Vorliebe für Umami: angeboren, evolutionär wichtig, kulinarisch wertvoll
Die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen dienen als evolutionäres Orientierungssystem. Während Süße Sicherheit und Energie signalisiert und Bitterkeit vor Giftstoffen warnt, verbinden wir Umami mit fleischig, herzhaft und kräftig. Das Wort selbst kommt aus dem Japanischen, bedeutet köstlich und wurde erstmals vom Chemiker Kikunae Ikeda als Beschreibung für diesen Sinneseindruck verwendet. Umami steht in einem engen Zusammenhang mit dem Feuermachen, denn dadurch wurden viele Lebensmittel erst genießbar und durch Kochen, Braten und Garen kommt der Geschmack zum Vorschein.
Warum bildet sich Umami erst bei der Verarbeitung?
Wissenschaftlich betrachtet entsteht der Umami-Geschmack durch zwei Eiweißbestandteile (Aminosäuren) in ihrer Salzform: Glutaminsäure als Glutamat und Asparaginsäure als Aspartat. Sie sind mit anderen Aminosäuren in Proteinen in einer Kette aneinandergereiht. Um sie zu schmecken, müssen sie jedoch in ihrer freien Form vorliegen, da sie als gebundenes Nahrungseiweiß zu komplex sind. Prozesse wie Reifung, Trocknung, Gärung, langes Kochen oder Fermentation brechen die Kette auf und die Aminosäuren werden freigesetzt. Dann können wir sie schmecken, weil die Moleküle klein genug sind, um an einem der drei Umami-Rezeptoren der Zunge anzudocken.
Tomaten enthalten bereits roh viel freies Glutamat, während Sojabohnen erst nach Fermentation (z. B. Sojasauce) deutlich umami schmecken. Hühnersuppe entwickelt nach rund drei Stunden Kochzeit nennenswertes freies Glutamat. Als Umami-Nonplusultra ist Dashi bekannt, die Grundlage für Misosuppen. Dabei handelt es sich um einen japanischen Fischsud aus Thunfischflocken und Kombualgen. In der veganen Variante werden Shiitakepilze gemeinsam mit gerösteten Sojabohnen oder geröstetem Reis verwendet. Weitere Lebensmittel mit hohem Glutamatgehalt sind Erbsen, Spinat, Spargel, Sauerkraut, Kimchi, gereifte Käse, Meeresalgen, Nüsse und Samen. Interessant dabei: Pflanzliche Lebensmittel enthalten oft sogar mehr Glutamat im Verhältnis zum Eiweißgehalt als tierische.
„Umami macht Speisen nicht nur schmackhafter, sondern unterstützt eine bewusste Ernährung. Glutamat ermöglicht eine Salz- oder Fettreduktion, ohne auf Geschmack zu verzichten. Lebensmittel mit einem hohen Gehalt wie Pilze, Nüsse und Samen sind also auch sensorisch wichtige Komponenten in Gerichten“, betont Marlies Gruber. „Umami reduziert auch Bitterkeit, weshalb Tomaten oder Parmesan oft in Rezepten auftauchen, um bittere Aromen von Kräutern, Gemüse oder Leber abzumildern.“
Sorge unbegründet
Glutamat ist ernährungsphysiologisch unbedenklich, unabhängig davon, ob es aus natürlichen Quellen stammt oder als Zusatzstoff hinzugefügt wurde. Denn ob natürlich oder künstlich ist aus wissenschaftlicher Sicht für die Funktion eines Stoffes und Wirkung im Organismus unerheblich, wenn seine Moleküle identisch sind. Die Kontroverse rund um Glutamat als Ausgangspunkt für guten Geschmack bedarf also nach wie vor mehr Sachlichkeit.