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Studie zu zuckergesüßten Getränken: Korrelation ist nicht mit Kausalität gleichzusetzen
Eine Studie der Friedman School of Nutrition Science and Policy der Tufts University in Massachusetts* sorgt für Aufsehen, schließlich schlussfolgern die Autoren auf Basis einer hochgerechneten Schätzung, dass zuckerhaltige Getränke weltweit gesehen die Ursache für 184.000 Todesfälle pro Jahr seien. Und zwar durch Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie durch Krebs. Niemand bestreitet, dass zu wenig Bewegung und Adipositas das Risiko für diese Erkrankungen erhöhen. Aber können zuckergesüßte Getränke per se das Leben kosten? Was bei dieser Studie zu berücksichtigen ist:
Es handelt sich um einen Pool aus Kohortenstudien: Zum einen wurden die Daten zum Konsum von zuckergesüßten Getränken aus nationalen Ernährungsstudien rund um den Globus herausgezogen, die auf Selbstangaben beruhen. Zum anderen wurden die Effekte von zuckergesüßten Getränken auf den Body Mass Index, und dessen Einfluss auf die Entstehung von Krebs, kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes aus einer Reihe von prospektiven Kohortenstudien abgeleitet. Alle Daten wurden dann in ein komplexes Rechenmodell zusammengeführt. Der grundsätzliche Haken daran: Kohortenstudien erlauben keine Rückschlüsse auf eine Ursache-Wirkungs-Beziehung, also Kausalität. Einzig Zusammenhänge können aufgezeigt werden. Die Ergebnisse von Kohortenstudien können also nur als Hinweise für weiteren Forschungsbedarf dienen. Schließlich sagt ein Zusammenhang von A und B noch nichts darüber aus, ob A die Ursache für B ist oder umgekehrt oder ob überhaupt C für A und B ausschlaggebend ist. „Korrelation beinhaltet nie automatisch Kausalität. Häufig handelt es sich um mehrere Trends, die gleichzeitig auftreten und sich überlagern“, sagt Marlies Gruber vom forum. ernährung heute.
Ebenso müssen zusätzliche Einflussfaktoren auf den Gesundheitsstatus berücksichtigt werden. So zeigt sich, dass Menschen, die vermehrt zuckergesüßte Getränke trinken, auch eher oder mehr rauchen, sich weniger bewegen, und sich unausgewogener ernähren. Alle drei Verhaltensmuster sind Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes. Bei der vorliegenden Untersuchung wurden diese Faktoren außen vor gelassen.
Andere Studien** eruierten dezidiert den Einfluss von zuckergesüßten Getränken auf das Körpergewicht. Sie beobachteten bei gleicher Energieaufnahme, aber unterschiedlichen Trinkmustern keine Unterschiede im Körpergewicht. Heiner Boeing, Epidemiologe am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE), konstatiert auf Basis der evidenzbasierten Leitlinie zur Kohlenhydratzufuhr und Prävention der Deutschen Gesellschaft für Ernährung aus 2011: „Der Kohlenhydratanteil in der Ernährung – und dazu zählen auch Zucker – zeigt keinen Zusammenhang mit der Entstehung von Diabetes mellitus Typ II. Zucker macht nicht zuckerkrank!". Nur bei Erwachsenen wurde ein wahrscheinlicher – und kein überzeugender – Zusammenhang zwischen dem erhöhten Konsum zuckergesüßter Getränke und Adipositas festgestellt.
„Die Grundlage für Ernährungsbotschaften und Empfehlungen muss immer eine valide Forschung und das richtige Einordnen der Ergebnisse sein. Oftmals werden jedoch Korrelation mit Kausalität gleichgesetzt und Risiken missverständlich kommuniziert“, so Gruber.
Die derzeit besten Instrumente zur Erhebung der tatsächlichen Fakten sind Meta-Analysen, systematische Übersichtsarbeiten und randomisiert klinische Studien (RCT – randomized clinical trials). Resultate dieser Studientypen liefern daher zurzeit bestmögliche Evidenz in der Ernährungsforschung.
Was heißt all das für den Alltag?
- Eine hohe Energieaufnahme bei einem gleichzeitig geringen Bewegungslevel schlägt sich auf die Waage – unabhängig davon, woher die Kalorien stammen.
- Grundsätzlich unterstützen abwechslungsreiches und dem Bedarf angepasstes Essen und Trinken ein normales Körpergewicht und die Gesundheit.
- Wer hauptsächlich auf Obst, Gemüse, Getreide und Milchprodukte setzt, ist bestens unterwegs.
- Jeder Einzelne sollte jene Lebensmittel im Auge behalten, bei denen man immer wieder über die Stränge schlägt.
Literatur
* http://nutrition.tufts.edu
** Te Morenga et al, 2013: www.bmj.com/content/346/bmj.e7492
Malik et al, 2013: ajcn.nutrition.org/content/98/4/1084
Kaiser et al, 2013: www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23742715
Sievenpiper et al, 2012: www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22351714