09.06.2017 von Dr. Elisabeth Rudolph

Wunderstoff aus dem Hafer

Ob als Haferflocken im Müsli oder im Porridge: Hafermahlzeiten stehen hoch im Kurs. Diesen Hype haben sie einem ganz bestimmten Inhaltsstoff zu verdanken, dem Beta-Glucan. Es soll den Cholesterin- und Blutzuckerspiegel senken. Wir haben das Wunderding unter die Lupe genommen.

Bis ins 18. Jahrhundert war Hafer das Hauptnahrungsmittel der Nord- und Mitteleuropäer. Später, als die Kartoffel ihren Siegeszug antrat, geriet das Getreide in Vergessenheit. Der Brei aus Haferflocken und Wasser, der Habermus, verschwand vom Speiseplan. Erst seit einigen Jahren ist Hafer wieder – im wahrsten Sinne des Wortes – in aller Munde. Die Haferpflanze (Avena sativa) selbst ist widerstandsfähig und stellt geringe Ansprüche an den Ackerboden. Sie kann deshalb auch gut in der Fruchtfolge eingesetzt werden.

Wissenswert

Hafer unterscheidet sich von anderen Getreidearten durch seine Rispen. Diese umschließen das Korn und haben eine glockenähnliche Form. Einmal geerntet und zum Verkauf angeboten, halten sich Haferkörner luftdicht verpackt und an einem kühlen Ort bis zu einem Jahr. Haferkleie hält sich noch länger, Flocken sollten innerhalb weniger Wochen aufgebraucht werden.

Das Plus aus dem Korn

Hafer ist nicht zuletzt wegen seiner Inhaltsstoffe so beliebt. Er enthält neben Kohlenhydraten und Eiweiß, ungesättigte Fettsäuren, Vitamin B1, B6 und E, Eisen, Zink und lösliche Ballaststoffe - die Beta-Glucane. Es handelt sich hierbei um hochmolekulare und unverzweigte Polysaccharide, die in der Aleuronschicht zu finden sind. Das ist jene Schicht, die den Mehlkörper von der äußeren Schale trennt. Seit einigen Jahren stehen Beta-Glucane im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen.

Natürlicher Cholesterin- und Blutzuckersenker

Beta-Glucan senkt den Cholesterinspiegel, in dem es die de-novo-Synthese der Gallensäuren aus Cholesterin anregt. Das bedeutet, dass neue Gallensäuren gebildet werden. Dadurch zirkuliert weniger Cholesterin im Blut und der Cholesterinspiegel sinkt.
Der Einfluss auf den Blutzuckergehalt wird durch die Zusammensetzung des Nahrungsbreis im Magen und Darm erklärt. Denn, je zähflüssiger der Brei, desto langsamer entleert sich der Magen. Infolgedessen steigt der Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit mit Hafer nicht so hoch an. Das sorgt für einen stabilen Blutzuckertransport zu den Zellen. Ganz nebenbei bleibt man durch das hohe Quellvermögen der löslichen Ballaststoffe länger satt.
Für die Wirkung ist in erster Linie das Gewicht des Moleküls entscheidend: Je schwerer das Beta-Glucan-Molekül, desto besser die Wirkung. Deshalb spielt die Getreideart eine wichtige Rolle. Beta-Glucan ist vor allem in Hafer und Gerste enthalten. Dort macht es je etwa 4-5 % der Trockensubstanz aus. Aus Hafer wirkt es jedoch besser, weil das Molekül schwerer ist. Weizen enthält vergleichsweise wenig Beta-Glucan, nur ca. 0,8 % und Roggen etwa 2,3 %.

Darf es ein bisschen mehr sein?

Viel hilft viel. Das trifft in diesem Fall zu, deshalb darf man gerne zugreifen. Bereits 1997 hat die Food and Drug Administration (FDA) verlautbart, dass eine tägliche Aufnahme von 3 g Beta-Glucan aus Hafer die Menge an gesättigten Fettsäuren im Blut verringert und dadurch Herzerkrankungen seltener auftreten.
Laut Health Claims Verordnung dürfen Lebensmittel, die mindestens 1 g Hafer-Beta-Glucan pro Verzehrsportion enthalten, mit einem cholesterinsenkenden Effekt ausgelobt werden. Zusätzlich müssen sie den Hinweis enthalten, dass mindestens 3 g Hafer-Beta-Glucan erforderlich ist, um eine gewünschte Wirkung zu erreichen. Zur Orientierung: 1 g Beta-Glucan ist in 20 g Haferflocken enthalten. Um die täglich empfohlene Menge zu essen, braucht es ca. sechs Esslöffel Haferflocken

Frühstück mal anders

Hat das klassische Wiener Frühstück mit frischen Semmeln, Butter und Marmelade ausgedient? Food-Blogger schreiben immer häufiger über Haferbrei, man spricht sogar von „Oat cuisine“. Overnight oats z.B. ist ein Trend, der aus den USA kommt und in unseren Küchen Einzug hält. Hier werden Haferflocken über Nacht in Milch und Joghurt eingeweicht und dann am Morgen mit Obst verfeinert.
Auch die Backindustrie ist auf den Beta-Glucan-Zug aufgesprungen und tüftelt an Rezepten für das ideale Beta-Glucan-Brot. Bei der vergangenen ÖGE-Tagung am 1. Juni 2017 in Wien wurden von der HTL für Lebensmitteltechnologie in Wels konzipierte Beta-Glucan Weckerl zur Verkostung angeboten. Ob sie auf den Markt kommen werden, ist noch nicht sicher. Rezepte für die Brötchen finden sie jedoch hier.

Fazit

Hafer ist in aller Munde, nicht zuletzt wegen eines speziellen löslichen Ballaststoffes, dem Beta-Glucan. Nachweislich soll es den Cholesterin- und Blutzuckerspiegel ab einer bestimmten Menge, senken. Dazu gibt es auch eine gesundheitsbezogene Angabe. Interessanterweise wirkt Beta-Glucan aus Hafer am besten und das hat vor allem mit dem Gewicht des Stoffes zu tun.


Literatur

Amtsblatt der Europäischen Union: Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern. eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do (abgerufen am 7.6.2017)
In Balance mit Hafer: www.food-monitor.de/2017/03/in-balance-mit-hafer/?hilite=%22Hafer%22 (abgerufen am 6.6.2017)
Beta-Glucan aus Hafer: Ernährungs Umschau 4 (2016)
Verband der deutschen Getreideverarbeiter und Stärkehersteller VDGS e.V: Hafer, die Alleskörner. news 16/17

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