Verantwortungsvoll Genießen statt Pendeln zwischen Exzess und Verzicht

Zwischen Verzicht und Übermaß einen nachhaltigen Mittelweg für Verantwortung & Genuss zu finden braucht Wissen, Reflexion und Aufklärung statt Verbote.
Jahreswechsel, Dry January, Winterurlaub und Fastenzeit – gerade am Jahresbeginn wechseln kulinarisch die Extreme zwischen Übermaß und völliger Abstinenz. Dabei ist es weder der völlige Verzicht noch das ungezügelte Zuviel, das langfristig zu einer bewussten Ess- und Trinkkultur führt. Vielmehr geht es darum, Genuss als bewusste Entscheidung zu verstehen, Trink- sowie Ernährungsgewohnheiten regelmäßig zu reflektieren sowie entsprechend im Sinne eines gesunden Lebensstils anzupassen, so der Appell des forum. ernährung heute (f.eh): "Menschen brauchen Wissen und Orientierung sowie die Chance, gute Gewohnheiten zu etablieren, und nicht Verbote, um einen verantwortungsvollen Umgang mit den Produkten an der Spitze der Ernährungspyramide und Alkohol zu finden", so f.eh-Geschäftsführerin Marlies Gruber.

Alkohol hat in vielen Kulturen eine lange Tradition – von festlichen Anlässen bis hin zum gemeinsamen Glas Wein zum Abendessen. Laut dem aktuellen „Handbuch Alkohol – Österreich 2023“ liegt der Pro-Kopf-Konsum von Reinalkohol (ab 15 Jahren) hierzulande bei 11,6 Litern pro Jahr – ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den 1970er-Jahren. Dennoch konsumieren 15 % der Bevölkerung Alkohol in gesundheitsgefährdendem Ausmaß (19 % der Männer, 11 % der Frauen). Ihnen stehen fast ebenso viele abstinent lebende Menschen gegenüber sowie eine Mehrheit, die wenig bis moderat Alkohol trinkt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehlen, auf den Konsum von Alkohol möglichst zu verzichten.

Genussbewusstsein statt Verbote

Langfristige Veränderungen in der Trinkkultur geschehen nicht über Nacht, sondern durch einen schrittweisen gesellschaftlichen Wandel. Der renommierte Gesundheitspsychologe, Suchtexperte und stellvertretende Leiter des Kompetenzzentrums Sucht bei der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), Priv. Doz. Dr. Alfred Uhl, betont im f.eh-live im Talk „Zwischen Genuss und Risiko: Alkoholkonsum in Diskussion“ ebenfalls die Bedeutung von laufender Aufklärung: „Trinkkultur ist tief in unserer Gesellschaft verankert. Sie ändert sich nicht plötzlich aufgrund einer Kampagne, sondern über einen langfristigen Generationenwechsel, wo junge Menschen mit anderem Verhalten nachkommen.“ Wesentlicher Schlüssel? „Entscheidend ist nicht das strikte Regulieren, sondern das Verstehen der eigenen Konsummuster. Zeitweilige Karenzphasen können helfen, wieder ein geschärftes Bewusstsein für den eigenen Konsum zu entwickeln und das Geschmacksempfinden zu sensibilisieren“, sagt Gruber.

Basis für eine langfristige Perspektive auf den verantwortungsvollen Umgang mit Genussmitteln bietet die internationale Ottawa-Charta für Gesundheitsförderung, die einen emanzipatorischen Ansatz verfolgt: Statt restriktiver Maßnahmen setzt sie auf Wissen und Selbstbestimmung, um Menschen zu befähigen, informierte und eigenverantwortliche Entscheidungen für ihre Gesundheit zu treffen. Dieser Ansatz fördert zudem nachhaltige Verhaltensänderungen und stärkt den Kulturwandel hin zu bewusstem Konsum. „Die Diskussion um Alkoholpolitik wird oft zwischen restriktiven und liberalen Ansätzen geführt. Während restriktive Maßnahmen wie hohe Preise oder die Einschränkung der Einkaufsmöglichkeiten für alle gelten – und damit auch für jene, die einen verantwortungsvollen Umgang pflegen – setzen liberale Konzepte auf Eigenverantwortung und Aufklärung sowie auf gezielte Suchtprävention“, so Uhl.

Genuss statt Wirkung

Wie kann Menschen, die Alkohol konsumieren wollen, also ein lebenslang vernünftiger Umgang damit gelingen? Drei Punkte sind für einen maßvollen und kontrollierten Konsum wesentlich:

  1. Aufgrund des Suchtpotenzials gilt es, immer wieder die Motivation zum Konsum zu hinterfragen. Solange man vielfältige Möglichkeiten hat, mit einzelnen Situationen und Stimmungen umzugehen, bleibt man meist vor einer Suchtdynamik bewahrt. Die Motivation sollte im Genuss und nicht im Wirkungstrinken liegen. Dazu zählt etwa, wenn man mit Alkohol Hemmungen abbauen, Sorgen vergessen oder von der Arbeit abschalten will.
  2. Bei der Frequenz ist auf zumindest drei alkoholfreie Tage pro Woche zu achten.
  3. Hinsichtlich der Menge sollten bei einem Anlass nicht mehr als drei Standarddrinks getrunken werden. Unter einem Standarddrink versteht man mengenmäßig je 1/8 l Wein, 0,33 l Bier oder 4 cl Spirituosen.

Das Gespräch zum Thema „Zwischen Genuss und Risiko“ mit Priv. Doz. Dr. Alfred Uhl (Kompetenzzentrum Sucht der Gesundheit Österreich Gmbh, von der Sigmund Freud Privat Universität Wien) und Mag. (FH) Nicole Grob vom Schutzverband der österreichischen Spirituosen- und Sektwirtschaft fand im Rahmen der Reihe f.eh-live im Talk statt und kann auf dem f.eh-Youtube-Kanal nachgesehen werden.