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Für nachhaltiges Ernährungssystem das große Ganze sehen
Die EU-Kommission will den Kontinent bis 2050 klimaneutral machen und hat Ende Dezember 2019 mit dem Green Deal eine nachhaltige Wachstumsstrategie präsentiert. Die „Farm to Fork“- Strategie und die geplanten Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität wirken sich dabei direkt auf das Lebensmittelsystem aus. Im Fokus sind aber auch Verpackungen, die EU-weit bis 2030 zu 100 % wirtschaftlich recycelt werden sollen. Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Ernährungssystem fehlen allerdings noch einige Bausteine sowie ein ganzheitlicher Blick, wie Experten in der aktuellen Ausgabe von ernährung heute, dem Magazin des forum. ernährung heute (f.eh), betonen. Sie fordern neben einer umfassenden Information der Konsumenten ein gleichzeitiges und gleichberechtigtes Adressieren ökologischer, sozialer, ökonomischer, gesundheitlicher und kultureller Aspekte.
Die EU-Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, das Ernährungssystem fairer, gesünder und umweltfreundlicher zu gestalten. Dabei umfasst ein Lebensmittelsystem entsprechend der Definition der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) „sämtliche Akteure und ihre ineinandergreifenden wertschöpfenden Aktivitäten, die an der Herstellung, der Aggregation, der Verarbeitung, dem Vertrieb, dem Verbrauch und der Entsorgung von Lebensmitteln sowie Teile ihrer breiteren wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und natürlichen Umwelt“. Für den Wandel des Systems kommt daher eine Vielzahl an politischen Maßnahmen zum Einsatz.
Ein solcher Policy-Mix sei eine große Bereicherung für Europa und eine wichtige Vorgabe für die Mitgliedstaaten, betont Ursula Trübswasser im Interview mit ernährung heute. Sie ist Erstautorin des Berichts „Nachhaltige Ernährungspolitik in Österreich – Analyse von politischen Dokumenten im Hinblick auf Aktivitäten zur Förderung von nachhaltiger Ernährung“, den Wissenschafterinnen der FH St. Pölten erstellt haben. Aber nicht nur in Österreich, sondern auch bei den EU-Initiativen fehlt Trübswasser für eine Transformation des Ernährungssystems die systemische Herangehensweise, die Synergien ermöglicht und Zielkonflikte lösen kann. Ein Beispiel dafür sind zu geringe Förderungen für einen vermehrten Verzehr von Gemüse und Obst sowie für einen schrittweisen verringerten Konsum von Fleisch und Fleischwaren. Beides wird bisher noch zu sehr auf gesundheitliche Effekte bezogen, nicht jedoch auf Umweltaspekte.
In punkto Ökologie werden Regionalität und Saisonalität dagegen häufig ins Treffen geführt. Dabei wiegen die Emissionen von Energie und Transport weniger als die grundlegende Frage, ob man sich für ein tierisches oder pflanzliches Lebensmittel entscheidet. Eine Reduktion sowohl bei der Produktion als auch beim Konsum von Fleisch und Fleischwaren würde sich auf die Verringerung der Emissionen stärker auswirken. Eine umfassende Ernährungs- und Verbraucherbildung sowie Information der Konsumenten sind wichtig, aber eben nur ein Baustein. Kulturelle Determinanten, soziale Normen und sozioökonomische Faktoren sind ebenfalls noch vermehrt zu berücksichtigen.
Auch ein Blick auf die Verpackung von Lebensmitteln lohnt sich. Ein zentraler Aspekt, um Verpackungen nachhaltiger zu gestalten, ist deren Reduzierung. Bis 2040 soll Verpackungsmüll im Vergleich zu 2018 schrittweise um mindestens 15 % reduziert werden. In der Regel sind Mehrweggebinde, die nur über kurze Distanzen transportiert werden und hohe Umlaufzahlen schaffen, ökologisch am günstigsten. PET-Mehrweg vereint die Vorteile einer Leichtverpackung mit dem positiven Aspekt des Mehrwegsystems, das 80–90 % weniger Plastikabfall und Materialverbrauch als PET-Einwegflaschen verursacht. Glas-Mehrweg wird wegen des höheren Gewichts mit zunehmendem Transportweg ungünstiger eingestuft. Getränkedosen aus Aluminium haben ein geringes Transportgewicht, lassen sich besser stapeln als Flaschen und können relativ energiesparend vollständig recycelt werden. Verbundmaterialien (z. B. mit Kunststoff beschichteter Karton) sind leicht und transportfreundlich, das Recycling ist jedoch aufwändig und ineffizient.
Weitere Themen im Heft:
- Ziele und Aufgaben der Servicestelle für nachhaltige Lebensmittel- und Ernährungssysteme, die in der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) angesiedelt ist und die interministerielle Zusammenarbeit unterstützt.
- Das Tiroler Projekt KIDchen zeigt anhand des Leitfadens kinder.kulinarik.weg.tirol den Weg zu einer gesundheitsförderlichen, g‘schmackigen und gemeinsamen Esskultur.
- Neophobie bezeichnet die Ablehnung unbekannter Lebensmittel. So lehnen Kinder beispielsweise häufig Gemüse ab. Warum das so ist und wieso die Neophobie in der Stadt geringer ausgeprägt ist als am Land, erklärt die Ernährungswissenschafterin und Sensorikerin Eva Derndorfer.
- Sie stellt zudem Leinsamen als Alternative zu Chiasamen als heimisches „Superfood“ vor, das von einer der ältesten Kulturpflanzen der Welt stammt.