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Sortenvielfalt: Biologischer und kultureller Reichtum
Die Geschichte der Entstehung der Kulturpflanzen ist nicht nur ein biologischer Prozess, sondern auch gleichzeitig die Entwicklung der Beziehung zwischen Menschen und Pflanzen. Denn an Orten, an denen bei Kulturpflanzen enorme genetische Veränderungen vor sich gegangen sind, haben die Menschen ihrerseits ihr Verhalten in hohem Maß auf die Pflanzen eingestellt. „Unsere Nahrungsmittelproduktion prägt das Aussehen der Erde und das Weltklima - in meteorologischer wie in sozialer Hinsicht. Dennoch ist die Wertschätzung für Lebensmittel in Mitteleuropa gering, ebenso das Wissen über unsere Nahrungspflanzen und ihre Geschichte", so Beate Koller. Fragen der Verantwortung und der ethischen Maßstäbe für den Umgang mit „Pflanzen-Partnern" sind daher zu diskutieren, vor allem vor dem Hintergrund der modernen Landwirtschaft und gentechnologische Züchtungsmethoden, die laut Koller „massiv ins Erbgut und auch in die Fortpflanzungsfähigkeit der Pflanzen eingreifen und so den Bestand und die Vielfalt von Kulturpflanzen sukzessive reduzieren."
Mehr Vielfalt und Wertschätzung
Während in Mitteleuropa jahrtausendelang eher eine Netto-Zunahme an Kulturpflanzen zu beobachten war, wurde in den letzten 100 Jahren ein starker Verlust an Kulturarten und -sorten festgestellt: Seit 1900 sind laut FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) weltweit 75 % der ehemals vorhandenen landwirtschaftlichen Vielfalt verloren gegangen. Den höchsten Anteil an diesem Effekt schreibt Beate Koller dem Menschen zu: „Während in der Vergangenheit wirtschaftliche und kulturelle Unterschiede zwischen Regionen in agrarisch orientierten Gesellschaften die Entwicklung von Lokalsorten begünstigten, tendiert die moderne Landwirtschaft eher zum Einsatz von Hochleistungssorten, die einen großen Markt abdecken. Durch hohen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft wird die frühere Standortangepasstheit von Sorten durch eine Standortnivellierung ersetzt."
Beate Koller plädiert für ein Umdenken und mehr genetische Vielfalt in der Landwirtschaft. Dies würde das Risiko von Ernteausfällen durch Krankheitserreger, Schädlinge oder Witterungsextreme verringern. „Vielfalt erhöht die Selbst-Regulations-Fähigkeit von landwirtschaftlichen Ökosystemen - gerade im Zeitalter des Klimawandels wird dies entscheidend sein." Weitere Vorteile für den Konsumenten, dessen kulinarische Entwicklung seit jeher eng mit der Evolution von Kulturpflanzen verbunden war, sieht Beate Koller „im vielfältigen kulinarischen, ästhetischen, sinnlichen und gesundheitlichen Nutzen - und nicht zuletzt auch im kulturellen Wert.
[1] Eine Kulturpflanze ist eine Pflanze, die durch das Eingreifen der Menschen zielgerichtet als Nutz- oder Zierpflanze angebaut und züchterisch bearbeitet wird. (Quelle: Wikipedia)
Symposium: „Markt. Wert. Wahrnehmung. Was ist Essen wert?"
Am 5. Juni 2013, Palais Auersperg
Weitere Informationen sowie die Abstracts der Vorträge sind im Nachfeld des Symposiums online verfügbar.