Neue Technologien für die Ernährung von morgen
Unter Präzisionsfermentation versteht man die Herstellung maßgeschneiderter Proteine, Vitamine oder Fette mithilfe modifizierter Mikroorganismen wie Hefen und Bakterien. Derzeit werden mit dieser Technologie vor allem Milchproteine (z.B. Kasein und Molkenprotein), Eiweißstoffe (z.B. Albumin für Ei-Ersatz) sowie fett- und geschmacksgebende Moleküle hergestellt. Damit lassen sich funktionale Alternativen zu tierischen Produkten erzeugen – etwa mikrobiell produzierte Käsealternativen, die in Textur und Geschmack verblüffend nah an konventionellen Käse herankommen. Tatsächlich knüpft die hochtechnologische Präzisionsfermentation an die klassische Fermentation und damit an ein jahrtausendealtes Verfahren an: Fermentierte Produkte sind uns beispielsweise mit Sauerteigbrot, