und Kalium zu achten. Denn Kalium wirkt blutdrucksenkend und hilft somit die Risikofaktoren für Schlaganfall oder Herzinfarkt zu minimieren.

Was ist Salz?

Speisesalz wird für die menschliche Ernährung verwendet und auch als Koch- oder Tafelsalz bezeichnet. Es besteht hauptsächlich aus den Bausteinen Natrium und Chlorid, besser bekannt als Natriumchlorid. In Lebensmitteln wird Salz aufgrund seiner Geschmacksnote und seiner konservierenden Eigenschaften verwendet. Backwaren, Wurst, Käse, Fleisch oder Saucen wird es deshalb gerne zugesetzt. Speisesalz dient zusätzlich als Trägermaterial für Jod und Fluor und gewährleistet dadurch eine ausreichende Versorgung mit den beiden Elementen.

Wie viel Salz brauchen wir?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt einen Orientierungswert für die Speisesalzzufuhr für gesunde Menschen an. Dieser liegt bei 6 g pro Tag, das entspricht etwa einem Teelöffel.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt maximal 5 g Salz pro Tag, das sind 2 g reines Natrium.
Amerikanische Leitlinien, wie die American Heart Association, empfehlen 2,3 g Natrium für gesunde Menschen und maximal 1,5 g für Menschen mit Bluthochdruck oder Diabetes.
Die Deutsche Hochdruckliga empfiehlt 5-6 g Kochsalz pro Tag für Menschen mit Bluthochdruck, das sind 2-2,4 g Natrium.

Wofür brauchen wir Salz?

Natrium und Chlorid sind die beiden dominierenden Elektrolyte in der extrazellulären Flüssigkeit. Sie sorgen für den Flüssigkeitshaushalt der Zellen und regulieren den Blutdruck. Ohne sie gäbe es keine Nervensignale oder Muskelbewegungen. Bei übermäßigem Schwitzen oder Durchfallerkrankungen verliert man diese Elektrolyte. Damit alles weiterhin reibungslos funktioniert, müssen sie wieder zugeführt werden. Dieser spezielle Mehrbedarf wird über das Essen abgedeckt.



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