Wert statt Waste: Wer gut plant, muss weniger entsorgen

Über die Hälfte der vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Österreich entstehen in Haushalten – clevere Planung, Portionsbewusstsein, richtige Lagerung und Resteverwertung sind wirksame Hebel gegen Verschwendung.
Das Bewusstsein für verantwortungsvollen Konsum wächst. Doch während Verpackung und Produktionsbedingungen öffentlich stark diskutiert werden, bleibt ein Thema erstaunlich oft unter dem Radar: vermeidbare Lebensmittelabfälle im eigenen Haushalt. Dabei entstehen laut den letzten veröffentlichten Daten aus 2022 in Österreich rund 53 % aller vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Privathaushalten: „Wenn wir über Nachhaltigkeit reden, müssen wir auch über praktische Alltagslösungen sprechen, von Lagerung und Kühlschrankhygiene bis zu Portionsgrößen“, betont Marlies Gruber, Geschäftsführerin des forum. ernährung heute (f.eh). „Lebensmittel, die wir gar nicht erst essen, sind die größte ungenutzte Ressource im Alltag. Die Gründe, warum Lebensmittel im Müll landen, sind vielfältig und reichen von fehlendem Wissen über mangelnde Zeit, Platz oder Ideen zur Verwertung. Hier kann jede und jeder Einzelne ansetzen.“

Lebensmittelabfälle haben viele Ursachen: Laut einem Bericht des WWF zählen fehlende Zeit für die Zubereitung, ungünstige Lagerbedingungen oder fehlende Kochideen zu den Hauptgründen. Auch falsche Planung, flexibler Lebensstil, Unsicherheit beim Mindesthaltbarkeitsdatum, oder schlicht zu große Portionen tragen zu Food Waste bei. Klar ist: Die Verantwortung beginnt beim Einkauf und dem täglichen Umgang mit Lebensmitteln in unseren Küchen. Ein signifikanter Teil des Wegwerfens ist vermeidbar, wie internationale und nationale Daten belegen. Laut Analyse des damaligen Bundesministeriums für Klimaschutz (BMK) in Zusammenarbeit mit Eurostat ist der Anteil von Handel (7 %) oder Produktion (1 %) an den Gesamtverlusten vergleichsweise gering.

Portionsgrößen als unterschätzter Hebel

Ein besonders wirkungsvoller Faktor ist die Portionsgröße. Studien zeigen: Wer adäquate Mengen einkauft und kocht, wirft weniger weg. Besonders deutlich wird das im Außer-Haus-Bereich. Ergebnisse einer Untersuchung vom Institut für Abfallwirtschaft der BOKU University Vienna und einem Caterer ergaben, dass eine Reduktion der Standardportion um 20–25 % das Aufkommen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen um rund 60 % verringerte – und das bei gleichbleibender Kundenzufriedenheit. Auch das Schulcatering weist Optimierungspotenzial auf: Dort wird Erhebungen zufolge etwa ein Drittel des angelieferten Essens nicht gegessen. Die Gründe dafür liegen nicht nur bei großen Portionen, sondern oftmals im Zeitdruck in der Mittagspause sowie ungeplanten Abwesenheiten.

Verpackung: Nutzen oft größer als gedacht

Verpackungen werden in der Nachhaltigkeitsdebatte häufig kritisch gesehen, doch sie erfüllen eine zentrale Funktion: Sie schützen Lebensmittel vor dem Verderb. „Viele Menschen packen Produkte zu Hause um, weil Plastik negativ besetzt ist – etwa Schinken aus der Folie in die Dose, Tomaten aus der Schutzfolie ins Körbchen. Das kann allerdings zu mehr Verderb führen, nicht zu weniger“, erklärt Gruber. Denn Faktum ist: „Im Durchschnitt ist die CO2-Bilanz eines Lebensmittels bis zu 30-mal höher als jene seiner Verpackung. Das heißt konkret: Die ordentlich entsorgte Plastikverpackung belastet die Umweltbilanz weniger als ein verdorbenes Lebensmittel im Müll.“

Auch bei Gebindegrößen ist der Zusammenhang nicht so einfach, wie es scheint. Kleinere Packungen benötigen mehr Verpackungsmaterial – das stimmt. Doch die Daten zeigen: Bleiben nur 3 % eines Produkts in einer Großpackung ungenutzt, ist die kleinteilige Verpackung in der Ökobilanz bereits nachhaltiger. „Verpackung ist Teil der Lösung. Entscheidend ist, wie wir mit ihr umgehen“, betont Gruber. „Wer Lebensmittel sachgerecht lagert, gut plant und bewusst portioniert, schützt nicht nur die Umwelt, sondern auch den eigenen Geldbeutel.“

Alltagswissen macht den Unterschied

Das f.eh setzt sich dafür ein, Ernährungskompetenz mit Alltagstauglichkeit zu verbinden. Die besten Strategien nützen wenig, wenn sie nicht verstanden oder umgesetzt werden können. Ob richtiges Lagern (Stichwort Kühlkette), sinnvolle Mengenwahl beim Einkauf oder die Einschätzung von Haltbarkeit: Kleine Routinen im Alltag können große Wirkung entfalten. Ansätze gibt es genug:

  • „Die Hand als Maß“: Portionsgrößen für Reis, Fleisch oder Gemüse lassen sich ohne Küchenwaage ganz einfach abschätzen.
  • Kühlschrank richtig einräumen: Generelles Prinzip: First in – first out.
  • Was tun mit Resten? Kreativ verwerten! Etwa mit Brotauflauf, Gemüsesuppe oder einem „Reste-Tag“ pro Woche.
  • Haltbarkeit verstehen: sich über den Unterschied zwischen Mindesthaltbarkeitsdatum und Verbrauchsdatum informieren.
  • Verpackung mit Funktion: Originalverpackungen verlängern die Haltbarkeit und eine richtige Aufbewahrung vermeidet Verderb.
  • Einkaufsplanung leicht gemacht: Listen führen, Vorräte prüfen, Mahlzeiten vorausdenken – so landen nur jene Mengen im Einkaufskorb, die auch gegessen werden.

„Unser Ziel muss sein, durch fundierte Information und realitätsnahe Ansätze eine neue Kultur der Wertschätzung für Lebensmittel zu fördern: verständlich, alltagstauglich und lösungsorientiert. Bewusst Einkaufen, clever Lagern und achtsam Kochen sind keine Wissenschaft, aber ein wirksamer Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung“, so Marlies Gruber.