14.10.2020 von Elisabeth Sperr, MSc

Welternährungstag

Zeitgleich mit dem Tag des Brotes, findet jährlich am 16. Oktober der Welternährungstag statt. Er erinnert an die Gründung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) im Jahr 1945 und wird international dafür genutzt, um auf die weltweit hungernden Menschen aufmerksam zu machen. Denn der Hunger gehört auch im 21. Jahrhundert zum Alltag vieler Menschen und ist weltweit auf dem Vormarsch.

Im Jahr 2000 legten die Vereinten Nationen die Millennium Development Goals (MDGs) fest, die bis 2015 umgesetzt werden sollten. Zu den hauptsächlich auf Entwicklungsländer ausgelegten Zielen zählten unter anderem die Bekämpfung von extremer Armut und Hunger. Auch in den anschließenden für alle Mitgliedstaaten geltenden Sustainable Development Goals (SDGs) steht der Punkt „Zero Hunger“ nach „No Poverty“ an zweiter Stelle der insgesamt 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung bis 2030. Dem Global Food Report on Food Crises aus dem Jahr 2020 zufolge litten 2019 rund 135 Millionen Menschen in 55 analysierten Ländern unter akutem Hunger. Mit rund 54 % lebte mehr als die Hälfte der Betroffenen in Afrika, gefolgt von Asien (32 %) sowie Lateinamerika und der Karibik (14 %).

Wissenswert

Spricht man von Hunger, unterscheidet man chronischen und akuten Hunger. Chronischer Hunger liegt dann vor, wenn Menschen dauerhaft unterernährt sind. Dazu zählt auch verborgener Hunger, bei dem aufgrund von Essensmangel und einseitiger Ernährung wichtige Nährstoffe wie Eisen, Jod, Zink oder Vitamin A fehlen. Langfristig führt dieser Nährstoffmangel zu schweren Krankheiten und besonders Kinder können sich geistig und körperlich nicht richtig entwickeln. Akuter Hunger bezeichnet dagegen Unterernährung über einen begrenzten Zeitraum und ist die extremste Form von Hunger. Er tritt vor allem bei Naturkatastrophen, Kriegen oder Dürren auf und betrifft meist jene, die vorher schon an chronischem Hunger litten. Laut Welthungerhilfe sind knapp 8 % aller hungernden Menschen von akutem Hunger betroffen.

Ziel: Zero Hunger

Laut World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen hat einer von neun Menschen weltweit nicht genug zu essen. Hunger und Mangelernährung bedeuten dabei nicht nur Leid und gesundheitliche Probleme, sondern hemmen auch Fortschritte in anderen Bereichen wie Bildung und Arbeit. Im Rahmen des SDG-Ziels „Zero Hunger“ verfolgt das WFP die Absicht,

  • Hunger weltweit zu beenden,
  • Ernährung zu verbessern,
  • den Zugang zu Nahrungsmitteln und
  • deren Verfügbarkeit zu sichern und nachhaltige Landwirtschaft zu fördern.

Für seinen Einsatz und sein Engagement wurde das WFP 2020 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Der Welternährungstag soll auch auf die Erfolge hinweisen, die im Kampf gegen den Hunger in den vergangenen Jahren erzielt wurden. Denn seit dem Jahr 2000 hat sich die weltweite Hungersituation deutlich verbessert. Der Welthunger-Index (WHI) 2020 zeigt, dass die globale Hunger- und Unterernährungssituation mit einem Wert von 18,2 bei mäßig liegt, im Jahr 2000 lag der WHI-Wert noch bei 28,2. Für die Erhebung des Index wird die Situation in 132 Ländern ausgewertet, wobei für jene mit hohem Einkommensniveau und niedriger Hungerprävalenz kein WHI-Wert ermittelt wird. Besonders die Länder in Afrika südlich der Sahara und Südasien, die besonders von Hunger betroffen sind, erzielten die größten Verbesserungen.

Wissenswert

Der WHI wird seit 2006 jährlich veröffentlicht. Vier Indikatoren dienen als Basis für die Berechnungen:

- Anteil an Unterernährten in der Bevölkerung.
- Anteil an Kindern unter fünf Jahren, die an Auszehrung leiden.
- Anteil an Kindern unter fünf Jahren, die an Wachstumsverzögerungen leiden.
- Anteil an Kindern, die sterben, bevor sie das fünfte Lebensjahr erreicht haben..

Das Ziel, die Zahl der Hungernden weltweit bis 2030 auf null zu reduzieren, wird Abschätzungen zufolge dennoch nicht erreicht werden können. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie schlagen sich noch nicht in den Zahlen des WHI 2020 nieder, doch bereits seit 2015 steigt die Zahl an Hungernden aufgrund von extremen Klimaereignissen, bewaffneten Konflikten und Kriegen sowie konjunkturellen Rückgängen wieder an. Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19 und deren Folgen, könnten laut WFP die Anzahl der Menschen, die unter akutem Hunger leiden, sogar verdoppeln. So führen beispielsweise Schulschließungen dazu, dass viele Kinder keinen Zugang mehr zu regelmäßigen Mahlzeiten haben und verringerte Einkommensmöglichkeiten sowie lokal steigende Preise erschweren es, Lebensmittel zu kaufen. Die Herausforderung besteht darin, auf mehrere Krisen gleichzeitig zu reagieren. Denn Gesundheits-, Umwelt-, Wirtschafts- und Ernährungssicherheitskrisen gehen über weite Strecken Hand in Hand.

