Wer glücklich ist, lebt länger?
Glücklichsein wird mit gesellschaftlichem Fortschritt verbunden und ist Ziel weltweiter öffentlicher Politik. Die Vereinten Nationen haben den 20. März zum Internationalen Tag des Glücks erklärt. Bhutan, Ecuador, Schottland, die Vereinigten Arabischen Emirate und Venezuela haben sogar einen eigenen „Minister of Happiness“ ernannt. Nationale Regierungen messen das subjektive Wohlbefinden und setzen auf Glücksforschung, um herauszufinden, wie den Menschen ein besseres und vor allem zufriedeneres Leben gelingt. Der World Happiness Report gibt ebenfalls Auskunft darüber, was Menschen glücklich oder unglücklich macht und wie sich das auf die Gesundheit auswirkt. 157 Länder haben Daten für den Bericht erhoben. Je 1000 Menschen aus diesen Ländern haben Angaben zu ihrer persönlichen Zufriedenheit gemacht. Die Fragen reichen von wahrgenommener Freiheit bis hin zum Vertrauen in den Staat und die Wirtschaft. Auf einer Skala von null bis zehn bewerteten die Menschen, wie glücklich und zufrieden sie sind. Die häufigste Antwort: fünf. Die glücklichsten Menschen leben in Dänemark, dicht gefolgt von der Schweiz, Island und Norwegen. Staaten, in denen politische Unruhe oder Krieg herrscht (z. B. Afghanistan oder Syrien), belegen die letzten Plätze.
Glücklich und gesund?
Persönliches Wohlbefinden und Gesundheit sind eng miteinander verknüpft. Im Körper wirkt sich positives Wohlbefinden mit niedrigen Kortisolwerten aus. Kortisol spielt eine Rolle beim Fettstoffwechsel sowie bei der Immunregulation. Man nimmt an, dass glückliche und zufriedene Menschen seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden und länger leben.
Im Umkehrschluss müssten unglückliche Menschen kürzer leben. Das ist aber nur bedingt der Fall, genauer gesagt, weiß man es nicht ganz sicher. Denn Unzufriedenheit könnte mit denjenigen Lebensstilfaktoren zusammenhängen, die auch für chronische Erkrankungen verantwortlich sind: Rauchen, erhöhter Alkoholkonsum, Übergewicht und wenig Bewegung.
Nun bringen Daten einer groß angelegten englischen Studie mit 720 000 Frauen etwas Licht ins Dunkel. Nach Berücksichtigung aller Einflussfaktoren wurde kein Zusammenhang zwischen Glücklichsein und einem längerem Leben, aber auch nicht zwischen Unglücklichsein und einem kürzeren Leben festgestellt. „Krankheit macht unglücklich, aber Unzufriedenheit macht nicht krank“, so die Studienautorin Bette Liu. Frauen, die bereits eine schlechte Gesundheit hatten, gaben eher an, unglücklich zu sein. Die Ergebnisse aus anderen Studien weichen zum Teil stark ab, denn immer wieder wird ein zufriedenes mit einem längeren Leben assoziiert.
So ergab eine Kohortenstudie aus Japan, dass Zufriedenheit und Sterblichkeit je nach Geschlecht unterschiedlich stark zusammenhängen. Ein glückliches Leben scheint bei Männern möglicherweise ein Schutzfaktor zu sein – sie starben seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Frauen. Männer und Frauen definieren Glücklichsein unterschiedlich, und das kann den beobachteten Zusammenhang erklären. Generell sind die stark voneinander abweichenden Ergebnisse vieler Studien darauf zurückzuführen, wie Zufriedenheit und Wohlbefinden gemessen werden, nämlich sehr subjektiv. Die persönlichen Angaben beruhen meist auf einem Skalenwert, der naturgemäß schwankt. Bette Liu betont, dass die persönliche Bewertung der Zufriedenheit der größte „Störfaktor“ bei Glücksstudien ist.
Relevant im Alter
Vor allem bei älteren Menschen sind persönliches Wohlbefinden und die gesundheitlichen Folgen relevant, da das Auftreten von chronischen Krankheiten mit dem Alter zunimmt. Bislang ist wenig untersucht, wie sich Zufriedenheit auf psychische Störungen oder kognitive Erkrankungen wie Demenz auswirkt. Man nimmt jedoch an, dass neben anderen Faktoren auch der Lebensstil einen Einfluss hat. Glückliche Menschen tendieren meist eher dazu, sich ausreichend zu bewegen und nicht zu rauchen. Diese Faktoren wirken ebenso auf die Demenzentwicklung. Deshalb ist es plausibel, dass glückliche Menschen seltener dement sind. Fest steht, dass es nicht nur darauf ankommt, wie zufrieden man im Alter ist, vielmehr muss eine längere Lebensspanne berücksichtigt werden. Vor allem kritische Entwicklungsphasen, wie sie in der Kindheit oder im Jugendalter auftreten, scheinen Einfluss sowohl auf die Entwicklung von Demenz als auch auf die generelle Gesundheit im Alter zu haben.
Unterm Strich
Mittlerweile weiß man, dass nicht nur Gesundheit zum Wohlbefinden beiträgt. Es ist ein Mix aus verschiedenen Faktoren: Die finanzielle Situation, soziale und familiäre Beziehungen sowie der soziale Stellenwert tragen dazu bei. Diese Faktoren ändern sich im Laufe des Lebens und beeinflussen dadurch ganz unterschiedlich die Zufriedenheit der Menschen. Es gibt Annahmen, aber es besteht kein sicherer Zusammenhang, dass glückliche Menschen länger leben.
Literatur
Barreto P, Rolland Y: Happiness and Unhappiness Have No Direct Effect On Mortality. The Lancet 387: 822–823 (2016).
Liu B et al.: Does Happiness Itself Directly Affect Mortality? The Prospective UK Million Women study. The Lancet 387: 874–881 (2016).
Helliwell, J., Layard, R., & Sachs, J. World Happiness Report 2017, New York: Sustainable Development Solutions Network (2017): www.worldhappiness.report (Zugriff am 17.5.2016).
Streptoe A, Deaton A, Stone A: Subjective Wellbeing, Health and Ageing. Lancet 385: 640–648 (2015).