Große Zukunft in kleinen Händen
Ein Herz für Tiere
Was konkret ein nachhaltiger Umgang mit Fleisch für Schulkinder bedeutet, wurde in einer qualitativen Studie mit 27 Kindern im Alter von elf bis zwölf Jahren in der Schweiz erforscht. In zehn Unterrichtseinheiten wurde nachhaltiges Essen am Thema Fleisch beleuchtet. Ziel der Untersuchung war es, Entscheidungsprozesse von Kindern offenzulegen und zu erheben, wie Wissen und Werte diese beeinflussen. Dazu waren die Kinder eingeladen, laut nachzudenken, welche Empfehlungen sie einem fiktiven Küchenteam bei einem Kinderlager geben würden. Jedem dritten Kind war Tierwohl für die gemeinsame Verpflegung wichtig und es wünschte sich, dass es den Tieren gut geht und diese in einer artgerechten Haltung leben. Um das zu unterstützen, würden sie Bio-Fleisch empfehlen. Eine klare Kennzeichnung für eine tiergerechte Haltung kam ebenfalls zur Sprache. Dass damit ein höherer Preis verbunden ist, war ihnen teilweise bewusst.
Bio – weil’s den Tieren besser geht
Welche Relevanz Bio im jungen Erwachsenenalter hat, zeigten auch die Ergebnisse der Bio-Jugendstudie aus 2017 mit 1000 Teilnehmern. Unter ihnen gaben drei Viertel an, Bio (sehr) zu schätzen. Vergleicht man diesen hohen Zuspruch mit den tatsächlichen Verkaufszahlen im Supermarkt, so spiegelt sich wohl auch hier die soziale Erwünschtheit bei Fragebogenerhebungen wider. Die wichtigsten Gründe für den Bio-Konsum lauteten artgerechte Tierhaltung und Tierschutz sowie Qualität (je 95 %), zudem der Verzicht auf Kunstdünger und Spritzmittel (91 %). Bio-Tierhaltung punktete in erster Linie wegen des Auslaufs ins Freie sowie der Weidehaltung im Sommer für Rinder, Schafe und Ziegen (96 %) und einer schonenden Schlachtung (93 %).
Wissen macht mutig
Je mehr Kinder wissen, desto selbstsicherer sind sie, gute Entscheidungen zu treffen. Das zeigte sich in der eingangs erwähnten Schweizer Untersuchung, in der Kinder beim Thema „Gesundheit“ bereits recht gut aufgestellt waren. So erklärten die Schüler, dass die Verzehrmenge entscheidend dafür ist, ob Fleisch „gesund“ ist. Einen hohen Konsum von rotem Fleisch assoziierten sie mit Krebs. Als Vorteile von Fleisch nannten Sie die Gehalte an Eiweiß, Vitaminen und Zink. Weiters verbanden sie mit Fleisch Eisen und eine höhere Leistungsfähigkeit. Dagegen war das Wissen bei Fleisch punkto Nachhaltigkeit, Esskultur und Wirtschaft noch nicht stark ausgeprägt. Das Thema ist schließlich auch für Erwachsene in all seinen Dimensionen komplex.
Geschmack vor Tierwohl
Orientierung für bestimmte – nachhaltige – Entscheidungen erhalten Kinder vor allem durch einen soliden Wissensgrundstock sowie durch das Entwickeln entsprechender Werte. Bei den Werten nannten in der Schweizer Untersuchung alle Kinder Genuss und Geschmack als entscheidend für den Fleischkonsum. Auch Tradition wurde häufig erwähnt, vor allem wenn es um die Herkunft des Fleisches ging. Im Entscheidungsprozess war es den Kindern zudem wichtig, dass alle Schüler das kulinarische Fleisch-Angebot nützen können und keine Mitschüler z. B. aus religiösen Gründen ausgeschlossen werden. Dezidiert nannten sie etwa das Absehen von Schweinefleisch, wenn Muslime in der Gruppe vertreten sind. Wenn sie den Fleischkonsum auf die Umwelt beziehen sollten, kam den Kindern ausschließlich eine artgerechte Tierhaltung in den Sinn. Während Kindern bei Fleisch neben Geschmack, Tradition und kulturellen Aspekten auch Tierethik sehr wichtig ist, spielt diese bei anderen Lebensmitteln oftmals weniger eine Rolle. Bei Milch und Milchprodukten scheint der Bezug zum Tier generell geringer zu sein.
Über Lebensmittel lernen hilft
Wenn das Essen schmeckt und notwendige Kenntnisse vorliegen, sind Kinder offen für einen nachhaltigen Umgang mit Fleisch. Verständlich aufbereitetes Wissen hilft Kindern, sich schneller als Experten zu erleben. Dadurch sind sie eher bereit, das Wissen in Entscheidungen einzubeziehen. Auf dem Weg dorthin empfehlen die Schweizer Forscher für den Unterricht Diskussionen sowie Rollen- und Planspiele. Damit lassen sich Wissenselemente anschaulich mit Werten verbinden und Fragestellungen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Zudem helfen alltagsnahe Fragen: „Was bedeutet Regionalität für uns?“, „Wie viel Bio-Lebensmittel kauft die eigene Familie?“ oder „Wie leben unsere Nutztiere überhaupt?“
Mehr zu Ernährungsbildung lesen Sie in der ernährung heute 4/2017.
Literaturverzeichnis
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Marketagent.com (Hrsg.): Veggie Report – Vegetarische und vegane Ernährung in Österreich. www.marketagent.com (Zuletzt abgerufen am 02.03.2020).
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Stoll-HertrampfA et al: Decision-making processes of children in the context of sustainable diets. Part 1: The role of knowledge in decision-making process. ErnahrungsUmschau 66 (8): 136-144 (2019).
Stoll-HertrampfA et al.: Decision-making processes of children in the context of sustainable diets. Part 2: The role of values in decision-making processes. ErnahrungsUmschau66(9): 160-168 (2019).