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Fastenkuren

Zeitweiliges Fasten ist seit Jahrhunderten in zahlreichen Religionen Teil der Lebensführung. Heute unterziehen sich jedoch viele dem freiwilligen Nahrungsverzicht mit dem Ziel, Gewicht zu verlieren. Als alleinige Maßnahme zur Gewichtsreduktion ist Fasten allerdings nicht geeignet, der berüchtigte JoJo-Effekt droht. Stellt der zeitlich begrenzte Nahrungsverzicht jedoch einen Bruch mit alten Gewohnheiten dar und geht schrittweise in ein neues, gesünderes Essverhalten über, kann er durchaus Sinn machen.

Fastenzeiten sind durch völligen oder teilweisen Verzicht auf bestimmte Lebens- oder Genussmittel gekennzeichnet. Alle Weltreligionen empfehlen Fastenzeiten, wobei der spirituelle Aspekt hier im Vordergrund steht. Bekannt ist etwa der islamische Fastenmonat Ramadan, wo zwischen Sonnenauf- und –untergang weder gegessen noch getrunken werden darf. Erst abends wird das Fasten – meist durch üppige Schlemmereien – gebrochen. Die Mönche des Mittelalters suchten nach einer Möglichkeit trotz des Nahrungsverzichts Energie aufzunehmen. Weil das Motto galt „liquidum non frangit“ – „Flüssiges bricht das Fasten nicht“ – entwickelten sie das Starkbier als Fastengetränk. Im Christentum wird vor der österlichen 40-tägigen Fastenzeit der Karneval gefeiert. Das Wort stammt u. a. von „carne vale“, also „Fleisch, lebe wohl“ ab. Und die deutsche Fastnacht bezieht sich auf die letzte Nacht vor der Fastenzeit.

 

Fasten als positives Verzichtserlebnis

Fastenzeiten sind typisch im Frühjahr, wo sie neben religiösen Aspekten als reinigend für Körper und Seele gelten. Entwicklungsgeschichtlich waren Menschen unfreiwillig immer wieder zu Nahrungspausen gezwungen, sei es in Kriegszeiten oder nach Ernteausfällen. Heute stellt Fasten kein Überbrücken von Mangelzeiten mehr dar, sondern ist für viele ein positives Verzichtserlebnis in der Überflussgesellschaft. In neuerer Zeit wird zusätzlich das therapeutische Fasten propagiert, das körperliche Leiden kurieren oder der Gewichtsreduktion dienen soll.

 

Bruch mit Gewohnheiten oder JoJo-Effekt?

Durch den Nahrungsverzicht kommt es beim Fasten zu einer stark reduzierten Kalorienzufuhr und mit der Zeit zum Gewichtsverlust. Für manche Menschen kann Fasten durch den Bruch mit alten Gewohnheiten durchaus der Einstieg in eine gesündere Lebensführung sein. Ist Fasten jedoch die alleinige Maßnahme zur Gewichtsreduktion, wird diese von kurzer Dauer sein und den berühmten JoJo-Effekt hervorrufen.

 

Was passiert beim Fasten im Körper?

Durch den Nahrungsmangel schaltet der Körper auf „Sparflamme“ und reduziert seinen Energieverbrauch, um die Energievorräte zu schonen. Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur sinken, einen Extremfall stellt der Winterschlaf im Tierreich dar. Der sinkende Blutzuckerspiegel führt dazu, dass weniger Insulin und vermehrt Stresshormone wie Glucagon und Adrenalin ausgeschüttet werden. Dadurch werden aus dem Fettgewebe vermehrt Fettsäuren freigesetzt, die Muskeln zu einem kleinen Teil als Energiequelle nutzen können. 

 

Anfängliche Gewichtsabnahme durch Wasserverlust

Zunächst zapft der Körper aber seine kurzfristigen Energiereserven an. Das sind v. a. die Kohlenhydratspeicher in Leber, Nieren und Muskulatur. Das Leberglykogen wird zu Glukose abgebaut und hält den Blutzuckerspiegel aufrecht. Das ist wichtig, weil Hirnzellen und rote Blutkörperchen auf Glukose als Energielieferant angewiesen sind. Erst nach einigen Tagen kann das Gehirn nicht nur Glukose sondern auch Fettabbauprodukte, die sogenannten Ketonkörper, nutzen. Nach ein, zwei Tagen sind die Kohlenhydratspeicher aufgebraucht. Beim Abbau von Glykogen in der Leber wird gleichzeitig Wasser freigesetzt. Daher ist in den ersten Fastentagen der Harnfluss erhöht, und der anfänglich rasche Gewichtsverlust daher nicht auf den Fettabbau sondern auf Wasserausscheidung zurückzuführen. 

