Sport geht durch den Magen
Wie sich sportliche Betätigung günstig auf den Magen-Darm-Trakt auswirkt, ist eher ein junges Forschungsgebiet: Während der letzten 30 Jahre untersuchte man überwiegend die Risiken von Hochleistungssport auf das Verdauungssystem. Mit Berechtigung: Bis zur Hälfte der Spitzenathleten müssen die gastrointestinale Kehrseite der Medaille in Kauf nehmen. Sie kämpfen nicht nur gegen sportliche Gegner, sondern auch gegen Schwindelanfälle, Übelkeit und Bauchschmerzen an.
Seitenstechen & Co.
Auch bei Hobbysportlern kann es, wenn die Messlatte für Intensität und Dauer der sportlichen Belastung zu hoch angesetzt wurde, zu diesen unangenehmen sportlichen Kollateralschäden kommen. Den meisten Joggern ist Seitenstechen ein Begriff: Der stechende Schmerz tritt besonders dann auf, wenn kurz vor dem Sport gegessen oder getrunken wurde. Noch nicht gänzlich geklärt ist die Ursache fürs Seitenstechen. Eine Theorie besagt, dass bei sportlicher Betätigung das Blut umverteilt wird: Von den inneren Verdauungsorganen (Leber, Magen, Darm) zu den Muskeln. Dadurch könnten sich die inneren Organe verkrampfen. Eine andere schlüssige Theorie: Nach dem Essen sind Magen und Darm gut gefüllt. Seitenstechen könnte dann entstehen, wenn es dadurch zu einem verstärkten Zug am Bandapparat des Bauchfells und der inneren Organe kommt. Daher sollte man zwei bis drei Stunden vor der körperlichen Betätigung nichts Schweres essen. Leicht verdaulich und trotzdem Energiespeicher füllend ist, z. B. ein Vollkornweckerl mit Putenschinken und Radieschen. Bei Auftreten von Seitenstechen hilft, vom körperlichen Gaspedal zu steigen oder überhaupt eine kurze Pause einzulegen. Zudem lässt das Seitenstechen schneller nach, wenn man tief in den Bauch ein- und ausatmet.
Flüssigkeitsdefizit ausgleichen!
Übelkeit und Schwindel treten oft auf, wenn der Körper „ausgetrocknet" ist: Je nach Sportart und Umgebungstemperatur verschwitzt man etwa 0,5 bis 2,5 Liter Flüssigkeit pro Stunde. Um dem vorzubeugen, beginnt man am besten schon ein bis zwei Stunden und 20 bis 40 Minuten vor der Aktivität 300 bis 500 ml schluckweise zu trinken. Bei Aktivitäten bis zu einer Stunde genügt es, das Flüssigkeitsdefizit nach dem Sporteln auszugleichen. Ein ideales Sportgetränk ist übrigens eine Apfelsaft-Wasser Mischung (Verhältnis 1:1) mit einer Messerspitze Kochsalz pro Liter.
Unschlagbare Vorteile
Schießt man nicht über seine Kondition hinaus, überwiegen bei moderater sportlicher Betätigung auch im Magen-Darmbereich die Vorteile: Die Beweislage ist gut, dass durch moderaten Sport (täglich 30 bis 60 Minuten schnelleres Gehen bzw. gemütliches Laufen, Radfahren, Volleyball, ...) das Risiko für Darmkrebs um 30 bis 40 % im Vergleich zu inaktiven Personen gesenkt werden kann. Sport bremst die Entwicklung von Darmkrebs auf mehreren Wegen: Er hilft, das Gewicht stabil zu halten. Zudem wirkt er sich positiv auf die Insulin-, und Blutfettregulation aus. Dies sind alles Faktoren, die Darmkrebs begünstigen können. Als wichtigster krebsschützender Mechanismus gilt aber, dass sich die Zeit verkürzt, in der der Speisebrei durch den Darm wandert (Transitzeit). Somit haben krebserregende Stoffe in der Nahrung weniger Zeit, mit der Darmschleimhaut wechselzuwirken.
Radfahren gegen „Traffic jam"
Eine kürzere Transitzeit hat einen weiteren Vorteil: De Schryver et al. untersuchten 43 über 45-Jährige, die unter chronischer Verstopfung litten. Zwölf Wochen waren diese angewiesen, täglich 30 Minuten flott spazieren zu gehen. Nach der Versuchszeit gaben die Probanden an, dass sich ihre Symptome nach den ROM-Kriterien erheblich verbesserten. Die Frequenz ihrer Stuhlgänge erhöhte sich also und die Konsistenz normalisierte sich. Auch die Transitzeit im Darm verminderte sich deutlich von 79 auf 58 Stunden - üblich sind Werte zwischen 36 und 55 Stunden.
Steter Tropfen höhlt den Gallenstein
Moderater Sport reduziert überdies das Risiko für die Entstehung von Gallensteinen: Er optimiert das „Gallenrezept" aus Cholesterin und Gallensäuren, deren Verhältnis fein abgestimmt werden muss. Denn steigt der Cholesterinanteil an, lagern sich Cholesterinkristalle ab, aus denen dann mit der Zeit Gallensteine entstehen können. Durch moderaten Sport verringert sich das Cholesterin in der Galle, und Gallenblase sowie Dickdarm sind stärker in Bewegung. Bei Inaktivität und hohem Cholesterinanteil bilden sich Gallensteine besonders gut.
Lauffeuer ...
... statt brennender Eingeweide: Auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa) gibt es Hinweise, dass sich moderater Sport positiv auswirkt. Dies zeigt eine Studie an 32 Morbus Crohn-Patienten: Bei jenen, die über drei Monate dreimal wöchentlich ein Walking-Programm (30 Minuten) absolvierten, erhöhte sich die durch einen Fragebogen erhobene Lebensqualität deutlich. Es gibt noch ein Argument, warum sich Personen, die unter chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen leiden, sportlich-moderat bewegen sollten: Weil sie Glucocorticoide einnehmen müssen, werden sie anfälliger für Osteoporose. Besonders Knochen belastende Sportarten wie Joggen stärken die Knochen und wirken hier präventiv.
Fazit
Sich täglich 30 bis 60 Minuten moderat intensiv bewegen, wie das beim schnellen Gehen oder beim Radfahren der Fall ist, tut auch dem Bauch gut: Wer regelmäßig sportlich aktiv ist, vermindert das Risiko für Darmkrebs und Gallensteine, und ist aktiv gegen Verstopfung und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen.
Literatur
De Oliveira EP, Burini RC: The impact of physical exercise on the gastrointestinal tract. Curr Opin Clin Nutr Metab Care (2009). [Epub ahead of print]
National Cancer Institute: Physical Activity and Cancer. www.cancer.gov/cancertopics/factsheet/prevention/physicalactivity (Zugriff am 2.9.2009).
De Schryver et al.: Effects of regular physical activity on defecation pattern in middle-aged patients coomplaining of chronic constipation. Scand J Gastroenterol 40(4): 422-429 (2005).
Simons SM, Shaskan GG: Gastrointestinal problems in distance running. International Sportmed Journal 6(3): 162-170 (2005).
Simrén M: Physical activity and the gastrointestinal tract. Eur J Gastroenterol Hepatol 14 (10): 1053-1056 (2002).