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Verarbeitete Lebensmittel können Teil gesunder Ernährung sein
Vorverarbeitete Lebensmittel erleichtern vielen Menschen den Alltag in einer arbeitsteiligen Gesellschaft und können Teil einer gesunden und genussvollen Ernährung sein, stehen aber auch in der Kritik. Für eine nuancierte Auseinandersetzung braucht es zuallererst eine klare Definition dieser Produktgruppe und einen Diskurs, der Mäßigung, Ausgewogenheit und einen gesunden Lebensstil thematisiert. Das ist auch deshalb wichtig, weil der polarisierende Diskurs rund um die sogenannten „hochverarbeiteten“ Lebensmittel viele Menschen verunsichert. Das forum. ernährung heute (f.eh) appelliert daher, Konsumentinnen und Konsumenten in ihren Kompetenzen zu stärken, damit sie selbstbestimmt und eigenverantwortlich eine ausgewogene Lebensmittelauswahl treffen können. Teil dessen sollte eine umfassende Ernährungs- und Verbraucherbildung in der Schule sein, die entsprechendes Wissen und lebensmittelbezogene Fertigkeiten und Fähigkeiten vermittelt sowie neue Gewohnheiten etablieren kann. Schließlich können eine gesunde Ernährung, kulinarische Freuden und der Einsatz von vorgefertigten Produkten Hand in Hand gehen. Diese Aspekte, ein Überblick zur NOVA-Klassifikation der Verarbeitungsgrade sowie ein Interview mit Daniel Kofahl und Eva-Maria Endres vom Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur (APEK) finden sich in der aktuellen Ausgabe von ernährung heute, dem Magazin des f.eh.
Merkmal „Verarbeitung“
Die Verarbeitung von Lebensmitteln passiert im Haushalt, in der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung sowie in gewerblichen oder industriellen Produktionsbetrieben. Sie umfasst eine Vielzahl von Zubereitungs- und Kochtechniken einschließlich der Verpackung und Konservierung. Verarbeitungstechniken wie Pasteurisieren, Kochen oder Trocknen können etwa das Wachstum schädlicher Bakterien verhindern oder hemmen, den Verderb hinauszögern und die gewünschten sensorischen Qualitäten wie Geschmack, Textur, Aroma und Optik bewahren. Durch Verarbeitung werden etliche Rohstoffe länger lagerfähig, etwa Käse oder Fleisch- und Fischprodukte. Manche Lebensmittel sind roh zudem nicht verzehrfähig (z. B. Kartoffeln) und bestimmte Substanzen werden erst durch den Verarbeitungsprozess so moduliert, dass sie vom Körper besser aufgenommen (z. B. Lycopin aus Tomaten) oder Giftstoffe abgebaut werden können (z. B. Phasin aus Hülsenfrüchten). Verarbeitungstechniken wie Einfrieren können helfen, Nährstoffe besser zu erhalten (z. B. Tiefkühlgemüse oder -obst).
Durch Verarbeitung können Lebensmittel zudem an Ernährungsbedürfnisse besonderer Personengruppen angepasst werden. Neben beispielsweise gluten- oder laktosefreien Produkten liefern einige angereicherte Lebensmittel spezielle Nährstoffe, um Gesundheitsproblemen vorzubeugen (z. B. jodiertes Salz). Convenience-Produkte im Speziellen erfordern zudem oft keine komplexen Kochkenntnisse, sind meist sofort essbar oder benötigen nur eine minimale Zubereitung, was Zeit und Aufwand spart. Bequemlichkeit und Flexibilität für hektische Tage sowie eine längere Haltbarkeit und damit gute Verfügbarkeit zählen daher zu den Vorteilen.
Mögliche nachteilige Effekte von Verarbeitung wie Nährstoffverluste durch z. B. Schälen, Schadstoffe durch etwa Räuchern oder Hitze oder eine überschießende Zugabe von Salz, Zucker und Fett können in jeglicher Produktionsstätte auftreten. Besonders kritisch wird die Zugabe von Zusatzstoffen in „hochverarbeiteten“ Lebensmitteln erachtet. Zusatzstoffe werden jedoch von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nur zugelassen, wenn sie technologisch nötig und gesundheitlich unbedenklich sind. Zudem sind sie nur in jener Menge einzusetzen, die bei lebenslang täglicher Aufnahme unbedenklich ist (ADI-Wert, Acceptable Daily Intake).
Für gesunde Ernährung mit Vielfalt begeistern
Will man Menschen für eine gesunde, nachhaltige Ernährung begeistern, muss sie smart, genussvoll, unaufwändig und alltagstauglich sein. Verarbeitete Lebensmittel können diese Anforderung erfüllen, denn der Verarbeitungsgrad sagt nicht zwingend etwas über Inhalts- und Nährstoffe sowie den Beitrag zu einer gesunden Ernährung aus. Das belegen die Ergebnisse einer 2023 in den USA veröffentlichten Studie: Mit einem sorgfältig ausgewählten Tagesmenü lässt sich eine hohe Qualitätsbewertung nach dem Healthy Eating Index (HEI) erreichen, auch wenn die Speisen überwiegend auf hochverarbeiteten Lebensmitteln basieren. In dem erstellten Menü stammten 91 Prozent der Kalorien aus hochverarbeiteten Lebensmitteln und der HEI betrug 86 von 100 möglichen Punkten. Damit lag er über dem US-Durchschnittswert von 59 Punkten. Deutlich relevanter als der Verarbeitungsgrad scheint demnach die grundsätzliche Auswahl der Lebensmittel zu sein.
Bei verarbeiteten Lebensmitteln und Getränken ist es wichtig, den Energie- und Nährstoffgehalt der jeweiligen Produkte zu berücksichtigen, sich darüber etwa mithilfe der Nährwertangaben und Zutatenliste zu informieren sowie grundsätzlich eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung anzustreben, wie sie etwa im Rahmen der deutschen und österreichischen Ernährungsempfehlungen sowie der Planetary Health Diet empfohlen wird.
Plakative Narrative sollten daher einer nuancierten Diskussion über Mäßigung, Ausgewogenheit und umfassende Lebensstilentscheidungen weichen. In der komplexen Welt der Ernährung wird es nie ein Entweder-oder geben können. Vielmehr gilt es, „eine Kultur der individuellen und sozialen Entspannung zu entwickeln“, plädiert Daniel Kofahl im gemeinsamen Interview mit Eva-Maria Endres, beide vom Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur (APEK).
Weitere Themen im Heft:
- Dass gesundheitsförderliche Speisen weniger gut schmecken, ist in unserer Kultur tief verwurzelt. Die Sensorikerin Elisabeth Buchinger erläutert das Health-Taste-Paradoxon und wie ein Turnaround gelingen kann.
- Diabetes zählt zu den häufigsten chronischen Erkrankungen und betrifft etwa jede zehnte Person in Österreich. Eine entsprechende Therapie ist für ein möglichst uneingeschränktes Leben essenziell. Diätologin Nicole Stark fasst die Leitlinien zusammen, die 2023 aktualisiert wurden.
- Mohn ist auf den sommerlichen Feldern nicht nur eine Augenweide, sondern seit Jahrtausenden auch ein vielseitiger Begleiter in Kulinarik und Medizin. Ernährungswissenschaftlerin Eva Derndorfer beleuchtet die Herstellung sowie Zubereitungsmöglichkeiten.
- Was in den Bereichen Ernährung, Gesundheit und Lebensstil aus den unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen aktuell relevant ist, erläutern kurz und knapp die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des f.eh.