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Antworten auf wichtige Fragen zu „hochverarbeiteten“ Lebensmitteln

Ob süße oder salzige Snacks, Wurstwaren, Aufstriche oder Fertiggerichte: Sogenannte „hochverarbeitete“ Lebensmittel stehen medial und politisch zunehmend in der Kritik. Dabei wird das Thema auch wissenschaftlich intensiv diskutiert – beginnend bei der Definition solcher Produkte bis hin zu deren gesundheitlichen Auswirkungen. In Zusammenarbeit mit unserem wissenschaftlichen Beirat haben wir in den vorliegenden FAQ ausgewählte wissenschaftlich, medial und gesellschaftlich präsente Fragen bearbeitet. Nicht alle können aktuell beleuchtet werden, wir werden jedoch laufend aktualisieren und erweitern.

Kernaussagen

  • Die NOVA-Klassifizierung teilt Lebensmittel anhand ihrer Verarbeitungsgrade ein (21). Sie ist in Fachkreisen umstritten. Der Klassifizierung zufolge fallen pflanzliche Bratlinge und vorverpacktes, geschnittenes Vollkornbrot genauso hinein wie Cracker. Die Gruppe der hochverarbeiteten Lebensmittel ist demnach sehr heterogen und bietet viel Platz für Interpretationsspielraum (10). Das macht die Ergebnisse der Studien schwer vergleichbar.
  • Die meisten Ergebnisse stammen aus Beobachtungsstudien (5). Diese können allerdings keine Ursache-Wirkungs-Beziehung mit den Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Adipositas, Diabetes Typ 2, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachweisen.
  • Die methodische Qualität der Studien zu „hochverarbeiteten“ Lebensmitteln wird von mehreren Seiten als niedrig beurteilt (5, 35).
  • Eine gesunde Ernährung entsprechend dem Healthy-Eating-Index ist auch mit Lebensmitteln der Kategorie NOVA 4 möglich (11). Ideal ist eine abwechslungsreiche, ausgewogene Ernährung, wie sie im Rahmen der österreichischen oder deutschen Ernährungsempfehlungen oder der Planetary Health Diet empfohlen wird.
  • Obwohl die vorherrschende Meinung ist, dass Lebensmittel keine substanzgebundene Abhängigkeit wie Drogen auslösen, ist das Potenzial bestimmter Lebensmittel, Suchtverhalten zu verursachen, im wissenschaftlichen Diskurs immer noch umstritten.
  • Führende Ernährungsgesellschaften und Berufsverbände (z. B. DGE, ÖGE, SGE, VDOE) lehnen die Einteilung von Lebensmittel in „gesund“ und „ungesund“ ab. Entscheidend ist vielmehr, wie viel wovon gegessen wird (22).
  • Lebensmittel mit hohem Energie-, Fett-, Salz- oder Zuckergehalt sind nicht für das Stillen von Hunger oder Durst gedacht, sondern sollen als Genussmittel nur in kleinen Mengen und bewusst konsumiert werden.


FAQ

Über das f.eh

Was macht der wissenschaftliche Beirat?

Er unterstützt ehrenamtlich bei fachlichen Agenden und Schwerpunktsetzungen, sichert die wissenschaftliche Fundierung der f.eh-Arbeit und gibt Empfehlungen für die Programmgestaltung. Er setzt sich aus Expertinnen und Experten aus unterschiedlichsten Forschungsfeldern zusammen und ist rein der Wissenschaftlichkeit verpflichtet.

Ausblick

Der polarisierende Diskurs rund um „hochverarbeitete“ Lebensmittel verunsichert aufgrund der komplexen Datenlage viele Menschen und schafft Spielraum für Fehlinformationen. Wichtig ist, bei Konsumentinnen und Konsumenten die Selbstermächtigung und Eigenverantwortlichkeit zu stärken, damit sie in der Lage sind, eine ausgewogene Lebensmittelauswahl zu treffen – mit dem Ziel, aus Rohprodukten Speisen zuzubereiten, oder Lebensmittel der Kategorie NOVA 4 um frische Grundzutaten zu ergänzen. Dabei gilt es zudem, den gesamten Lebensstil zu berücksichtigen (z. B. Bewegung, Schlaf, psychische Gesundheit).

Es ist wichtig, Public-Health-Maßnahmen auf belastbare Evidenz zu stützen, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich gesundheitliche Vorteile bringen. Welche Rolle ein bestimmtes Lebensmittel in einer gesunden Ernährung spielt, hängt weniger von seinem Verarbeitungsgrad, sondern mehr von seiner Nährstoffzusammensetzung, der Menge und Verzehrhäufigkeit sowie den allgemeinen Ernährungsgewohnheiten der einzelnen Person ab. Entscheidend für Empfehlungen und langfristig erfolgreiche Präventivmaßnahmen ist ein differenzierter Blick auf eine Vielzahl weiterer Faktoren, die Zivilisationserkrankungen beeinflussen (z. B. Lebensstil, Gewohnheiten).

Beispiele nachhaltiger Maßnahmen zur Gesundheitsförderung:

  1. Bildung: Ernährungsbildung kann dazu beitragen, ernährungsrelevantes Wissen sowie lebensmittelbezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten zu steigern und Menschen dabei unterstützen, eine gesundheitsförderliche Auswahl zu treffen und einen aktiven Lebensstil zu pflegen (56).
  2. Reduktion von Portionsgrößen: Die Reduktion von Portionsgrößen ist ein wichtiger Schritt in Public-Health-Strategien, um das Ernährungs- und Gesundheitssystem zu entlasten. Die OECD und das McKinsey Global Institute zeigen auf, dass die Maßnahme mit der besten Kosteneffizienz und dem höchsten Impact relevant ist, wenn es darum geht, die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas zu senken (57, 58).
  3. Bewegungsförderung: Tägliche Bewegung und die Reduktion von Sitzzeiten können die Gesundheit verbessern und das Risiko von ernährungsmitbedingten Krankheiten maßgeblich reduzieren (59).

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