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So will ich sein! Essen als soziales Tatoo
„Was bei Kleidung für viele längst selbstverständlich ist – dass die Art und Weise des persönlichen Stils auch Ausdruck der eigenen Identität sein kann –, festigt sich nun auch beim Essen“, sagt Marlies Gruber, wissenschaftliche Leiterin des forum. ernährung heute. Wertehaltungen zeigen sich im Essverhalten. Diesen kann man täglich durch die Wahl der Speisen Ausdruck verleihen. Was wir essen, wird immer mehr zum „sozialen Tatoo“. Das liegt daran, dass Menschen häufig aufgrund völlig unterschiedlicher Interessen und Tätigkeiten, der Digitalisierung des Alltags und gefilterten Informationen „für sich in ihrer eigenen Welt“ leben. Deswegen entsteht zunehmend der Wunsch, etwas zu finden, das sich über alle Lebensbereiche gleichermaßen umfassend erstreckt und das verbindet. „Essen eignet sich als Identifikationsanker ganz besonders, weil wir es täglich mehrmals und ganz selbstverständlich und in allen Lebenslagen tun“, so Gruber. Zudem erleichtert das Verfolgen von Ernährungstrends den Alltag im Überfluss. Es schafft Entscheidungs-Shortcuts – also Automatismen. „Ich esse nur laktosefrei“ oder „nur vegan“ schränkt die Auswahl „automatisch“ ein.
Die Mehrheit isst konservativ
Während früher die gleichen Werte und der gleiche Ess-Stil ein Leben lang verfolgt wurden, sind sie heute einem Wandel unterworfen. So wechseln acht von zehn Vegetariern irgendwann wieder zur Mischkost. Denn bei all den Hypes rund um einzelne Richtungen darf man nicht vergessen, dass die meisten Menschen beim Essen klassisch wählen. „Das Essverhalten ist in der Regel konservativ, und dass das tendenziell – in Relation zur körperlichen Aktivität – zu viel, zu fett, zu süß und zu salzig ist, wird voraussichtlich auch der nächste Österreichische Ernährungsbericht zeigen“, sagt Gruber. Dennoch können einzelne Ernährungstrends langfristig Breitenwirksamkeit erlangen. Das Beispiel „Veggie“ zeigt, dass sich 2015 gerade einmal 5 % der Befragten* als Veganer oder Vegetarier bezeichnet haben, 16 % als Flexitarier und 79 % als Fleischesser. Zwischen 2014 und 2015 wurden 2 % der Fleischtiger zu sogenannten Flexitariern, die wenig bzw. selektiv Fleisch essen. Das macht sich mittlerweile auch im Handel bemerkbar. Mengenmäßig wurden im ersten Halbjahr 2016 in Österreich um 2,8 % weniger Fleisch im Lebensmitteleinzelhandel verkauft, so Daten der Roll-AMA.
Geschmack versus Gesundheit?
Obwohl die meisten Trends auf Gesundheitsversprechen aufbauen, sind Gesundheitsargumente nicht die Zugpferde für die Auswahl des Essens. „Gesundheit“ alleine hält Konsumenten sogar vom Konsum ab. „In den USA ist einer Umfrage zufolge die Meinung weitverbreitet, dass etwas, das gesund ist, nicht schmeckt, und etwas, das schmeckt, nicht gesund sein kann. In Österreich würde eine ähnliche Umfrage wohl kaum ein anderes Ergebnis erzielen. Dabei ließe sich der Fokus auf den Geschmack in Kombination mit Gesundheitseffekten nützen“ meint Gruber. So stand in einer Untersuchung ein Apfel oder ein Schokoriegel zur Auswahl. Ohne Kennzeichnung griff jeder Zweite der 400 Teilnehmer zum Apfel, ebenso verhielt es sich mit dem Hinweis auf „gesund“ oder „saftig“. Besagte der Hinweis jedoch „gesund & saftig“, wählten 66 % den Apfel. Eine weitere Untersuchung mit Kohlsprossen, Karfiol, Brokkoli und Kohlrabi weist darauf hin, dass nicht der Hinweis auf eine krebsschützende Wirkung den Gusto steigert, sehr wohl aber eine treffende Geschmackszuschreibung. „Ernährungstrends werden noch länger im Trend sein. Doch dass Geschmack, neben dem Preis, das vorrangige Motiv für die Lebensmittelauswahl ist, ist weithin bekannt. Daher macht es auch Sinn, vorrangig am Geschmackserleben anzusetzen, um eine gesunde Auswahl zu fördern und das Wohlbefinden zu steigern“ so die Ernährungswissenschafterin.
Mehr zum Hintergrund von Ernährungstrends finden Sie im Magazin ernährung heute 3/2016, zu bestellen unter www.forum-ernaehrung.at/shop. Für Medienvertreter auf Anfrage kostenfrei als PDF oder PRINT zu beziehen.
*KeyQUEST Mahlzeitmonitor 2015