Essen lernen - aber wie? Ernährungsbildung der Zukunft
Programm
ab 09:00 Uhr Registrierung
09.30-09.45 Uhr Begrüßung
Peter Reinecke, Marlies Gruber, f.eh
Kurt Nekula, Bundesministerium für Bildung
09.45-10.30 Uhr Ernährungsbildung findet am Esstisch statt.
Silke Bartsch, Pädagogische Hochschule Karlsruhe
10.30-11.00 Uhr Was die Psyche aus Ernährungsinformationen macht!
Ronia Schiftan, Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE
11.00-11.20 Uhr Kaffeepause
11.20-11.50 Uhr Die digitale Welt: Apps und Co auf dem Prüfstand
Kirsten Schlegel-Matthies, Universtität Paderborn
11.50-12.30 Uhr Podiumsdiskussion: So viel und so wirr!
Gäste: Ursula Buchner (Thematisches Netzwerk Ernährung), Elena Kinz (open science), Birgit Wild (Pädagogische Hochschule Tirol), Andrea Schwarzmann (Arbeitsgemeinschaft Österreichische Bäuerinnen)
12.30-13.30 Uhr Mittagessen
13.30-16.00 Uhr best practice: Lernen aus der Praxis
SALTO: Ernährung und Bewegung an Bildungseinrichtungen
Susanne Ring-Dimitriou, Paris Lodron Universität Salzburg, Hallein
Schule des Essens
Theres Rathmanner, FiBL, Wien
Smaaklessen-Taste lessons: best practice in The Netherlands
Ammenien Haveman-Nies, University of Wageningen, Netherlands
14.45-15.05 Uhr Kaffeepause
Deine Birne rettet die Welt! Klima-Kochwerkstatt für jugendliche SchülerInnen
Claudia Ertl-Huemer, GMS Gourmet GmbH, Wien
KiCo und Lecker tafeln
Andrea Lambeck, plattform ernährung und bewegung - peb, Berlin
16.00-16.30 Uhr Podiumsdiskussion: Zwischen Theorie und Praxis
Gäste: Alexander Biach (Hauptverband der Sozialversicherungsträger), Kurt Nekula (Bundesministerium für Bildung), Andrea Gerstenberger (Kirchliche PH Wien/Krems), Karin Schindler (Bundesministerium für Gesundheit), Taliman E. Sluga (Kulturmanager und Buchautor)
ab 16.30 Uhr Schlussworte, danach get together
f.eh präsentiert „Bausteine für ein besseres Essverhalten“
„Wir sehen bei Kindern, dass sie den Bezug zu Lebensmitteln verloren haben. Sie wissen nicht mehr, wie und wo diese entstehen und können auch nicht einschätzen, welche Wirkungen sie auf uns und die Umwelt haben. Da braucht es mehr Bewusstseinsbildung und auch viel mehr Praxis sowie lustvolles, lebenslanges Lernen“, sagt Marlies Gruber, Geschäftsführerin des f.eh. Aus diesem Grund veröffentlichte das f.eh im Rahmen des Symposiums „6 Postulate zum Thema Essen, Lebensstil, Verantwortung und Bildung“.
Ernährungsbildung fix im Schulsystem verankern
Eine zentrale Forderung des f.eh ist es, Essen im Sinne einer Kulturtechnik verpflichtend interdisziplinär an Schulen zu integrieren. Silke Bartsch, Professorin für Ernährungs- und Haushaltswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, unterstützt diese. „Eine zeitgemäße Ernährungsbildung will junge Menschen befähigen, die eigene Ernährung politisch mündig, sozial verantwortlich und demokratisch teilhabend unter den herrschenden komplexen gesellschaftlichen Bedingungen zu gestalten. Wenn wir eine Grundbildung Ernährung für alle wollen, müssen wir sie institutionalisieren!“ Der Schule als erster formaler Bildungseinrichtung kommt eine besondere Rolle zu, denn unabhängig vom sozio-ökonomischen Status werden hier alle Kinder erreicht.
Mit Hirn, Herz und Händen
Die „Schule des Essens“ ist ein Vorzeigeprojekt, das vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau Österreich (FiBL) entwickelt wurde und durchgeführt wird. Die Projektleiterin Theres Rathmanner vom FiBL: „Unser Ziel ist es, Kinder und Jugendliche für gute – bewusst nicht „gesunde“ – Ernährung zu begeistern. Wir möchten, dass Schüler zu informierten, kompetenten, selbstbestimmten und gesunden Essern mit Sinn für Genuss und Nachhaltigkeit werden. Zentraler Lernort dabei ist die Küche.“ Das geschieht ohne erhobenen Zeigefinger, mit wenigen Gesundheitsargumenten, dafür mit viel Praxis, Selbst-Erfahren, Freude am Ausprobieren und Erleben von Geschmack. Lernen „mit Hirn, Herz und Händen“, wie es Rathmanner bezeichnet. Ziel ist es, die „Schule des Essens“ dauerhaft im Schulsystem zu verankern. Ob und wann dies gelingt, ist, wie bei vielen Projekten, auch eine Frage der Finanzierung.
