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„Portion Size Matters“ für Einzelnen und Gesellschaft
Bei der Suche nach Lösungen, um das Ernährungsund Gesundheitssystem zu entlasten, spielt die Reduktion von Portionsgrößen in Public-Health-Strategien nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Zu Unrecht, wie Organisationen wie die WHO, die OECD und das McKinsey Global Institute regelmäßig betonen. Sie zeigen klar auf, dass es die Maßnahme mit der besten Kosteneffizienz und dem höchsten Impact ist, wenn es darum geht, die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas zu senken. Darüber hinaus tragen große Portionen zum Aufkommen von vermeidbaren Lebensmittelabfällen bei. Beide Ziele – der Entwicklung von Adipositas ebenso wie der Entstehung von Food Waste entgegenzusteuern –, erfordern einen gesellschaftlichen Wandel, wofür vielerlei Maßnahmen in Betracht kommen: jene, die auf das persönliche Verhalten abzielen, und jene, welche die Umwelt betreffen. Dazu kommen in der aktuellen Ausgabe von ernährung heute, dem Magazin des forum. ernährung heute (f.eh), unterschiedliche Experten zu den Ursachen und möglichen Lösungen zu Wort. Marlies Gruber, Geschäftsführerin des f.eh: „Kleinere Portionen wieder zum Standard zu machen, wird nicht immer einfach sein. Doch wenn wir uns mehr Zeit zum Essen nehmen und sensorisch Anspruchsvolleres konsumieren, fühlen wir uns auch mit 10 bis 20 Prozent weniger Kalorien genauso satt. Im Alltag bedeutet das, dem bewussten Essen, Trinken und Genießen erneut mehr Platz zu geben, die Wertschätzung zu steigern und die kleinere Portionsvariante als Healthy Choice zu verstehen. Das ist wesentlich, um einen genussvollen Zugang zum Essen zu entwickeln.“
Während die Ernährungspolitik zur Reduktion von Übergewicht und Adipositas vorwiegend Fiskalmaßnahmen, Werbeverbote, Rezepturänderungen und erweiterte Kennzeichnungsmodelle diskutiert, sind die Portionen in den vergangenen Jahrzehnten sukzessive größer geworden. Dadurch nehmen wir mehr Energie auf, auch, weil die meisten Menschen unbewusst zum Aufessen tendieren. Selbst die sogenannten Non Plate Clearers essen bei überdimensionierten Portionen mehr.
Gesellschaftliche Folgen
Die Folgen für die Betroffenen und das Gesundheitssystem sind dramatisch: Laut Zahlen der WHO sind weltweit 40 Prozent der Menschen übergewichtig oder adipös, was die Prävalenz von Folgeerkrankungen erhöht. So weisen erwerbstätige Menschen mit einem BMI ab 27 im Median deutlich mehr Krankenstandstage auf als Normalgewichtige. Liegt der BMI über 40, haben Arbeitnehmer sogar knapp dreimal so viele Fehltage. Menschen mit Übergewicht nehmen zudem mehr Gesundheitsleistungen in Anspruch. Laut OECD verringern die Folgen von Adipositas das österreichische Bruttoinlandsprodukt um 2,5 Prozent bzw. rund 10 Mrd. EUR pro Jahr, wie Dr. Manuel Schätzer von SIPCAN in seinem Beitrag für ernährung heute erläutert. Kleinere Portionsgrößen bewerten OECD, WHO und das Global McKinsey Institute als den zentralen Baustein von Public-Health-Strategien.
Dabei können Anbieter einen wesentlichen Beitrag leisten. Die Portionskontrolle kann als Healthy Choice positioniert werden und kleinere Portions- und Packungsvarianten könnten zum Standard werden. Adäquate Packungsgrößen, die auch eine längere Lagerung ermöglichen, können zudem helfen, Food Waste in den Haushalten zu reduzieren. Immerhin fallen über 50 Prozent der Lebensmittelabfälle im Haushalt an.
Auch in der Gastronomie könnte man durch kleinere Portionen Lebensmittelabfälle um etwa 20 Prozent verringern und damit auch die Ressourcenverschwendung für deren Produktion einschränken. Eine Redimensionierung trägt somit auch zu einem nachhaltigeren Ernährungssystem bei.
Bewusstsein für Downsizing stärken
Was aber wären Lösungen, um die Portionsgrößen und aufgenommene Energiemenge zu senken? Unser Sattheitsgefühl ist von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig, die sich gezielt einsetzen lassen. Je nach Mahlzeitendauer und Komplexität der Speise können wir uns mit etwa 10 bis 20 Prozent weniger Kalorien genauso satt fühlen. Ass.-Prof. DI Dr. Klaus Dürrschmid von der BOKU Wien nennt konkret als modulierende Faktoren eine langsame Essgeschwindigkeit, eine Textur, die intensives Kauen erfordert sowie texturale und sensorische Komplexität.
Ein anderer Punkt ist, das Bewusstsein für adäquate Verzehrmengen über Lebensmittelinformation und Marketing zu schärfen. Die Europäische Kommission hat zwar im Rahmen der Lebensmittelinformationsverordnung Vorgaben zur Angabe von Portionsgrößen zu erlassen, diese sind jedoch noch ausständig. Brancheninterne harmonisierte Angaben sind dennoch wünschenswert, wie das etwa bei Getränken mit 250 ml der Fall ist.
Weitere Themen in der aktuellen Ausgabe:
- ernährung heute hat sich Nudging als einen Lösungsansatz für Verhaltensänderungen angesehen und es in einem Interview mit Rechtsanwalt Prof. DDr. Tade Matthias Spranger gesetzlichen Steuerungsmaßnahmen gegenübergestellt.
- Viele Menschen verzichten heutzutage freiwillig auf Weizenprodukte. Doch für wen ist das sinnvoll und was gehört ins Reich der Mythen? Eine Übersicht erstellten Evelyn Matousch, BSc., und Elisabeth Sperr, MSc., wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im f.eh.
- Durch die steigende Produktvielfalt gewinnt Mehl an Beliebtheit. Ernährungswissenschaftlerin Dr. Eva Derndorfer hat sich die unterschiedlichen Produkte und ihre Herkunft angesehen.
- Ob im Urlaub in Italien oder auf Balkonien – im Sommer ist der Balsamico omnipräsent. Dr. Eva Derndorfer hat den Essig unter die Lupe genommen und zeigt vielfältige Verwendungsmöglichkeiten auf.
Das Heft wird auf Anfrage an presse@forum-ernaehrung.at gerne als pdf-Version zur Verfügung gestellt.