31.08.2023 von Redaktion (aktualisiert)

Bewegung tut der Kinderseele gut

Depressionen betreffen nicht nur Erwachsene, auch der Nachwuchs kann darunter leiden. Vor allem übergewichtige Kinder haben ein höheres Risiko. Bewegung kommt im Kampf gegen Depressionen eine Schlüsselrolle zu.

Wenn Kinder keine Lust haben zu spielen, rasch müde werden, antriebslos wirken und ohne erkennbaren Grund traurig sind, stempeln viele Eltern diese Auffälligkeiten als „Phase“ ab, die wieder vorbei geht. Tatsache ist: Hinter den Warnsignalen kann sich auch eine Depression verbergen. Einer kindlichen Depression auf die Schliche zu kommen, ist jedoch schwierig. Denn oft lassen sich die klassischen Symptome vom alterstypischen Verhalten kaum unterscheiden. Bei manchen Kindern drückt sich die seelische Last lautstark aus, andere verhalten sich hingegen ruhig und sind in sich gekehrt. Deshalb gilt es, genau hinzuschauen, um Stimmungskrisen früh zu erkennen. Für Depressionen bei Kindern sind u. a. folgende Symptome typisch: trauriger Gesichtsausdruck, verminderte Mimik und Gestik, Apathie, Schüchternheit, Aggressivität, Jähzorn, Daumenlutschen, schlechter Schlaf, Albträume, Gewichtsverlust oder -zunahme, verändertes Essverhalten, unbegründete Schuldgefühle, Konzentrationsprobleme, schlechte Schulnoten und Angst vor Mitschülern.

Wissenswert

Stimmungskrisen können bereits im Säuglingsalter auftreten. Betroffene Babys schlafen meist übermäßig viel, sind träge, anhänglich und scheuen Körperkontakt. Zudem macht sich eine Depression bei Neugeborenen durch körperliche Entwicklungsstörungen bemerkbar. Eine Diagnose ist in diesem Alter allerdings schwierig.

Übergewichtig und sozial ausgegrenzt

Sind Kinder übergewichtig, ist ein Familienmitglied bereits depressiv oder treten Spannungen innerhalb der Familie oder im Schulalltag auf, kann es häufiger zu Stimmungskrisen bereits in frühen Jahren kommen. Einer amerikanischen Untersuchung zufolge werden übergewichtige und adipöse Vorschulkinder öfter gemobbt und ausgelacht als ihre schlanken Kameraden. Diese Hänseleien nagen am Selbstwertgefühl und hinterlassen tiefe Kerben in der kindlichen Psyche. Depressive Kinder reagieren meist gereizt, verhalten sich aggressiv und fühlen sich einsam. Zudem sind sie anfälliger für Angstzustände, Essstörungen und Drogenmissbrauch in späteren Jahren.

Riskantes Wechselspiel

Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass sich Depressionen und Übergewicht – insbesondere Adipositas – gegenseitig begünstigen und verstärken. Fall-Kontroll-Studien zeigen, dass übergewichtige Kinder im Vergleich zu normalgewichtigen häufiger depressive Symptome aufweisen. Eine italienische Studie untersuchte 90 übergewichtige Kinder im Alter von zwei Jahren. In der Untersuchung wurden weitere 90 normalgewichtige Gleichaltrige als Kontrollgruppe einbezogen. Ziel war es, übergewichtige Kinder zu erkennen und ihre Entwicklung im Laufe der Zeit sowohl in Bezug auf den BMI als auch auf ihr depressives Verhalten zu beobachten. Die Kinder wurden anfangs mit zwei Jahren, mit fünf Jahren und am Ende mit acht Jahren anhand eines standardisierten Fragenbogens gescreent, der dazu diente, psychologische Verhaltensauffälligkeiten zu erkennen. Die Studie untersuchte aggressives und depressives Verhalten. Die beobachteten depressiven Symptome waren Ängstlichkeit, kein Selbstbewusstsein, Verlegenheit, Schüchternheit, Trauer, Unglücklichsein, Zurückgezogenheit, Vermeidung von Gleichaltrigen sowie vermehrte Sorgen zu haben. Die Beobachtung ergab, dass die depressiven Symptome bei übergewichtigen Mädchen während der sechs Jahre im Durchschnitt von zwei auf sieben gestiegen sind. Bei Jungen mit Übergewicht sind sie durchschnittlich von drei auf vier Symptome gestiegen, während sie bei den normalgewichtigen Kontrollgruppen (Mädchen und Jungen) bis zum Alter von acht auf null gesunken sind.

