Modernist Cuisine – The Art of Science and Cooking

Myhrvold N, Young C, Bilet M
Taschen Verlag, Köln (2011)
ISBN: 0-9827610-0-7

Kategorie: Kochen und Lifestyle , Für Fachkräfte
01. Juni 2012

Rezension

„This book will change the way we understand the kitchen", meinte der berühmte spanische Koch Ferran Adrià, bekannt vor allem durch seine molekulare Küche. Was steckt dahinter? Nun, auf jeden Fall unheimlich viel Zeit, Geld, Ideen, Interesse an der Materie, Erfahrung, Professionalität und Liebe fürs Detail. Physikalische und chemische Vorgänge bei der Zubereitung von Lebensmitteln werden anschaulich dargestellt und fundiert erklärt. Die Lektüre setzt ein entsprechendes Interesse an Naturwissenschaften und Technologie voraus. Die Sammlung gibt Antworten auf viele küchentechnische Fragen, umfasst fünf Bände sowie ein Rezepthandbuch und wiegt ca. 23 kg - ich habe das Paket in der  Buchhandlung liegen lassen und doch via Internet bestellt! Ein handlicher Schmöker für die Couch sieht anders aus. Die professionellen Fotos bestechen aber. Was lernen wir? Fünf Beispiele, die für einen konventionell ausgestatteten Haushalt relevant sind:

1. Warum ist Dämpfen oft langsamer als Kochen?
Eigentlich müsste es umgekehrt sein - ist doch Dampf heißer als kochendes Wasser. Ein Laborexperiment liefert uns hier genaue Daten: Gargut wurde in durchlöcherten Aluminiumzylindern von exakt gleicher Form und Größe, die in der Mitte mit Thermoelementen ausgestattet waren, zugedeckt in siedendem Wasser bzw. in Dampf gegart. Der Temperaturanstieg wurde mit Hilfe eines Datenloggers aufgezeichnet. Es zeigte sich, dass die Zieltemperatur des Garguts durch Sieden rascher erreicht wird als durch Garen in Dampf. Das soll keine Absage ans Dämpfen sein - gibt es doch zahlreiche gute Gründe, die fürs Dämpfen sprechen - sensorische Gründe und dass wasserlösliche Vitamine erhalten bleiben. Wer's eilig hat, weiß nun aber, was wirklich schneller geht.

2. Warum garen Mikrowellen Speisen nicht, wie oft angeführt, von innen nach außen?
Die theoretische Erklärung ist einfach, denn Mikrowellen dringen nur 1 bis 2 cm in das Gargut ein. Sie können also größere Elemente gar nicht von innen aufheizen. Das ist aber nicht die einzige spannende Botschaft über Mikrowellen: Die Buchautoren liefern auch einen Grund, warum es manchmal ewig dauert, bis kleine Speisen heiß werden. Entscheidend ist nämlich das Verhältnis der Speisenoberfläche zu deren Volumen. Da Mikrowellen in das Gargut eindringen, ist der Erhitzungsprozess weniger von der Oberfläche abhängig als in konventionellen Öfen, vielmehr ist das Volumen entscheidend. Bei ganz kleinen Lebensmitteln kann es sogar sein, dass sie zu klein sind, um Mikrowellen zu absorbieren. Legt man etwa unterschiedlich große Würfel des gleichen Käses auf einen Teller, schmelzen die größeren Würfel im konventionellen Ofen langsamer als die kleinen. In der Mikrowelle schmelzen hingegen nur die größeren, während ganz kleine Würfel fest bleiben.

3. Warum verkürzt häufiges Wenden die Garzeit?
Diese Information richtet sich an alle Steakmeister! Bei häufigem Wenden (alle 15  Sekunden) liegt das Temperaturmaximum einige Millimeter unter der Steak-Oberfläche zwar etwa 10 °C niedriger als bei nur einmaligem Wenden. Dadurch schwankt allerdings die Kerntemperatur weniger – und steigt schneller an! Das Steak gart schneller und gleichmäßiger.

4. Warum ist Backen in Wahrheit Trocknen?
Im erhitzten Backofen erzeugt die heiße, trockene Luft einen kontinuierlichen Anstieg der Oberflächentemperatur des noch kühlen Lebensmittels. Gleichzeitig verdunstet zunehmend
Feuchtigkeit aus dem Lebensmittel, dies hat eine kühlende Wirkung und verlangsamt den Anstieg der Oberflächentemperatur. Es laufen somit zwei gegenläufige Prozesse ab:  Während die heiße Luft Hitze überträgt, entzieht die Verdunstung Wärme. Bei den meisten Lebensmitteln überwiegt jedoch überraschenderweise die Verdunstung! Die Backofenhitze, die auf der Lebensmitteloberfläche ankommt, wird daher eher zum Verdampfen des Wassers als zum Eindringen und Erhitzen der Speise verwendet.

5. Warum ist aufgeschlagenes, fettes Obers fest, während für Milchschaum fettarme  Milch besser geeignet ist?
Beim Schlagen von Schlagobers wird Luft eingebracht. Die Fetttröpfchen lagern sich an der Oberfläche der Luftblasen an, bilden ein Netzwerk und üben damit eine stabilisierende
Wirkung aus. Fett ist aber nicht der einzige Schaumstabilisator – auch denaturiertes Protein kann diese Wirkung entfalten, etwa im heißen Milchschaum. Hier hat Fett allerdings keine stabilisierende, sondern eine zerstörende Wirkung, die Proteine können in Anwesenheit des  Fetts ihre Wirkung nicht entfalten. Neben derartigen brauchbaren Erläuterungen findet man unzählige Experimente und auch viele Kochrezepte, die für Leute, die privat in konventionell ausgestatteten Küchen kochen, wenig Relevanz haben. Den Autoren zufolge sind folgende zehn Küchengeräte unentbehrlich für die Modernist Cuisine: Wasserbad, Flüssigstickstoff, moderner Ofen, Vakuumiergerät, Homogenisator, Pacojet,  Vakuumpumpe, Magnetrührer mit Heizplatte, Zentrifuge und Autoklav. Für besondere Zwecke praktisch sind darüber hinaus Ultraschallbad, Vakuumtumbler, Gefriertrockner, Rotationsverdampfer, Sprühtrockner u. v. m. Noch Fragen? Für Lebensmitteltechnologen ist das Werk vermutlich ein Geniestreich. Für alle, die keine Laborküche besitzen, sondern in einem normalen Haushalt leben, ist das Buch mehr ein theoretisches denn ein praktisches Werk – oder eines zum Träumen. Nichtsdestotrotz lässt sich viel aus der Lektüre lernen, nicht nur über Kochtechniken, sondern auch über die  Entwicklungsgeschichte der modernistischen Küche. Es ist in jedem Fall eine beeindruckende Sammlung mit zahlreichen Anregungen. Ob Hobbyköche wirklich die Zielgruppe sind, muss jeder für sich beantworten.

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