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f.eh im Dialog: Ernährungs- und Verbraucherbildung in Schulen ausbauen
Durch die zunehmenden Herausforderungen und die steigende Komplexität insbesondere auch im Ernährungssystem wird die Ernährungsbildung zum Gebot der Stunde. Dabei sollte neben explizitem auch implizites Wissen vermittelt werden, also Handlungserfahrungen und die Möglichkeit der kritischen Auseinandersetzung und Reflexion. Das forum. ernährung heute (f.eh) setzt sich daher für eine Ernährungsbildung in den Schulen ein und hat im Rahmen der Reihe „f.eh im Dialog“ zum Thema „Wissen is(s)t Macht: Ernährungskompetenz in D-A-CH“ einen Blick auf den Status quo geworfen und mögliche Handlungsansätze diskutiert. Kirsten Schlegel-Matthies (Universität Paderborn), Rim Abu Zahra-Ecker (PH Oberösterreich) und Susanna Holliger (PH Bern) gaben dabei einen Einblick in Herausforderungen und Chancen der Ernährungsbildung im DACH-Raum. Danach diskutierten Elisabeth Hauer-Banas (Universität Wien) und Johanna Michenthaler (Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik) zum Thema „Vom Wissen zum Tun“ Lösungen für eine bessere Ernährungsbildung. Die Ernährungswissenschaftlerin und Geschäftsführerin des forum. ernährung heute (f.eh), Marlies Gruber, präsentierte die Ergebnisse einer aktuellen f.eh-Umfrage zum Ernährungswissen in Österreich.
„Es fehlt bei vielen Ernährungsthemen an Allgemeinbildung sowie der notwendigen Ernährungskompetenz. Dabei ist Wissen ein wichtiger Mediator für Ernährungshandeln“, betonte Marlies Gruber. Doch die Umfrage zeigt, dass es mitunter an der Basis mangelt. So wissen 70 Prozent der Menschen nicht, dass Fett am meisten Kalorien hat, etwa doppelt so viel wie Zucker. Die Ernährungsempfehlungen bei Obst und Gemüse mit fünf und mehr Portionen pro Tag kennen nur 21 Prozent und den Nutzen von Ballaststoffen für das Halten des Körpergewichts 52 Prozent.
Ernährungsbildung geht über das Wissen aber ohnehin hinaus: „Lernen im Lernfeld Ernährung und Konsum ist einer Werteentwicklung in der Gesellschaft verpflichtet, die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Gesundheit und Nachhaltigkeit und der damit verbundenen Verantwortung jedes Einzelnen thematisiert. Künftige Herausforderungen des Ernährungsalltags sollen kompetent und reflektiert bewältigt werden können. Der Pflichtgegenstand „Ernährung und Haushalt“ leistet zudem einen wesentlichen Beitrag zur Allgemeinbildung“, betonte Abu Zahra-Ecker. „Ernährungsbildung ist ein unverzichtbarer Bestandteil einer zeitgemäßen, zukunftsweisenden Grundbildung für alle 10- bis 14-Jährigen. Insofern ist es unverständlich, dass trotz der hohen Bedeutung der Lerninhalte nur eine Pflichtstunde im gesamten Stundenkontingent der Pflichtschule zugestanden wird.“
In den österreichischen Grundschulen werden Inhalte aus der Ernährungs- und Verbraucherbildung im Sachunterricht über die Erfahrungs- und Lernbereiche Gemeinschaft, Natur und Wirtschaft aufgegriffen. An der AHS-Unterstufe sind „Ernährung und Haushalt“ nicht als Pflichtgegenstand vorgesehen. Es kann zwar die unverbindliche Übung Ernährung angeboten werden, aber das scheitert praktisch an der fehlenden Ausstattung der Gymnasien mit Schulküchen. In den Mittelschulen sind Ernährung und Haushalt wiederum ein Pflichtfach mit einer Wochenstunde, das derzeit noch autonom erweitert werden kann.
