Wandern - Allrounder fürs Wohlbefinden
Wandern in luftigen Höhen erfreut sich immer mehr Beliebtheit. Laut Statistik des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) schnürt jeder vierte wenigstens einmal pro Woche die Wanderschuhe und mehr als zwei Drittel der Österreicher steigen mindestens einmal im Sommer auf den Berg. Das Durchschnittsalter der Wanderbegeisterten liegt bei knapp 43 Jahren, ein Drittel ist unter 30 Jahre alt. Aus welchen Motiven gewandert wird, zeigt eine Umfrage der Universität Trier. Dazu wurden mehr als 4.000 Personen befragt: Die Einen wandern, um die Natur zu erleben (45 %), die frische Luft zu genießen (21 %), den Alltag zu vergessen (9 %) oder in Gesellschaft zu sein (17 %). Andere nutzen den Ausflug in die Berge, um Sport zu treiben (20 %), Kraft zu sammeln und dabei etwas für die eigene Gesundheit zu tun (10 %).
Wissenswert
Laut den nationalen Bewegungsempfehlungen sollten sich Erwachsene und Ältere mindestens 150 Minuten pro Woche (2,5 Stunden) bei mittlerer Intensität bewegen. Das lässt sich durch flottes Gehen im Alltag genauso erreichen wie mit Wandern, Tanzen oder bei der Wassergymnastik.
Wandern bringt den Kreislauf in Schwung
Der Trendsport steigert nicht nur die Ausdauer sondern hat auch günstige Effekte auf die Blutgefäße. Laut Dr. Frank Sonntag, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung, kurbelt Wandern die Bildung von zusätzlichen Gefäßstrukturen wie Kapillaren an und stärkt die Gefäßinnenwände. Sie werden stabiler und elastischer. Das Risiko für die Bildung von Blutgerinnsel kann dadurch verringert werden. Zusätzlich regt Wandern das körpereigene Abwehrsystem an. Darüber hinaus eignet sich die Sportart auch für Herz-Kreislauf-Patienten. Denn die Dauerbelastung lässt sich gut steuern, die Gefahr einer Überforderung des Herz-Kreislaufsystems ist daher gering.
Wissenswert
Auch Schneeschuhwandern ist ein gutes Training für das Herz-Kreislaufsystem. Eine gleichmäßige Schrittfolge bewirkt eine ausgewogene Beanspruchung, die jener auf einem Ergometer gleich kommt.
Dass sich Wandersport am Berg auch positiv auf den Blutdruck, Übergewicht und Cholesterinspiegel auswirkt, zeigt die österreichische Höhenstudie (AMAS 2000). 22 männliche Probanden absolvierten einen dreiwöchigen Bergurlaub mit moderatem Sport und Wanderungen zwischen 1400 und 2000 m Seehöhe. Sämtliche Teilnehmer litten am metabolischen Syndrom und kämpften daher mit Bluthochdruck, Übergewicht, Blutzucker- und Fettstoffwechselstörungen. Die darauf folgenden Messungen waren erfreulich: Die Teilnehmer verloren im Durchschnitt 2,5 kg Körpergewicht, ihre Herzfrequenz und ihr Blutdruck hatten sich verbessert, die Insulinresistenz sank. Das „gute“ Cholesterin, die HDL-Werte im Blut, stiegen hingegen maßgeblich an. Die positiven Anpassungsmechanismen sind laut Studienautoren auch auf das „Reizklima" zurückzuführen, das sich durch einen milden Sauerstoffmangel in mittleren Höhen auszeichnet.
Wissenswert
Das richtige Tempo beim Wandern hängt vom Grad der eigenen Fitness und Kondition ab. Als Faustregel gilt: Beim Gehen sollte man sich über mehrere Stunden gleichmäßig fortbewegen und sich dabei noch unterhalten können, ohne außer Atem zu kommen. Das durchschnittliche Wandertempo beträgt ca. 4 km/h.
Wandern stärkt Muskeln und Gelenke
Laut Prim. Josef Niebauer vom Universitätsinstitut für präventive rehabilitative Sportmedizin in Salzburg werden beim Bergauf- und Bergabgehen speziell Waden-, Schienbein sowie die Oberschenkelmuskulatur beansprucht. Kommen Wanderstöcke zum Einsatz, bewirkt das ein zusätzliches Training der Arm-, Schulter-, Nacken- und Rumpfmuskulatur. Zudem wirkt sich die körperliche Belastung auch positiv auf die Knochendichte und die Beweglichkeit der Gelenke aus. Auch ältere Menschen profitieren von moderatem Wandern. Denn das Gehen über unebenen Boden trainiert die Trittsicherheit, Koordination und Reaktionsfähigkeit. Die Stabilität der gesamten Haltemuskulatur verbessert sich, was Knie- und Hüftgelenke entlastet. Die Sturzgefahr und Verschleißerscheinungen in den Gelenken verringern sich dadurch.
