Macht bitter fitter? Ein kritischer Blick auf den Rummel rund um Bitterstoffe

Bitterstoffe erleben aktuell einen regelrechten Hype: Was einst als unerwünschte Note galt, wird heute als wertvoller Bestandteil einer bewussten Ernährung gefeiert. Doch welche Behauptungen über Bitterstoffe sind wissenschaftlich belegt – und wo beginnt die Vermarktung von Mythen?
Bitterstoffe sind derzeit in aller Munde. Einst als unangenehme Geschmacksnote gemieden, werden sie heute häufig als unverzichtbar für die Gesundheit vermarktet. Ihnen werden zahlreiche gesundheitliche Vorteile zugeschrieben – von einer besseren Verdauung bis hin zur Unterstützung des Stoffwechsels, als Abnehmbooster und zur Unterstützung beim "Detox". Doch was ist wirklich dran an diesen Behauptungen? "Tatsächlich gibt es keinen bekannten Mangel an Bitterstoffen, und ihre gesundheitlichen Vorteile werden in der öffentlichen Debatte oft überbewertet“, betont Marlies Gruber, Geschäftsführerin des forum. ernährung heute (f.eh). „Sie können die Vielfalt des Speiseplans bereichern, sind aber für eine bedarfsgerechte Ernährung nicht essenziell."

In vielen Küchen der Welt haben Bitterstoffe ihren festen Platz: Sei es in der italienischen Küche mit Radicchio oder in Asien mit bitteren Teesorten. Bitterstoffe kommen aber in vielen Lebensmitteln vor, darunter Chicorée, Endivien, Kohlgemüse, Grapefruit, Wermut und Kaffee. Sie fördern den Appetit und können den Speichelfluss sowie die Ausschüttung von Verdauungssäften anregen. So unterstützen sie die Magen-Darm-Funktion. Eine direkte gesundheitliche Notwendigkeit besteht jedoch nicht. Es gibt keine gesundheitlichen Nachteile bei geringer Aufnahme oder einen tatsächlichen Bedarf an Bitterstoffen, den es abzudecken gilt. Damit ist auch die Frage geklärt, ob wir Bitterstoffe als Nahrungsergänzung benötigen. Denn mit dem Hype rund um Bitterstoffe wächst das Angebot an Kapseln, Tropfen und Pulver, die gezielt Bitterstoffe liefern sollen. Notwendig sind diese Produkte jedoch nicht: "Statt auf gehypte Präparate zu setzen, sollten wir uns besser auf eine abwechslungsreiche Ernährung konzentrieren", empfiehlt Gruber.

Geschmacksprägung durch Erfahrung

Von Natur aus lehnen viele Menschen bittere Geschmacksrichtungen ab – besonders Kinder. Während süß evolutionär mit energiereichen und reifen Lebensmitteln assoziiert wird, haben Bitterstoffe andere Funktionen: Bitterkeit dient als Warnsignal für potenziell giftige Substanzen. Gerade Pflanzentoxine sind für kleine Kinder gefährlicher als für Erwachsene, da die tolerierbare Dosis vom Körpergewicht abhängt. Blätter und andere Gemüseteile sind öfter Träger dieser Pflanzentoxine als Früchte und einige Sorten schmecken bitter. Es überrascht daher nicht, dass Kinder manches Gemüse ablehnen.

Doch Präferenzen können durch Erfahrung entwickelt werden: Wer bittere Lebensmittel regelmäßig konsumiert, gewöhnt sich daran und findet mitunter Gefallen. "Unsere Geschmacksvorlieben sind anpassungsfähig, sie ändern sich je nach unseren Essgewohnheiten", so Gruber. Denn: "Uns schmeckt, was wir essen, und wenn verschiedene Gemüse, Kräuter, Beeren, Gewürze, Hülsenfrüchte und Nüsse Teil unseres Speiseplans sind, legen wir eine starke Basis für eine gesundheitsförderliche und ausgewogene Ernährung", so Marlies Gruber.

"Unsere Ernährung wird vielfältiger und genussvoller, wenn wir alle Geschmacksarten voll ausschöpfen", betont Gruber. "Bitter kann dabei ein wertvoller Bestandteil sein und in der Kombination einen interessanten Kontrapunkt zu Süß bilden." Ob als Kräuter in Salaten, als bitter-herbe Note in Tees oder als Gemüsegerichte – der bewusste Einsatz von Bitterstoffen kann auch die Kreativität in der Küche fördern.