Deutschland: Ernährung als Wahlpflichtfach
In den allgemein-bildenden Schulen der deutschen Bundesländer ist Ernährungsbildung in der Regel im Wahlpflichtbereich angesiedelt. Fachdidaktische Konzepte wie die Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung in allgemein-bildenden Schulen (REVIS) sind in den Bildungsplänen entweder nicht oder fehlerhaft enthalten, obwohl sie im Rahmen der Umstellung auf kompetenzorientierte Lehrpläne als Grundlage für die Lehrplanentwicklung in den Bundesländern definiert wurden. „Ich wünsche mir, dass wir in zehn Jahren eine Ernährungs- und Verbraucherbildung von der Volksschule bis zum Gymnasium mit einem kompetenzorientierten Lehrplan verankert haben. Das soll es den Schülern ermöglichen, eigenständige Meinungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten für die alltägliche Lebensführung zu erwerben“, so Schlegel-Matthies.
Schweiz mit schlüssigem Gesamtkonzept
Mit der Einführung des Deutschschweizer Lehrplans 21 (D-LP21) für die Volksschule erfährt die hauswirtschaftliche Bildung eine Neuakzentuierung und wird durch das REVIS-Curriculum maßgeblich mitbestimmt. Fachliche und überfachliche Kompetenzen in Ernährung und Konsum werden über alle Schuljahre inkl. Kindergarten kumulativ aufgebaut. „Mit kompetenzfördernden Aufgabensets durchlaufen Lernende einen Verstehens-orientierten Lernprozess und entwickeln Kompetenzen. Ernährungsbildung zielt darauf ab, Menschen zu einer eigenständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung zu befähigen, indem die eigene Ernährung politisch mündig, sozial verträglich und demokratisch teilhabend unter den komplexen gesellschaftlichen Bedingungen gestaltet wird“, so Holliger.
Diskussion: Vom Wissen zum Tun kommen
In der anschließenden Diskussion im Rahmen der Veranstaltung „f.eh im Dialog“ diskutierten die Expertinnen notwendige Maßnahmen, um eine umfassende Ernährungsbildung etablieren zu können. Sie verwiesen dazu auch auf den Referenzrahmen für die Ernährungs- und Verbraucherbildung in Österreich, der folgende fachspezifische Kernkompetenzen konkretisiert: die Fähigkeit und Bereitschaft, Essverhalten zu reflektieren, sich (und andere) bedarfsgerecht (vollwertig) zu ernähren, eine empfehlenswerte Lebensmittelauswahl zu treffen, Nahrung qualitätssichernd zuzubereiten und den Essalltag gesundheitsförderlich und nachhaltig zu gestalten. Dabei sind die Orientierungen „Gesundheit“ und „Nachhaltigkeit“ von großer Bedeutung.
„Mit dem Begriff Ernährungspraxis werden alle Handlungen zusammengefasst, die der Befriedigung des Bedürfnisses „Ernähren“ dienen. Daraus ausgewählte Problemstellungen sollen vom Fachunterricht Ernährung aufgegriffen und im Unterricht thematisiert werden, denn Basiswissen im Bereich Ernährung wird immer seltener zuhause vermittelt, da die Essenszubereitung zunehmend ausgelagert wird. Die Corona-Krise hat dabei die Bildungsschwachpunkte offengelegt, die nun in Schwerpunkte umgewandelt werden sollten. Dazu braucht es jedoch kompetente Fachreferenten, die wissenschaftlich fundiert Wissen vermitteln. Die Inhalte müssen zudem didaktisch reduziert werden können, um sie in den Schulen auch praktisch einsetzen zu können“, betonte Michenthaler.
Hauer-Banas wiederum verwies auf die gesellschaftlichen Anforderungen, die in der Praxis endlich auch umgesetzt werden sollten: „Es gibt eine etwas schizophrene Einstellung in unserer Gesellschaft. Obwohl wir theoretisch wissen, wie wichtig Ernährung ist, wird das Thema in der Praxis oft in den Privatbereich gestellt. So wurde Ernährung in den österreichischen Schulen auf eine einzige Stunde im Mittelschulbereich gekürzt. Um die wichtigen Ziele umzusetzen, wäre eine Stundenanzahl von mindestens zwei Stunden in der Schullaufbahn für den gesamten Sekundarstufenbereich erforderlich.“ Sie wünscht sich dazu eine breite Allianz unterschiedlicher Stakeholder.