26.05.2020 von Elisabeth Sperr, MSc

Vegan ohne Mangel – die Gießener Lebensmittelpyramide

Der Trend zur veganen Ernährung hält an, auch wenn sich derzeit schätzungsweise nur 1 % der Bevölkerung rein pflanzlich ernährt. Eine Ernährungsweise ganz ohne tierische Produkte birgt jedoch besonders für Menschen, die sich vorher wenig mit Ernährung befasst haben, einige Risiken. Wie sich „vegan“ nährstoffdeckend in die Praxis umsetzen lässt, zeigt die vegane Lebensmittelpyramide.

Lebensmittelpyramiden dienen dazu, Ernährungsempfehlungen anschaulich und verbrauchernah darzustellen. In Österreich wird weitgehend die siebenstufige Ernährungspyramide des Gesundheitsministeriums verwendet, die für Kinder, Schwangere und Stillende in einer eigens angepassten Variante vorliegt. Für vegan lebende Menschen ist eine auf Mischkost ausgerichtete Ernährungspyramide teilweise jedoch ungeeignet, da sie auch tierische Produkte enthält. Im Jahr 2018 entwickelten Wissenschaftler des deutschen Instituts für alternative und nachhaltige Ernährung (IFANE) daher die Gießener vegane Lebensmittelpyramide. Sie baut auf der gleichnamigen Pyramide für vegetarische Lebensmittel auf und gibt an, worauf bei einer rein pflanzlichen Ernährung zu achten ist.

Wissenswert

Die vegetarische Lebensmittelpyramide wurde bereits 2010 an der Universität Gießen am Institut für Ernährungswissenschaft entwickelt und 2019 überarbeitet. Sie weist auf eine potenziell notwendige Vitamin-B12-Supplementierung bei geringem Verzehr von Milch und Milchprodukten hin und führt Hülsenfrüchte und Nüsse als weitere wichtige Protein- und Fettsäurequellen auf.


Zielgruppe: Vegane Community

Die aktuelle Studienlage zeigt, dass Veganer die Ernährungsempfehlungen der Fachgesellschaften oftmals besser umsetzen als die Allgemeinbevölkerung. Sie verzehren mehr Gemüse, Obst und (Vollkorn-)Getreide und führen auch einen gesünderen Lebensstil mit geringerem Tabak- und Alkoholkonsum sowie mehr Bewegung. Der Grund wird darin vermutet, dass sich Veganer häufig intensiver mit allgemeinen Gesundheitsaspekten sowie den Vor- und Nachteilen einer Ernährungsumstellung auseinandersetzen. Veganer haben dadurch generell einen niedrigeren Cholesterinspiegel und ein geringeres Risiko an Herzkrankheiten, Bluthochdruck, sowie Typ 2 Diabetes zu erkranken. Dennoch gelten bei einer rein pflanzlichen Ernährungsweise einige Nährstoffe als potenziell kritisch. Dazu zählen neben den auch in der Allgemeinbevölkerung kritischen Nährstoffen Jod und Vitamin D noch Eiweiß, Vitamin B12 und B2, Kalzium, Eisen, Zink, Selen, sowie die langkettigen omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA).

Die vollständige Lebensmittelpyramide mit allen Erläuterungen kann hier abgerufen werden (©Albert-Schweitzer-Stiftung).


Verzehrsempfehlungen mit „V“

Als Grundlage für die Entwicklung der veganen Lebensmittelpyramide diente die berechnete Nährstoffzufuhr über einen optimierten 14-tägigen veganen Speiseplan. Anschließend wurden daraus die Lebensmittelgruppen der neuen Pyramide abgeleitet. Im Vergleich zur herkömmlichen Ernährungspyramide sind die beiden Kategorien für tierische Eiweißquellen „Fisch, Fleisch und Eier“ sowie „Milch und Milchprodukte“ zusammengelegt und durch Hülsenfrüchte, Nüsse, Produkte wie Tofu und Seitan, sowie pflanzliche Milchalternativen ersetzt. Die Kategorie Gemüse ist nun zusätzlich um Meeresalgen ergänzt. Bei fast allen Nährstoffen werden die Referenzwerte durch diese Zusammensetzung erreicht oder überschritten. Lediglich für Vitamin B12, das ausschließlich in tierischen Produkten vorkommt, und Vitamin D, das vom Körper auch selbst bei ausreichender Sonnenexposition produziert wird, lassen sich die Empfehlungen erwartungsgemäß nicht erreichen. 

Supplementierung notwendig

Für die potenziell kritischen Nährstoffe bietet die vegane Lebensmittelpyramide zusätzliche Empfehlungen:

  • Jod: Es wird zum Verzehr von jodiertem Speisesalz und der Meeresalge Nori geraten.
  • Omega-3-Fettsäuren: Die Verwendung von EPA-/DHA-angereichertem Leinöl wird empfohlen.
  • Kalzium: Kalziumreiche Mineralwässer und mit Kalzium angereicherte Milchalternativen sollen eine ausreichende Aufnahme erleichtern.
  • Vitamin D: Vor allem in den lichtarmen Monaten Oktober bis März sollte Vitamin D supplementiert werden.
  • Vitamin B12: Eine regelmäßige Überprüfung der Körperspeicher und bedarfsgerechte Supplementierung ist erforderlich, da es bei einer veganen Ernährung überhaupt nicht aufgenommen wird.

 

Fazit

Die gesundheitlichen Vorteile einer rein pflanzlichen Ernährungsweise können sich nur ergeben, wenn die Personen auf eine möglichst vielfältige Lebensmittelauswahl, abwechslungsreiche Speiseplangestaltung und entsprechende Supplementierung kritischer Nährstoffe achten. Die Gießener vegane Lebensmittelpyramide leistet somit ihren Beitrag das Potenzial pflanzlicher Ernährungsweisen auszuschöpfen und das Risiko möglicher Nährstoffmängel zu minimieren.

Tipp


Biehler M: 
Vitamin V – Lehrbuch der vegetarischen und veganen Küche 
Buch&Meia GmbH, München (2019) 
Hardcover, 792 Seiten 
Preis: € 89,00 
Zur Rezension

Literatur

Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Die österreichische Ernährungspyramide. Internet: www.sozialministerium.at (Zugriff am 20.05.2020).  
Österreichische Gesellschaft für Ernährung: Vegane Ernährung – Gesundheitliche Vorteile und Risiken. Internet: www.oege.at (Zugriff: 20.05.2020). 
Weder S, Leitzmann C, Keller M: Die Gießener Vegetarische Lebensmittelpyramide – Ein Update. Ernährung im Fokus 03, 206-212 (2019). 
Weder S, Schäfer C, Keller M: Die Gießener vegane Lebensmittelpyramide. UGB forum 01, 36-38 (2020). 
N.N. Vegetarier und Veganer als Zielgruppe für Handel und Gastronomie in Österreich. Internet: www.marktmeinungmensch.at (Zugriff: 20.05.2020). 

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