15.11.2013

E-Nummern: Zugesetzt oder abgesetzt?

forum. ernährung heute im Dialog über Zusatzstoffe im Essen

Von Aspartam bis zu Farbstoffen - Zusatzstoffe in Lebensmitteln stehen in den Medien regelmäßig im Fokus der Kritik. In der Folge lassen sich ernährungsbewusste Konsumenten von E-Nummern auf der Zutatenliste verunsichern. Was verbirgt sich hinter diesen Abkürzungen? Wer braucht Lebensmittelzusatzstoffe, wenn sie angeblich keiner will, und ist ihr Konsum unbedenklich?

Aktuell lud das forum. ernährung heute zum Faktencheck rund um E-Nummern. Experten aus den Bereichen Kommunikation, Wissenschaft und Lebensmitteltechnologie sprachen über Wahrnehmung, Notwendigkeit und Sicherheit von Lebensmittelzusatzstoffen. Was viele nicht wissen: Als Zusatzstoffe bezeichnete Inhaltsstoffe kommen von Natur aus in vielen Lebensmitteln vor, wie im Apfel oder der Tomate, und wirken sich positiv auf deren Qualität aus. In der Produktion verwendete Zusatzstoffe werden hingegen streng geprüft. Sie bilden jene Stoffgruppe, deren toxikologisches Potenzial für Menschen am intensivsten überprüft wird, und sie sind unbedenklich. Dennoch bewirken kritische Medien und Konsumenten ein gewisses Umdenken bei den Lebensmittelherstellern: Der Trend geht in Richtung Clean-Labeling und „weniger ist mehr".

E wie Expertise

„Essen ist heute eine komplexe Angelegenheit und Medien tragen nur in geringem Ausmaß zur Aufklärung von Konsumenten bei. Aus Platzgründen liegt der Fokus der Berichterstattung meist auf Informationen anlässlich von Lebensmittelskandalen oder kritisierten Inhaltsstoffen wie Geschmacksverstärkern oder Farbstoffen. Bei aller Seriosität und Objektivität, den Durchblick in Sachen Ernährung können Medien der Leserschaft nicht bieten", stellte Karin Pollack, Medizinjournalistin bei Der Standard, in den Raum. Eine Karmasin-Umfrage aus 2012 bestätigt die Skepsis bei Zusatzstoffen: Etwa zwei Drittel der Konsumenten sehen deren Einsatz kritisch.

Doch E-Nummern geraten ohne guten Grund in die Schlagzeilen: „Egal ob Zusatzstoffe aus dem Labor stammen oder natürlicher Herkunft sind, alle werden nach strengsten Sicherheitskriterien geprüft und stellen kein Risiko für den Menschen dar", sagte Jürgen König vom Department für Ernährungswissenschaften an der Universität Wien.

E-Nummern - mit Sicherheit geprüft

Die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, definiert für jeden Zusatzstoff den sogenannten ADI-Wert (Acceptable Daily Intake) - also jene Dosis, die bei täglicher und hoher Aufnahme für Menschen völlig unbedenklich ist. Ein Beispiel: Für den viel kritisierten und am meisten untersuchten Süßstoff Aspartam (E951) wurde ein ADI-Wert von täglich 40 mg/kg Körpergewicht festgelegt. Ein 60 kg schwerer Mensch kann demnach ein Leben lang pro Tag 2,4 Gramm Aspartam zu sich nehmen, ohne den Grenzwert zu überschreiten. Das entspricht einem Konsum von rund zwölf Dosen eines Light-Getränks à 0,33 Liter. Einzig Menschen mit der sehr seltenen Stoffwechselerkrankung Phenylketonurie (PKU) müssen darauf achten, kein Aspartam aufzunehmen. Denn das Süßungsmittel wird im Körper zur Aminosäure Phenylalanin abgebaut, die aufgrund der Erkrankung zu gesundheitlichen Schäden führt.

Weniger ist mehr?

Notwendig sind Zusatzstoffe vor allem aufgrund des modernen Lebensstils. „Wir leben in einem Convenience-Zeitalter und stellen hohe Ansprüche an Lebensmittel: Immer seltener wird selbst gekocht. Viele konsumieren mehrmals täglich teilverarbeitete Lebensmittel, Getränke sowie Fertiggerichte", erklärte Emmerich Berghofer, Lebensmitteltechnologe an der Universität für Bodenkultur Wien. Diese sollen frisch und gleichzeitig lange haltbar sein. Sie sollen geschmackvoll und häufig fettreduziert sein. Von cremig bis knusprig, bestimmt darüber hinaus der Gaumen, welche Textur unser Essen idealerweise haben sollte und ob wir ein Produkt kaufen.

