Schluss mit Übersäuerung
Gehören Sie auch zur Kategorie jener, die ständig übersäuert sind und Schlackenstoffe loswerden wollen? Wenn ja, dann hilft vieles, aber bestimmt keine basische Ernährung. Anhänger des Basenfastens behaupten, dass sich über das Essen Säuren und Basen im Körper ansammeln. Isst man zu viel säurebildende Nahrungsmittel, führt das zu einem Ungleichgewicht im Säure-Basen-Haushalt. Die Säuren sollen uns langfristig krank machen, Osteoporose, Sodbrennen bis hin zu Arterienverkalkung sollen sie verursachen. Aber auch die Verdauung ist gestört, man fühlt sich müde und abgeschlagen. Durch zu saure Nahrungsmittel sammeln sich auch Schlacken an, die den Körper vergiften. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es jedoch keine Übersäuerung des Körpers durch säurebildende Nahrungsmittel. Bei diesen Annahmen handelt es sich um tradierte Vorstellungen des Säure-Basen-Gleichgewichts, die in das 19. Jahrhundert zurückgehen. Mit den modernen pathophysiologischen Kenntnissen hat das wenig gemein. Es war unter anderem Howard Hay (1866-1944), Begründer der Trennkost, der die Übersäuerung des Körpers für Krankheiten verantwortlich machte und auf dessen Erkenntnisse sich die Alternativmedizin heute noch beruft. Auch die Bezeichnung Schlacken ist frei erfunden. „Der Körper ist ja kein Hochofen, der Schlacken produziert“, so Professor Jürgen König vom Department für Ernährungswissenschaften in Wien. Der Körper verfügt viel mehr über ausgeklügelte Systeme, um mit Säuren und Basen in Nahrungsmitteln umzugehen.
Worum geht es?
Es gibt säure- und basenbildende Lebensmittel. Dabei geht es nicht darum, wie sauer etwas schmeckt oder wie viel Säure ein Nahrungsmittel von Natur aus enthält. Es geht darum, welche Stoffe am Ende der Verdauung übrig bleiben. Gewinnt der Körper mehr saure Bestandteile, bezeichnet man sie als Säurebildner. Dazu zählen Fleisch, Wurst, Milchprodukte, Weißmehl, Vollkornprodukte, Teigwaren, Reis oder Eier. Bleiben basische Bestandteile am Ende übrig, handelt es sich um Basenbildner, wie Obst und Gemüse. Etwas verwirrend ist das schon, denn Zitrusfrüchte enthalten von Natur aus viel Säure, sind aber Basenbildner. Die Erklärung ist einfach: Neben Säuren liefert Obst auch Mineralstoffe oder etwa Magnesiumcitrat und diese wirken basisch, folglich zählen sie zu den Basenbildnern.
Wissenswert
Um Nahrungsmittel in sauer (pH-Wert kleiner als 7) und basisch (pH-Wert größer als 7) einzuteilen, analysierten Forscher den Urin nach Nahrungsaufnahme. Jene Lebensmittel, die einen sauren Urin verursachten, wurden der Kategorie sauer zugeteilt. Jene, die einen basischen Urin verursachten, wurden als Basenbildner bezeichnet.
Körpereigene Regulation
Es existieren verschiedene dynamische Puffersysteme im Körper, die versuchen, das Verhältnis zwischen Säuren und Basen möglichst auszugleichen und somit den pH-Wert in bestimmten Grenzen zu halten. Entscheidend ist der pH-Wert im Blut, er liegt zwischen 7,35 und 7,45. Verschiebungen, egal in welche Richtung, haben gesundheitliche Folgen. Der Vorteil ist jedoch, dass man diese Auswirkungen sehr schnell spürt. Denken Sie z.B. an das Aufblasen eines Luftballons: Der Kopf wird rot, man wird schwindelig und der Kreislauf droht zu kollabieren. Setzt man ab, holt tief Luft, erholt man sich wieder. Was ist passiert? In kurzer Zeit atmet man sehr viel Kohlendioxid ab, der pH-Wert im Blut rutscht für kurze Momente in den sauren Bereich und die körperlichen Anzeichen machen sich sofort bemerkbar. Beendet man das Aufblasen, bleibt Kohlendioxid wieder in seiner ursprünglichen Form, nämlich als Kohlensäure im Blut gelöst, zurück, der pH-Wert normalisiert sich und der Schwindel geht vorüber. Ein Ungleichgewicht wird also umgehend ausgeglichen.
Wie sieht das nun mit den sauren Lebensmitteln aus? Tatsächlich entstehen bei der Verdauung Säuren und Basen. Sie werden jedoch rasch über die Niere und den Urin ausgeschieden. Deshalb schwankt der pH-Wert im Urin im Vergleich zum Blut, allerdings hat das keine gesundheitlichen Folgen. Denn, essen wir Fleisch, Käse oder Eier, also säurebildende Lebensmittel, werden auch mehr Säuren über den Urin ausgeschieden. Im Vergleich dazu wird der pH-Wert im Urin bei Konsum von Obst und Gemüse basisch. Ein saurer Urin sagt jedoch nichts über den pH-Wert im Blut aus. Denn, wie gesagt, alles Überschüssige wird über die Nieren, den Urin, den Schweiß oder die Atmung abgegeben.
Instabile Knochen durch saure Ernährung?
Zum Thema Basenfasten gibt es keine klinischen Studien am Menschen. Einzig der Zusammenhang zwischen der vermeintlichen Übersäuerung des Körpers und Osteoporose wurde epidemiologisch untersucht. Vertreter des Basenfastens sind der Meinung, dass überschüssige Säuren im Körper nur durch Kalzium aus den Knochen neutralisiert werden können und dadurch die Knochenstärke langfristig abnehme. Übersichtsarbeiten zu diesem Thema zeigen allerdings keinen Zusammenhang zwischen säurebetonter Ernährung und häufigeren Knochenbrüchen.
Fazit
Der Körper kann übersäuern, wenn Nieren und Atemwege beeinträchtigt sind. Das hat aber medizinische Gründe. Durch eine Ernährung mit säurebildenden Nahrungsmitteln wie Fleisch, Eier, Käse oder Getreide werden zwar vermehrt Säuren gebildet, diese jedoch rasch über die Niere und den Urin ausgeschieden. Der pH-Wert im Blut bleibt aufgrund der vorhandenen Puffersysteme unangetastet. Wer sich abwechslungsreich ernährt und eine gute Mischung säure- und basenbildender Nahrungsmittel isst, muss sich um den Säure-Basen-Haushalt keine Sorgen machen. Müdigkeit oder Abgeschlagenheit haben andere Gründe.
Lesen Sie mehr über ausgewogene Ernährung nach den 10 Regeln der DGE.
Erfahren Sie hier mehr alles über sinnvolle Diäten.
Literatur
Kerschner B: Basenfasten – die Kur für Ihre Geldbörse. Medizin Transparent. www.medizin-transparent.at/basenfasten-die-kur-fur-ihre-geldborse (Zugriff am 1.3.2018)
Großbauer M: Heilfasten, Basenfasten, Intervallfasten-ein Überblick. DGE Info. (2008)
Martin HH: Besser basisch essen. UGBforum. (2017) www.ugb.de/ernaehrungsplan-praevention/saeure-basen-haushalt/ (Zugriff am 1.3.2018)
Siener R: Einfluss der Ernährung auf den Säure-Basen-Haushalt. Ernährungs-Umschau. Ausgabe 53. (2006) www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2006/05_06/EU05_168_173_Version02.pdf (Zugriff am 1.3.2018)