23.11.2021

Gute Fisch-Wahl: heimisch oder aus nachhaltigem Fang

f.eh live im Talk: Univ.-Prof. Dr. Gerhard Herndl und Mag. Axel Hein raten, sich vor dem Fischkauf zu informieren und auf Gütesiegel zu achten. Sie sprechen sich für einen differenzierten Diskurs und dafür aus, Meeresschutzgebiete weltweit deutlich auszubauen.

90 Kilogramm in Island, 8 Kilogramm in Österreich – der jährliche Pro-Kopf-Fischkonsum schwankt weltweit enorm. Da Österreich als Binnenland jedoch 95 % des gegessenen Fisches importiert, stellt sich zunehmend die Frage nach der Nachhaltigkeit des Fischkonsums. Im Gespräch mit Elisabeth Sperr, MSc., wissenschaftliche Mitarbeiterin beim forum. ernährung heute (f.eh), warnen Univ.-Prof. Dr. Gerhard Herndl von der Universität Wien und Mag. Axel Hein vom WWF Österreich vor Schwarz-Weiß-Denken: Während Fisch aus heimischer Produktion in der Regel mit gutem Gewissen gegessen werden kann, gibt es bei marinem Fang und Aquakulturen zahlreiche Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Sie sprechen zudem über gesundheitliche Effekte des Fischkonsums, Gütesiegel und Wünsche für die Zukunft. Die Veranstaltung kann auf der Seite www.forum-ernaehrung.at/live-im-talk nachgesehen werden.

Internationale Ernährungsgesellschaften empfehlen ein bis zwei Portionen Fisch pro Woche. Er ist eine wertvolle Eiweißquelle und hat einen hohen Gehalt an den Vitaminen B12 und D sowie Mineralstoffen wie Jod und Selen. Auch ungesättigte Fettsäuren wie Omega-3 sind in ihm enthalten. Den positiven gesundheitlichen Eigenschaften steht aber die Frage der Nachhaltigkeit des Fischkonsums gegenüber: So sind bereits 90 % der essbaren Fischbestände im Mittelmeer überfischt. Größtenteils landen nämlich Raubfische auf den Tellern, die an der Spitze der Nahrungskette stehen und kleinere Bestände haben. Beliebte Speisefische wie der Thunfisch oder Kabeljau sind daher zum Teil bereits bedroht. Das Meer könnte künftig dennoch besser genutzt werden, um den Proteinbedarf für die zehn Milliarden Menschen im Jahr 2050 zu decken. Dafür müssten mehr Muscheln, die ebenfalls sehr eiweißreich sind und geschmacklich punkten, sowie mehr Fisch von der Basis der Nahrungskette konsumiert werden. Sogenannte Friedfische, die sich pflanzlich ernähren, erfüllen jedoch selten unsere geschmacklichen Anforderungen.

Weitere potenziell kritische Aspekte sind die Herkunft, ob der Fisch aus Wildfang, einer Aquakultur oder gezüchtet ist, sowie die Fangmethode. Bodenschleppnetze können etwa den Meeresboden aufkratzen und die Biodiversität nachhaltig schädigen. Zudem haben sie viel Beifang. Hier betont Axel Hein jedoch, dass verbesserte Netze entwickelt werden, die etwa Sortier- und Fluchtgitter bieten. Auch bei den Langleinen, die insgesamt nachhaltiger sind, kann der Beifang v. a. von Haien und Schildkröten durch Rundhaken minimiert werden. Unter anderem mit diesen Maßnahmen will man den Beifang, der aktuell ein Viertel des weltweit gefangenen Fisches ausmacht, langfristig deutlich reduzieren.

Braucht differenzierten Diskurs

In der Nachhaltigkeitsdiskussion warnt Axel Hein vor Verallgemeinerungen und pauschalen negativen Zuschreibungen für einzelne Fischarten. Als Paradebeispiel des undifferenzierten Diskurses nennt Axel Hein den Pangasius: Einem „Raketenstart“ folgten TV-Dokus, die den Fisch in Verruf gebracht haben. Aber auch hier gibt es zahlreiche Aquakulturen mit Bio- Zertifizierung und entsprechenden Besatzdichten. Der Pangasius selbst bietet Vorteile, da er robust ist, generell in großen Beständen gehalten werden kann und Futter gut verwertet. Auch Lachs wird größtenteils gezüchtet und kommt zu einem großen Teil aus Norwegen, vielfach sogar in Bio-Qualität. Wildlachs aus den USA wird ebenfalls vielfach nachhaltig bewirtschaftet. Beim Kabeljau nennt Axel Hein den Klimawandel als wesentlichen Faktor für sinkende Bestände. Die Larven sind auf eine Planktonart als Nahrungsquelle angewiesen, die durch die Meererwärmung nach Norden wandert.

Besser ein Siegel als kein Siegel

Auf was sollten Konsumenten also achten? Wer zu heimischem Fisch und Bio-Qualität greift, ist in punkto Nachhaltigkeit sowie Qualität auf der sicheren Seite. Hier stehen kurze Transportwege und strenge Nachhaltigkeits-Kriterien positiv zu Buche. Bei marinem Fisch sind Gütesiegel ein guter Indikator beim Kauf. Sie geben Auskunft über die Zuchtumstände, den Transportweg oder den Umgang mit Beifang und Artenschutz. Das ASC-Siegel (Aquaculture Stewardship Council) etwa steht für verantwortungsvolle und nachhaltige Zucht. Die beiden Experten raten, sich vor dem Fischkauf über die unterschiedlichen Gütesiegel zu informieren, denn auch diese haben mitunter ihre Schwachstellen. Nichtsdestoweniger gilt, dass die vorhandenen Siegel aktuell die beste Möglichkeit zur Nachhaltigkeitsabschätzung sind.

Wünsche für die Zukunft

Beim Wunsch nach einem steigenden Anteil an Meeresschutzgebieten ohne jegliche menschliche Aktivität sind sich die beiden Experten einig. Gerhard Herndl fordert eine Steigerung von aktuell drei auf 30 %. Axel Hein will zudem eine elektronische Rückverfolgbarkeit des Fisches im Handel. Als Beispiel nennt er eine 24/7-Überwachung von Fangschiffen, um nicht nachhaltige und sozial bedenkliche Praktiken frühzeitig bemerken und korrigieren zu können.

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