Wandern als Seelenwärmer
Bewegung am Berg kann auch als natürliches Antidepressivum wirken. Das verdeutlichte eine Studie der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg. 20 suizidgefährdete Patienten nahmen innerhalb von neun Wochen zwei bis dreimal täglich an einem Wanderprogramm teil. Als Kontrollgruppe dienten Patienten, die körperlich inaktiv waren. Das Ergebnis: Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und das Ausmaß der Depressionen gingen innerhalb der Wandergruppe signifikant zurück. Zudem verbesserten sich die Leistungsfähigkeit und die allgemeine Bewegungsfreude der Patienten. Bei der Kontrollgruppe wurden keine Verbesserungen beobachtet. Nach eigenen Angaben der Patienten lenkt der Aufenthalt in den Bergen von negativen Gedanken ab und reduziert psychischen Stress. Sie fühlten sich selbstbewusster, zeigten weniger Angstsymptome und schliefen besser.
Dass generell ausreichend Bewegung die Nachtruhe verbessert, zeigt auch eine Untersuchung der Oregon State University an 2600 Personen. 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche sorgten für eine Steigerung der Schlafqualität um 65%. Zudem fühlten sich die Testpersonen tagsüber weniger müde und konnten sich länger konzentrieren.
Gut gerüstet
Geht´s bergauf, sind die richtige Kleidung und das passendes Schuhwerk das A und O. Wanderschuhe sollten gut sitzen, ein faltenfreier Sitz der Socken hilft dabei, Blasen und wunde Stellen am Fuß zu vermeiden. Wanderstöcke entlasten die Kniegelenke beim Bergabgehen. Egal ob es am Berg warm oder kühl ist, wind- und wasserabweisende Bekleidung, Shirts zum Wechseln, Handschuhe und eine leichte Kopfbedeckung sollten im Rucksack Platz haben. In die Wanderapotheke gehört neben Pflastern, elastischen Binden und Dreieckstüchern auch Sonnencreme. Denn speziell in höheren Lagen ist die UV-Strahlung stärker.
Als ideale Getränke fürs Wandern eigenen sich z. B. verdünnte Gemüse- oder Obstsäfte (Verhältnis 1:3), Mineralwasser, leicht gesüßte Tees, Molke- oder Sportgetränke. Zwischendurch spenden beispielweise Trockenfrüchte, Müsliriegel oder Bananen Energie. Weitere Tipps finden Sie im Ratgeber "Ready.Steady.Eat. - Essen und Trinken für Sportbegeisterte".
Literatur
Berufsverband Deutscher Internisten e.V. (BDI): Warum Wandern so gesund ist. Presseinformation 9/2014.
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.): Forschungsbericht: Grundlagenuntersuchung Freizeit- und Urlaubsmarkt Wandern. Europäisches Tourismus Institut an der Universität Trier GmbH (2010).
Berufsverband Deutscher Internisten e.V. (BDI): Wandern – ein ideales, ganzheitliches Fitnessprogramm für Senioren. Presseinformation 06/2016.
Christian-Doppler-Klinik Salzburg, Universitätsklinikum der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität: Übern Berg – Studie zur Suizidprävention am Universitätsklinikum Salzburg. Presseinformation 8/2012.
Gruber M: PRO MOTION: für Bewegung! ernährung heute 3, Seite 4-6 (2012).
Loprinzi PD, Cardinal BJ: Association between objectively-measured physical activity and sleep, NHANES 2005–2006. Mental Health and Physical Activity 4 (2): 65-69 (2012).
Schobersberger W et al.: Austrian Moderate Altitude Study 2000 (AMAS 2000). The effects of moderate altitude (1,700 m) on cardiovascular and metabolic variables in patients with metabolic syndrome. Eur J Appl Physiol. 88: 506-514 (2003).
Deutschen Herzstiftung e.V.: Endlich Frühling – Bei koronarer Herzkrankheit sind Wandern oder Radeln geeignet. Pressemitteilung 05/2011.