Schlüsselelemente: Kochen, lachen und staunen
Die Vorstellung ausgewählter Praxisprojekte aus Österreich, Deutschland und den Niederlanden zeigte durchgehend, dass hands-on-Aktivitäten, ein praktischer, alltagsnaher Zugang und emotionale Erlebnisse mit Lebensmitteln klare Erfolgsfaktoren sind. Das heißt, Kinder lernen am besten, wenn sie Lebensmittel im wahrsten Sinne des Wortes be-greifen, selbst kochen und gemeinsam essen.
„Ernährungswissen beginnt bereits bei der Produktion“, macht die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Bäuerinnen, Andrea Schwarzmann, aufmerksam. In diesem Sinne sind jährlich etwa 300 Seminarbäuerinnen im Rahmen von rund 1800 Bildungseinsätzen an Österreichs Schulen unterwegs und vermitteln Kindern so praxisnahe Erfahrungen mit Grundnahrungsmitteln. Auch Bundesbäuerin Schwarzmann fordert, die Vermittlung von Ernährungs- und Lebenskompetenz in allen Schulbereichen fix zu verankern.
Kritisch umgehen mit Neuen Medien
Will man, dass Jugendliche zu kritischen Konsumenten mit Entscheidungskompetenz heranwachsen, kommt man um das Thema Digitalisierung, Social Media und Apps nicht herum. Zum einen können, etwa mittels facebook- oder Instagramm-Beobachtung, Trends und Motive frühzeitig erkannt werden, wie Ronia Schiftan von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) anschaulich darstellte. Zum anderen beeinflussen Apps das Verhalten direkt. In welcher Weise, dazu gibt es derzeit allerdings keine Studien, erläutert Kirsten Schlegel-Matthies, Professorin für Haushaltswissenschaft an der Universität Paderborn.
Sie sieht Apps zwar als guten Anknüpfungspunkt an die Lebenswelt junger Menschen, beurteilt sie aber durchaus kritisch: „Mit der Nutzung von Ernährungs-Apps und der damit oft verbundenen Selbstvermessung wird auch das Verhältnis zum eigenen Körper ein Stück weit entfremdet. Genussaspekte fehlen praktisch völlig. Doch die angebotenen Lösungen klingen einfach und man kann die Verantwortung abgeben. Aber wer hat die Kontrolle über die App? Aufgrund welcher Basisdaten wurde sie programmiert? Wer sagt, was richtig ist? Es ist nicht gesichert, dass die Datengrundlagen einer App wissenschaftlich abgesichert sind.“ Ernährungsbildung dient schließlich, wie Schiftan und Schlegel-Matthies unisono betonen, dem selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Umgang mit dem eigenen Körper und der Entwicklung einer ebenso selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Ernährungsweise. Der Umgang mit neuen Medien ist dabei nur ein kleiner Aspekt, der aber genauso bearbeitet werden muss.
Wissenschaftlich fundiert, praktisch orientiert
Die wissenschaftliche Absicherung betont auch Jürgen König vom Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien und Leiter des Wissenschaftlichen Beirates des f.eh. „Um die Relevanz oder Korrektheit von Ernährungsinformationen, die in Medien gerne überspitzt oder gar widersprüchlich dargestellt werden, zu beurteilen, braucht es Wissen und Bildung. Ohne breite Ernährungsbildung kann keine Eigenverantwortung übernommen werden.“ König sieht dabei alle Stakeholder in der Pflicht, Studienergebnisse mit Bedacht, sowie allgemeinverständlich zu kommunizieren. Nur so können Konsumenten das Handwerkszeug erlangen, um Ernährungsinformationen eigenständig zu bewerten, in Bezug zu ihrer individuellen Lebenssituation zu setzen und eigenverantwortliche Ess-Entscheidungen zu treffen.
Eigenverantwortung und Reflexion
Noch eine Botschaft liegt König am Herzen: „Schlussendlich ist es wichtig, dass man auch ein bisschen über sich selbst nachdenkt. Ich glaube, die meisten Menschen wissen, was sie falsch machen. Es ist natürlich leichter, die Verantwortung an irgendjemand anderen abzugeben. Wenn man aber sein eigenes Gesundheitsverhalten reflektiert, dann merkt man relativ schnell, dass sehr viele Punkte vorhanden sind, die in der eigenen Verantwortung liegen und wo man die Verantwortung nicht wirklich an jemand anderen abgeben kann, darf oder sollte.“