 

Muskeleiweiß wird abgebaut

Sind die schnell mobilisierbaren Kohlenhydratreserven aufgebraucht, greift der Körper auf seine Eiweißvorräte zurück. Aus Aminosäuren, den Proteinbausteinen, kann der Körper Glukose neu bilden. Diese steht v. a. Nervenzellen zur Verfügung. Etwa 50–70 g Protein pro Tag, die in erster Linie aus Muskelgewebe stammen, gehen auf diese Weise verloren. Es kommt zum Muskelabbau und mit der Zeit kann auch das Immunsystem geschwächt werden. Durch den Abbau von Proteinen steigen im Blut die Ammoniak- und Harnsäurewerte an. Aus dem gesteigerten Zellabbau können sich Nukleinsäuren in Gelenken ablagern und einen Gichtanfall auslösen. Erst nach etwa zwei Wochen wird der Eiweißabbau zum Schutz der Organe reduziert.

 

Woher kommt das Fastenhoch?

Seine Fettreserven greift der Körper erst nach einigen Tagen an. Weil Fettsäuren nicht in Glukose umgewandelt werden können, werden sie zu Ketonkörpern wie Acetoaetat und Betahydroxybuttersäure abgebaut. Diese verursachen den typischen Atem- und Körpergeruch von Fastenden. Angenehmer Nebeneffekt: Ketonkörper können Hungergefühle dämpfen. Dies sowie die Ausschüttung der Stresshormone sind wahrscheinlich für das sogenannte „Fastenhoch“, ein euphorisches Gefühl der Leichtigkeit, nach einigen Tagen verantwortlich. Während anfangs die Hungergefühle noch sehr stark sind, verschwinden sie nach einigen Tagen.

 

Mit Fasten einer „Übersäuerung“ entgegenwirken?

Zahlreiche Fastenkuren argumentieren den Nahrungsverzicht damit, dass dadurch „Schlacken“ aus dem Körper ausgeleitet und einer Übersäuerung entgegengewirkt werden. Der Begriff „Schlacken“ wird in der Regel nicht näher definiert. Naturwissenschaftlich gibt es allerdings keinen Beleg für „Schlacken“. Ausscheidungsorgane wie Darm, Leber, Niere, Haut und Lunge scheiden Abbauprodukte des Stoffwechsels laufend über Kot, Harn und Atemluft aus. Einläufe zur Darmreinigung sind bei gesunden Menschen nicht notwendig, da sich im Darm keine Kotrückstände ablagern. (Ausnahme sind Personen, die unter Divertikel, krankhaften Darmausstülpungen, leiden). 
Bei üblicher, gemischter Kost ist zudem eine gesundheitsschädliche Übersäuerung bei Gesunden nicht zu befürchten. Die Puffersysteme im menschlichen Körper sind so ausgelegt, dass sie den Säure-Basen-Spiegel im Organismus konstant halten. 

 

Bewegung als integraler Bestandteil

Wichtig ist, dass Fastenkuren richtig und nach Möglichkeit fachlich begleitet durchgeführt werden. Körperliche Bewegung sollte ein wesentliches Element dieser Maßnahme sein, um den Muskelabbau hintanzuhalten. Darüber hinaus verbessert Bewegung die Stimmung, kann das Immunsystem stärken, von Hungergefühlen ablenken und hält den Kreislauf in Schwung.

 

Mögliche Nebenwirkungen des Fastens:

  • Unterversorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen
  • niedriger Blutdruck
  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Müdigkeit
  • Schwindelgefühl
  • verminderte Konzentrationsfähigkeit
  • erhöhtes Kälteempfinden
  • trockene Haut
  • Haarausfall
  • Menstruationsstörungen
  • Mundgeruch

 

 

Kontraindikationen des Fastens:

  • psychische Störungen
  • hämolytische Anämien (Blutarmut)
  • insulinpflichtiger Diabetes
  • Nieren- und Nebenniereninsuffizienz
  • Leberfunktionsstörungen
  • Herzinsuffizienz
  • Krebserkrankungen
  • erhöhter Harnspiegel bzw. Gicht
  • Schwangerschaft und Stillzeit
  • Kinder und Jugendliche
  • Personen über 65 Jahre mit altersbedingten Erkrankungen

 

PLUS

• kann ein Impuls zur nachfolgenden Änderung des Lebensstils sein

• Geschmackssinne werden geschärft

 

MINUS

• als alleinige Maßnahme zur Gewichtsreduktion nicht nachhaltig – JoJo-Effekt droht

• Bei körperlich inaktiven Personen kann es, besonders in der Anfangsphase, zu vermehrtem
   Abbau von Muskeleiweiß kommen.

• Bei Menschen mit erhöhtem Harnsäurespiegel kann ein akuter Gichtanfall ausgelöst
   werden.

• eingeschränkte Leistungsfähigkeit in der Anfangsphase 

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