Sich glücklich essen?
Wenn es nach zahlreichen Ratgebern geht, sollen bestimmte Lebensmittel das Seelenwohl steigern. Da ist von Bananen, Feigen oder Nüssen ebenso die Rede wie von Schokolade, Kuchen oder Nudeln. Damit sich ein gemütssteigernder Effekt einstellt, muss Mood Food klarerweise schmecken. Zudem gibt es ein paar objektivere Kriterien: Es muss eine angenehme Konsistenz und Textur aufweisen und die Inhaltsstoffe müssen in der richtigen Relation zueinander enthalten sein.
Schmelz oder Kakao?
Stresspuffer Nummer Eins ist für viele Schokolade. Sie kann tatsächlich emotionalen Stress mindern - wenn auch nur kurzfristig. Ausschlaggebend dafür sind allerdings weniger die pharmakologischen Mechanismen als vielmehr die Schmackhaftigkeit. Denn Schokolade zergeht auf der Zunge, das mollige Mundgefühl lullt uns ein. Denselben Effekt haben z. B. flaumige Kuchen, Torten und Desserts. Für Aufmunterung sorgen zudem Koffein und Theobromin, allerdings erst ab ca. 50 g und nach etwa einer Stunde. Die stimmungsaufhellende Wirkung des Glückshormones Serotonin stellt sich dagegen rasch ein, lässt jedoch auch schnell wieder nach.
Das Glück aus der Nahrung
Serotonin wird aus der essenziellen Aminosäure Tryptophan gebildet. Tryptophan kommt in relativ geringen Konzentrationen in Lebensmitteln wie Gouda, Parmesan, Mandeln, Cashewkernen, rohem Lachs oder Haferflocken vor. Doch eiweißreiche Kost pusht nicht automatisch die Seele auf ein Hochgefühl. Denn Tryptophan konkurriert bei der Aufnahme ins Gehirn mit anderen Aminosäuren und hat im Wettstreit nur geringe Chancen. Es sei denn, Kohlenhydrate mischen dabei mit. Sie bewirken eine gesteigerte Insulinausschüttung und Insulin wiederum ermöglicht, dass die Muskeln die anderen Aminosäuren, die um den Eintritt ins Gehirn wetteifern, aufnehmen. Tryptophan bleibt dabei außen vor und ist so für die Aufnahme durch die Blut-Hirn-Schranke der Favorit. Stehen Kohlehydrat- und Eiweißgehalt im Verhältnis günstig zueinander, bildet sich also Serotonin im Gehirn. Das ist nicht nur bei Schokolade der Fall, sondern auch Datteln, Honigmilch, Nudeln, Feigen oder Bananen sind Gute-Laune-Macher. Als kleiner Snack zwischendurch sorgen sie für einen Energieschub und können Stress und Nervosität reduzieren. Auch beim Frühstück lässt sich schon so manches einbauen: Wer mit Müsli, Cerealien oder Brot in den Tag startet, kann seiner Laune den ersten „Stupser“ geben. Denn Frühstückende fühlen sich glücklicher und schätzen sich selbst gelassener ein als Nicht-Frühstücker.
Wissenswert
Serotonin sorgt neben guter Laune auch für einen angenehmen Schlaf. Mengen von 1 g Tryptophan können die Einschlafdauer deutlich verkürzen und die Schläfrigkeit steigern. Außerdem wird aus Tryptophan und Serotonin das Schlafhormon Melatonin gebildet. Warme Milch mit Honig oder ein Käsebrot sind nicht nur kulinarische Einschlafhilfen, sondern stärken zudem die Knochengesundheit.
Auch Fisch, Nüsse und Olivenöl stehen als Glücksnahrung hoch im Kurs. Wissenschafter orten einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Depressionen und Omega-3-Fettsäuren. Eine Studie aus Spanien zeigte, dass Personen die sich „mediterran“ ernährten und dabei reichlich Omega-3-Fettsäuren aufnahmen, ein um 30 % niedrigeres Risiko für Depressionen aufwiesen, als jene, die vor allem Fleisch und Wurst konsumierten.
