Bildung mit Hirn, Herz und Händen ermöglicht nachhaltigen Lebensstil
Nur jeder Fünfte weiß um die Empfehlung von „5 a day“, also fünf Obst- und Gemüseportionen pro Tag. Fett als kalorienreichsten Hauptnährstoff identifizieren nur 3 von 10 Personen richtig. Das sind nur zwei Beispiele, doch das Ernährungswissen in Österreich ist generell verbesserungswürdig – in der Allgemeinbevölkerung, aber auch unter Lehrern, insbesondere da sie Vorbilder für die Schüler sind. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des f.eh und des Departments für Ernährungswissenschaften an der Universität Wien. Das f.eh hat daher einen Runden Tisch „Zukunft Ernährungsbildung“ mit Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Pädagogischen Hochschulen und Praxis gestartet, der neun Empfehlungen für eine zukunftsfähige Ernährungs- und Verbraucherbildung formuliert hat, um das nötige theoretische Wissen und entsprechende Kompetenzen zu vermitteln. Grundlage der Empfehlungen ist eine Vision über Grundkompetenzen eines jungen Erwachsenen am Ende seiner schulischen Laufbahn, nämlich Wissen, Werten, Handeln, Genießen und Reflektieren.
Judith Benedics verwies dazu auf Studien, die eine gesundheitliche Benachteiligung bei Lehrlingen belegen. Sie regt daher an, die Empfehlungen zu erweitern und die Maßnahmen auch auf die duale Ausbildung anzuwenden. „Das Ziel sind Verbraucher, die gute Entscheidungen für Gesundheit und Nachhaltigkeit treffen können, über die dafür notwendigen finanziellen Mittel verfügen und sich sicher in der Konsumwelt bewegen. Wichtige Bereiche, um das zu vermitteln, sind insbesondere Kindergärten, Schulen und die Gemeinschaftsverpflegung. Wir wollen alle betroffenen Sektoren ins Boot holen“, so Benedics. Schließlich tragen etliche andere Alltagssettings zum Kompetenzerwerb und zur Ausbildung von günstigen Essgewohnheiten bei. Sie sieht daher auch im Handel Chancen der Verhältnisprävention und nennt die Marktgestaltung sowie die bessere Präsentation von Obst, Gemüse und Vollkornprodukten bzw. ein abwechslungsreiches Angebot an Speisen in der Gemeinschaftsverpflegung, das zum Genuss einlädt und gesundheitsförderlich ist, als mögliche Maßnahmen. „Es gibt viele Möglichkeiten, die Wahrnehmung über Essen zu beeinflussen und nachhaltige Ernährungsformen abzubilden“, so Benedics.
Resilienz dank Bildung
Katharina Koßdorff und Elisabeth Hauer-Banas – selbst Teilnehmerinnen des Runden Tisches – betonten, dass es wichtig ist, beim Wissen zu beginnen und die weiteren Grundkompetenzen aufeinander aufbauend und verschränkt zu lehren. Miteinzubeziehen sind das gesellschaftliche und familiäre Umfeld, die Essgewohnheiten stark beeinflussen. Ernährungswissen und -kompetenzen sollten zudem nicht nur anhand von theoretischen, sondern auch praktischen Inhalten vermittelt werden, so Hauer-Banas. Grundlage dafür ist die Ausstattung der Schulen mit Küchen, Gärten oder geeigneten Praxisräumen. Besonderes Augenmerk bei der Umsetzung der Empfehlungen sollte darauf liegen, dass fachlich fundierte Inhalte gelehrt werden. Sie fordert eine stärkere Vermittlung von Lebenskompetenzen und damit auch mehr Unterrichtseinheiten für Ernährungs- und Verbraucherbildung.
Ein höheres Bildungslevel fördert das Bewusstsein für die Komplexität des Ernährungssystems und macht die Konsumenten krisenresilienter. Auch für die Lebensmittelwirtschaft ist das relevant, wie Koßdorff unterstreicht: „Die Konsumenten müssen Bescheid wissen, um richtig zu handeln. Die steigende Nachfrage für Produkte, die einen gesunden Lebensstil fördern, erleichtert es der Lebensmittelindustrie, diese auch anzubieten. Wir müssen ja auf die Wünsche der Konsumenten eingehen und können nicht an ihnen vorbei produzieren.“ So werden etwa stets neue fett-, salz- und zuckerreduzierte Produkte auf den Markt gebracht und Anforderungen der Nachhaltigkeit verstärkt umgesetzt. „Die Schule ist ein Ort, an dem man diese Kompetenzen – Wissen, Werten, Handeln, Genießen und Reflektieren – unabhängig von der sozialen Herkunft erwerben kann. Wir müssen von einer Reparaturmentalität zu einer der Prävention kommen. Und dazu müssen wir Ernährung stärker in die Lehrpläne bekommen“, so Koßdorff.
Benedics befürwortet zudem, bestehende Plattformen für qualitätsgeprüfte Unterrichtsmaterialien auszubauen und so gesundes Essen von Anfang an zu ermöglichen. Sie stellte die Österreichischen Gesundheitsziele für gesundheitsförderliche Gesundheitspolitik und hier insbesondere das Ziel 7 vor, das vorsieht, eine gesunde und nachhaltige Ernährung für alle zugänglich zu machen. Dabei arbeiten – wie auch beim Nationalen Aktionsplan Ernährung – alle betroffenen Sektoren zusammen.
Die neun Empfehlungen im Überblick:
- Primarstufe (Volksschule): Interesse fördern, Bezug schaffen, Basiswissen vermitteln
- Verpflichtendes Unterrichtsfach in der Sekundarstufe I
- Unterricht für Ernährung und Haushalt in Sekundarstufe I ausweiten
- Ernährungs- und Verbraucherbildung fächerübergreifend: Ergänzend unter bestimmten Bedingungen
- Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Pädagoginnen und Pädagogen intensivieren
- Potenzial ganztägiger Schulformen besser nutzen
- Fundierte Unterrichtsmaterialien gewährleisten und verwenden
- Praxis ermöglichen: Ausstattung der Schulen verbessern 9. Lebenslanges Lernen für alle Menschen fördern
Die neun Empfehlungen sind in einer Kurz- und Langversion auf der Website des f.eh abrufbar.