Schatz, die Konfitüre lebt!
Zu Großmutters Zeiten, als der kulinarische Überfluss wie wir ihn kennen kaum vorstellbar war, wäre niemand auf die Idee gekommen, Lebensmittel mit Schimmelbefall einfach wegzuwerfen. Er wurde entfernt, der Rest verwertet. Heute weiß man: ganz so simpel sollte die Sache nicht gehandhabt werden. Die Familie der Schimmelpilze umfasst mehrere tausend Arten. Viele sind ungefährlich, einige sind jedoch durchaus in der Lage, uns zu schaden.
Kleine Schimmelkunde
Schimmelpilze sind wahre Meister des Opportunismus und wenig anspruchsvoll. Sie vermehren sich durch Sporen, die über die Luft verbreitet werden. Treffen diese auf ein Lebensmittel, keimen sie aus und bilden Zellfäden, die so genannten Hyphen. Meist ist nur ein kleiner Teil des gesamten Schimmelpilzes erkennbar, denn die Hyphen können – für das menschliche Auge unsichtbar - das Lebensmittel auch im Inneren durchziehen.
Edle Kulturen
Eigentlich steht Schimmel bereits seit Jahrhunderten auf unserer Speisekarte: Camembert und Roquefort, Edel-Salami und Schinkenspezialitäten erhalten erst durch die besonderen Edelschimmelkulturen ihr typisches Aroma. Vor einigen Jahren wurde sogar ein Pilzprodukt namens QuornTM lanciert, ein Mykoprotein, das als alternative Eiweißquelle für die menschliche Ernährung dienen soll. Schimmelpilze bergen jedoch auch gesundheitliche Risiken. So kann das Einatmen der Sporen immungeschwächten Personen oder Allergikern Probleme bereiten. Was aber noch wesentlicher ist, ist ihre Fähigkeit, Mykotoxine zu produzieren.
Gefährliche Langzeitwirkung
Mykotoxine sind weitgehend hitzestabil und werden bei der Nahrungsmittelverarbeitung in der Regel nicht zerstört. Das Hauptproblem liegt vor allem in der Gesundheitsschädigung durch die Langzeitaufnahme geringer Mengen. Im Tierversuch und in vitro erweisen sich Mykotoxine als stark krebserregend, wirken erbgutschädigend und schwächen das Immunsystem. Dies ist umso bedenklicher, als Schätzungen der FAO zufolge 25 % (!) der weltweiten Getreidevorräte mit Schimmelpilzen kontaminiert sind. In China sollen sogar 10 % der Gesamtmortalität auf das Konto von Mykotoxikosen gehen.
Der "Fluch des Pharao"
Für die menschliche Gesundheit sind vor allem die Aflatoxine und Ochratoxin A relevant. Aflatoxine entstehen bevorzugt in tropischem und subtropischem Klima, deshalb sind importierte Lebensmittel wie Pistazien, Trockenfeigen oder Mandeln häufig betroffen. Sie schädigen die Leber stark und tragen deutlich zur hohen Inzidenz von Leberkrebs in vielen Entwicklungsländern bei. Interessant: Aflatoxine werden auch als medizinisch verständliche Ursache des „Fluch des Pharao“ vermutet. Ochratoxin A kommt hauptsächlich in Getreide vor und wird als auslösender Faktor der endemischen Nephropathie vermutet, einer oft tödlichen Nierenerkrankung, die in einigen Regionen des Balkans gehäuft auftritt. Mykotoxine sind in den Industrienationen kein sehr großer Risikofaktor mehr. Im globalisierten Welthandel sind jedoch nach wie vor routinemäßige Kontrollen notwendig und die vom Gesetzgeber vorgesehenen Grenzwerte unbedingt einzuhalten.
Wissenswert
Der Fluch des Pharao bezeichnet den Glauben, dass die altägyptischen Könige (Pharaonen) ihre Gräber mit magischen Sprüchen gegen Eindringlinge schützten. Dieser Fluch wird vorwiegend mit den Todesfällen in Verbindung gebracht, die sich nach der Öffnung des Grabes von Tutanchamun durch Howard Carter im Jahre 1922 ereigneten.
Im Haushalt
In der Regel gehören Lebensmittel, die von einem Schimmelpilz befallen sind, entsorgt. Ausnahmen sind Produkte, in denen er sich nicht oder nur schwer ausbreiten kann. Dies ist bei Nahrungsmitteln mit hohem Zucker- oder Salzgehalt, mit sehr fester Konsistenz oder harter Kruste der Fall. Die Tabelle gibt dazu einen Überblick. Vorsicht ist bei Edelschimmelprodukten geboten, die einen ungleichmäßigen oder untypisch gefärbten Schimmel aufweisen.
Umgang mit Schimmelbefall
Lebensmittel | Umgang mit Schimmel |
---|---|
Brot | Schnittbrot: entsorgen; ganzer Brotlaib mit knusprig trockener Kruste: großzügig entfernen |
Getreide, Müsli | Entsorgen |
Marmelade | Zuckeranteil von über 50 %: Schimmel mit einer dicken Fruchtschicht abheben |
Milch, Joghurt, Topfen | Entsorgen |
Frisch- und Schnittkäse | Entsorgen |
Hartkäse im Stück | Befallene Stelle großzügig entfernen |
Wurst | Nur bei Hartwurst / Speck: Schimmel großzügig entfernen |
Nüsse | Schmecken sie bitter, ranzig oder kratzig: unbedingt entsorgen |
Gewürze | Schimmelbefall ist oft nicht erkennbar. Besser in kleinen Mengen kaufen und rasch verbrauchen |
Obst und Gemüse, Eingemachtes, Fruchtsäfte | Entsorgen; auch Fäulnis kann durch Schimmel verursacht werden |
Fazit
Besser als sich überlegen zu müssen, ob ein Lebensmittel noch gegessen werden darf oder nicht, ist es, dem Schimmel erst gar keine Chance zu geben. Daher gilt es, möglichst frisch und in überschaubaren Mengen einzukaufen, die Produkte kühl und trocken zu lagern und auf gründliche Hygiene in der Küche zu achten.
Literatur
Bryden WL: Mycotoxins in the food chain: human health implications. Asia Pac J Clin Nutr 16: 95–101 (2007).
Peraica M, Domijan AM: Contamination of food with mycotoxins and human health. Arh Hig Rada Toksikol 52: 23–35 (2001).