Eine schwedische Studie von 6-17-Jährigen hob Übergewicht ebenfalls als einen Risikofaktor für Angststörungen und Depressionen hervor. Übergewichtige Mädchen hatten ein um 43 % erhöhtes Risiko für Depressionen verglichen mit normalgewichtigen Mädchen der Kontrollgruppe.

Wissenswert

Eine Depression muss nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sein. Sie kann auch „maskiert“ auftreten. Typisch dafür sind z. B. Kopf-, Rücken- und Bauchschmerzen, Verdauungsprobleme, Appetitlosigkeit, Essensverweigerung sowie Schlaflosigkeit.

Bewegung als Schutzschild gegen psychischen Stress

Zahlreiche Beobachtungstudien kommen zu dem Ergebnis, dass die Förderung von körperlicher Aktivität und Verringerung von Sitzen die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen schützen kann. So zeigt etwa eine Studie aus Norwegen, dass Volkschulkinder, die eineinhalb Stunden pro Tag herumtollen, laufen und toben, weniger anfällig für Depressionen sind als Altersgenossen, die ihre Freizeit eher sitzend verbringen. Für die Datenauswertung wurden verschiedene Symptome für Depressionen (z. B. Konzentrationsstörungen, Trennungsängste, Angst vor anderen Menschen, Aggressionen) einbezogen. Die Wissenschafter stellten fest, dass Kinder, die sich ausreichend bewegen (ca. 75 Minuten pro Tag), ein äußerst geringes Depressionsrisiko aufweisen.

Bewegung wirkt positiv gegen Depressionen, weil sie an der Hirnchemie kurbelt: Die Glückshormone Endorphin und Serotonin werden vermehrt ausgeschüttet, die Aktivität des Stresshormons Kortisol nimmt ab und es kommt zur Neubildung von Zellen im Hippocampus. Dadurch wirkt Bewegung teilweise ähnlich wie Psychopharmaka. Lesen Sie mehr dazu hier.

Laut österreichischen Bewegungsempfehlungen sollten Kinder und Jugendliche mind. 60 Minuten pro Tag mit ausdauerorientierter Bewegung verbringen. Die f.eh-Bewegungspyramide zeigt, wie die Verteilung aussehen kann, um ausreichend Bewegung zur Gewohnheit zu machen. Dabei dürfen Kinder ruhig außer Atem kommen und schwitzen. Wichtig ist vor allem, ihnen Freude an Bewegung zu vermitteln, sie zu motivieren und Bewegungsimpulse zu setzen.

Wissenswert

Fit Sport Austria bietet eine Vielzahl an Sport- und Bewegungsangeboten für Kinder. Das Angebot reicht von Babyschwimmen, Kleinkind-Turnen bis hin zu Tanzen, Judo und Ballspielen. Österreichweit kann je nach Region nach den passenden Kursen gesucht werden.

Fazit

Bewegung stimuliert die Produktion von Endorphinen und Serotonin, die als Glückshormone bekannt sind und positive Auswirkungen auf die Stimmung haben. Darüber hinaus kann regelmäßige körperliche Aktivität das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen der Kinder stärken, soziale Interaktionen fördern und Stress abbauen. Regelmäßige körperliche Aktivität kann somit eine wirksame Maßnahme sein, um Depressionen bei Kindern vorzubeugen. Bewegung allein kann jedoch keine vollständige Behandlung für Depressionen - bei Kindern wie bei Erwachsenen - sein, sondern sollte als Teil eines umfassenden Behandlungsplans betrachtet werden sollte.

Literatur

Cerniglia L et al.: Trajectories of aggressive and depressive symptoms in male and female overweight children: Do they share a common path or do they follow different routes? PLoS One 13 (1): e0190731 (2018).

Harrist A: The social an emotional Lives of Overweight, Obese and severely obese children. Child Development 48: 15-39 (2016).

Kanellopopulou A et al.: The Association between Obesity and Depression among Children and the Role of Family: A Systematic Review. Children (Basel) 9 (8) 1244 (2022).

Lindberg L et al.: Anxiety and depression in children and adolescents with obesity: A nationwide study in Sweden. BMC Med 18 (1): 30 (2020).

Rao WW et al.: Obesity increases the risk of depression in children and adolescents: Results from a systematic review and meta-analysis. Journal of Affective Disorders 267: 78-85 (2020).

Rodriguez-Ayllon M et al.: Role of Physical Activity and Sedentary Behavior in the Mental Health of Preschoolers, Children and Adolescents: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Med 49 (9): 1383-1410 (2019).

Zahl T, Steinsbekk S, Wichstrom L: Physical Activity, Sedentary Behaviour, and Symptoms of Major Depression in Middle Childhood. Pediadrics 139 (2017).

 

 

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