Rezension

Der US-amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugmann behauptete in einem in der New York Times erschienenen Artikel, Patienten seien keine Konsumenten. Er kritisiert, dass die Medizin in der derzeitigen US-amerikanischen Gesundheitsreform zu einem modernen Unternehmen umgewandelt würde, in dem das oberste Ziel Gewinnmaximierung heißt. „Die Vorstellung, dass Ärzte lediglich Dienstanbieter sind, die Leistungen an den Patienten liefern, ist widerwärtig", so Krugmann in seinem Artikel. Die Schutzbedürftigkeit von Menschen werde damit ignoriert. Ein aktuelles Spannungsfeld, dem sich Benjamin Ewert, Sozialwissenschafter an der Justus-Liebig-Universität in Gießen, genauer widmete. In seiner Dissertation beleuchtet er die Rolle des Patienten im deutschen Gesundheitssystem: Ist der Patient unter keinen Umständen ein Konsument? Wird er tatsächlich nicht mehr als pflegebedürftiges Wesen behandelt? Die Antwort des Autors lautet: Der Patient hat multiple Nutzeridentitäten, er vereint mehrere Aspekte in einer Person. Anhand empirischer Forschung untersuchte Ewert, welche Identitätsaspekte prinzipiell in unserem modernen Gesundheitswesen an den Rand gedrängt werden und wie sich Nutzeridentitäten je nach Kontext verschieben. Auch die Überlegung, welche Identität am meisten hervortritt und wie sie mit den anderen vernetzt ist, wird beleuchtet.

Wer sich gedanklich intensiv und differenziert mit der gegenwärtigen Situation im Sozialstaat auseinandersetzt oder einen Einstieg dazu sucht, findet in diesem Buch vielfältige und ausführliche Denkanstöße.