Individuelle Glücklichmacher
Ob bestimmte Nahrungsmittel als „Mood Food“ selig stimmen oder nicht, hängt aber auch von persönlichen (Geschmacks-)Vorlieben und Gewohnheiten ab. Zudem spielen unser erlerntes Essverhalten, konkrete Esssituationen und persönliche Erinnerungen eine große Rolle. Nehmen wir bestimmte Geschmäcker und Gerüche wahr, speichert das Gehirn ein spezielles Erregungsmuster ab. Wird ein solches Muster mehrmals abgelegt, prägt es sich dauerhaft ein. „Das gilt vor allem für Gerichte, die in Verbindung mit besonderen Ereignissen, wie Weihnachten, stehen,“ erklärt Christine Brombach, Spezialistin für das Erforschen von Ernährungsverhalten von der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Eine Tasse Tee, die nach Zimt, Kardamom und Vanille duftet, erzeugt meist weihnachtliche Stimmung und vermittelt ein wohliges Gefühl. Ist die Laune getrübt, kann das persönliche Lieblingsgericht auf die Sprünge helfen. Denn an Oma´s Torte oder das Lieblingseis aus Kindertagen sind positive Erinnerungen und Emotionen gekoppelt. Doch das alleine hilft auch nicht. „[…] Wenn Sie einen guten Wein hastig aus einem Pappbecher trinken würden, würde er wahrscheinlich nicht schmecken… […]“, sagt Thomas Ellrott, Ernährungspsychologe an der Universität Göttingen. Eine Tasse warmer Kakao oder eine Schüssel Nudeln mit Käse vertreiben eben auch nur dann den Blues, wenn die Umgebung und der Kontext stimmen.
Wissenswert
Neben kulinarischen Seelenschmeichlern ist Bewegung ein Dreh- und Angelpunkt für das Wohl von Körper und Geist. Denn sie fördert u. a. das Selbstwertgefühl und hebt die Stimmung. Dabei hilft es bereits, Bewegungschancen im Alltag zu nutzen. Lesen Sie hier mehr.
Fazit
Wie und was wir essen ist wesentlich, wenn es um´s Wohlfühlen geht. Ist die Laune im Keller, kann sogenanntes „Mood Food“am Stimmungsbarometer drehen. Dabei spielen Geschmack und Mundgefühl ebenso eine große Rolle wie psychologische Faktoren. Positive Erinnerungen an bestimmte Speisen, die persönliche Essbiografie und das Setting, in dem wir essen und trinken, können den Blues vertreiben. So hat jeder sein ganz persönliches „Mood-Food“. Sei es eine Schüssel Nudeln mit Parmesan oder eine Portion Mousse au chocolat. Und der Glücksbotenstoff Serotonin tut dort und da sein Übriges.
Literatur
Fischer A: Schoggi alleine macht nicht glücklich. Brainstorm Magazin, Vol. 87: 16-17, [2014].
Gruber M, Trescher T, Nieman J: Wie uns Essen glücklich macht. Falstaff 09: 86-98 (2016).
Surholt B: Happy Food – so geht Glück. TK Magazin aktuell, Vol. 1 (2016).
Nutritional-Software.at: Nährwert-Suche (letzter Zugriff am 28.11.2016).
Silber BY et al.: Effects of tryptophan loading on human cognition, mood and sleep, Neuro. Biobehavioural Review, Vol. 40: 387-402, [2010].
Samitz G, Egger M, Zwahlen M: Domains of physical activity and all-cause mortality: systematic review and dose-response meta-analysis of cohort studies. Int J Epidemiol. 40: 1382-400 (2011).
Strasser B, Gostner J, Fuchs D: Mood, Food and cognition: role of tryptophane and serotonin. Curr Opin Clin Nutr Metab Care, Vol. 61: 55-61, [2016].
Kiefer I, Zifko U: Brainfood. Fit im Kopf durch die richtige Ernährung. Keipp Verlag, Leoben (2006).
aminosaueren.org: L-Tryptophan (letzter Zugriff am 28.11.2016).
Ganschow L, Böhnke A, Schadwinkel A: Schokolade und ihre Wirkung. Planet-Wissen.de (letzter Zugriff am 28.11.2016).
Runge K: Die Macht des Mood Food. FAZnet., am 09.09.2013.
Vitamin-Ratgeber.com: L-Tryptophan (letzter Zugriff am 28.11.2016).