„Wir müssen also realistisch bleiben. Bei allem Wunsch nach mehr Natürlichkeit, Konsumerwartungen wie diese können nicht ganz ohne Zusatzstoffe erfüllt werden", so Berghofer. Auch würde sich bei Weglassen von beispielsweise Pökelsalz (Nitrit) in der Wurstproduktion das gesundheitliche Risiko für die Entwicklung des Botulismus-Bakteriums Clostridium Botulinum erhöhen. Im Falle einer Aufnahme dieses hochgefährlichen Keims kommt es im Spätstadium zur Lähmung der Herz- und Atemmuskulatur. 

Wer hingegen mehrmals in der Woche frische Zutaten einkauft und alle Speisen selbst von Grund auf zubereitet, fischt in einem Angebotssegment mit weniger E-Nummern. Dazu müsste außerdem verstärkt auf verarbeitete Produkte mit langer Haltbarkeit, stabiler Konsistenz und gleichbleibendem Geschmack bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum verzichtet werden. Laut Berghofer können die Hersteller auf bestimmte Zusatzstoffe verzichten: „Weniger ist mehr heißt allerdings auch, dass Produkte durch innovative Verfahren und den Einsatz natürlicher Stoffe teurer werden." Gute Akzeptanz gibt es dafür bereits bei Biokonsumenten mit höherem Einkommen. Für alle Käufergruppen ist der gänzliche Verzicht auf Zusatzstoffe jedoch aus vielerlei Gründen keine Alternative.

„Ohne Zusatzstoffe" verändern sich also nicht nur die Haltbarkeit, Stabilität und Textur des Essens, sondern auch die Herstellung von Produkten. „Auf den Trend in Richtung Clean-Labeling, also dem Vermeiden und Reduzieren von E-Nummern, reagiert die Lebensmittelproduktion heute zunehmend mit neuen Verfahren", stellte Andreas Kadi von SRAConsulting fest. „So werden Konservierungsmittel durch aseptische Abfüllanlagen bei Getränken oder intelligente Verpackungen mit Sauerstofffängern reduziert." Häufig bieten auch natürliche Zutaten - wie Essig, Gewürzextrakte mit antioxidativer Wirkung, Hefe oder Frucht- und Gemüsesaftkonzentrate - Ersatz für Zusatzstoffe.

Ein Apfel voller Zusatzstoffe

Pflanzliche Lebensmittel enthalten übrigens reichlich Inhaltstoffe, die bei verarbeiteten Produkten auf der Zutatenliste deklariert werden müssen: „Im Apfel stecken beispielsweise zwölf verschiedene ‚Zusatzstoffe‘ - wie Ascorbinsäure (E300), die in der Lebensmittelherstellung als Antioxidationsmittel eingesetzt wird oder Pektin (E440), ein gängiges Verdickungsmittel in Marmelade. Auch Glutamat kommt natürlicherweise in hohen Mengen in Parmesan, Tomaten oder Schinken vor", so Kadi. Das ist unter anderem ein Grund, weswegen die italienische Küche als sehr schmackhaft wahrgenommen wird. Und zu guter Letzt, auch Muttermilch enthält von Natur aus Glutamat.

Wissen über Zusatzstoffe bzw. E-Nummern

„E" steht für Europa. Der Nummerncode bedeutet, dass jeder Zusatzstoff einen langen Zulassungsprozess hinter sich hat. Geregelt sind E-Nummern in der EU-Verordnung 1333/2008. Laut Definition dürfen Lebensmittelzusatzstoffe nur dann zugelassen werden, wenn

  • sie technologisch notwendig sind,
  • den Verbraucher nicht täuschen und
  • gesundheitlich unbedenklich sind.

Heute sind 324 Zusatzstoffe in der EU zugelassen, nur 34 % davon sind künstliche Stoffe. In Bio-Lebensmitteln sind hingegen nur 50 E-Nummern erlaubt.

Zu den Lebensmittelzusatzstoffen zählen:

Süßungsmittel, Farbstoffe, Konservierungsstoffe, Antioxidationsmittel, Trägerstoffe, Säuerungsmittel, Säureregulatoren, Trennmittel, Schaumverhüter, Füllstoffe, Emulgatoren, Schmelzsalze, Festigungsmittel, Geschmacksverstärker, Schaummittel, Geliermittel, Überzugsmittel einschließlich Gleitmittel, Feuchthaltemittel, Modifizierte Stärke, Packgase, Treibgase, Backtriebmittel, Komplexbildern, Stabilisatoren, Verdickungsmittel und Mehlbehandlungsmittel.

Die Bildergalerie vom f.eh im Dialog sowie die Präsentationen finden Sie online.

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