Bevölkerungswachstum, Klimawandel und Ressourcenverschwendung

Schätzungen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2019 zufolge soll die Weltbevölkerung bis 2050 auf 9,7 Mrd. Menschen angewachsen sein. Experten sind sich einig, dass sich in erster Linie die Landwirtschaft anpassen muss, um diesen Anforderungen auf Ernährungsebene gerecht zu werden. Die Anpassungen betreffen aber nicht nur die steigenden Bevölkerungszahlen, sondern auch die Veränderung des Klimas. Die Landwirtschaft muss widerstandsfähiger und produktiver werden, denn die Klimaveränderung trifft vor allem jene Bauern und Fischer, die schon jetzt von Hunger betroffen sind. Die FAO fordert deshalb, dass Ernährungssicherung und Landwirtschaft noch mehr in Klima-Aktionspläne aufgenommen werden. Dadurch soll unter anderem die landwirtschaftliche Entwicklung in ländlichen Regionen gestärkt werden. In diesem Zusammenhang sind auch nachhaltige Konzepte gefragt, denn ein weiterer kritischer Punkt ist die schwindende Artenvielfalt. Laut dem ersten Weltzustandsbericht zur biologischen Vielfalt ist die landwirtschaftliche Vielfalt seit Beginn des 20. Jahrhunderts weltweit um 75 % gesunken. Auch der Verlust von Ressourcen soll im Sinne der Hungerbekämpfung reduziert werden. Denn laut FAO werden jährlich rund 1,3 Mrd. t weltweit von allen Akteuren entlang der gesamten Wertschöpfungskette weggeworfen. Das Ziel, den Food Waste bis 2030 zu halbieren, ist auch in den SDGs der Vereinten Nationen verankert. Zu Food Waste zählen dieAbfälle im Verkauf, in der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung sowie in privaten Haushalten. Auch dieVerluste in der Landwirtschaft und Produktion (Food Loss)sollen bis 2030 reduziert werden.

Fakten zum weltweiten Hunger

  • 690 Millionen Menschen sind weltweit unterernährt.
  • Etwa alle 10 Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen einer mangelhaften Ernährung.
  • In 51 Ländern werden laut Welthungerindex (WHI) die Hungerwerte als sehr ernst oder ernst eingestuft.
  • Die Länder mit den höchsten Werten im Welthungerindex liegen südlich der Sahara und in Südasien. Dazu gehören unter anderem der Tschad, Timor-Leste und Madagaskar. Je höher der Index, desto größer die Hungersituation.
  • Am stärksten betroffen sind Länder, in denen Krieg und hohe Arbeitslosigkeit herrschen.
  • Die Folgen der Corona-Pandemie werden die globale Hungersituation Experten zufolge drastisch verschärfen.


Fazit

In den vergangenen 20 Jahren hat sich die globale Hunger- und Unterernährungssituation verbessert. Die aktuellen sich überschneidenden Krisen verstärken diese jedoch wieder und machen es unwahrscheinlich, dass der Hunger bis 2030 beendet werden kann. Um diese Herausforderung zu meistern und die Situation der Betroffenen nachhaltig zu verbessern, ist ein integrierter Ansatz für Gesundheit und Ernährungssicherheit erforderlich.

Literatur

Bélanger J, Pilling D: The State of the World’s Biodiversity for Food and Agriculture. FAO Commission on Genetic Resources for Food and Agriculture Assessments. FAO, Rom (2019).
Food and Agriculture Organziation of the United Nations (FAO): Sustainable Development Goals – Indicator 12.3.1 Global food loss and waste. www.fao.org (Zugriff: 09.10.2020).
Food Security Information Network: Global Report on Food Crises 2020. www.fsinplatform.org (Zugriff: 09.10.2020).
N.N: Kampf gegen Hunger – Friedensnobelpreis an WFP. www.orf.at (Zugriff: 09.10.2020).
UNICEF: Stop 10 seconds. www.unicef.de (Zugriff: 12.10.2020).
United Nations: Goal 2: Zero Hunger. www.un.org (Zugriff: 09.10.2020).
United Nations (Hrsg.): World Population Prospects 2019: Highlights. www.population.un.org (Zugriff: 12.10.2020).
United Nations World Food Programme: Zero Hunger. www.wfp.org (Zugriff: 12.10.2020).
United Nations World Food Programme: Über uns. www.wfp.org (Zugriff: 12.10.2020).
Welthungerhilfe: Hunger: Verbreitung, Ursachen & Folgen. www.welthungerhilfe.de (Zugriff: 09.10.2020).
Welthunger-Index (Hrsg.): Aktuelle Ergebnisse 2020. www.globalhungerindex.org (Zugriff: 12.10.2020).
World Health Organization (WHO): Millennium Development Goals (MDGs). www.who.int (Zugriff am 09.10.2020).

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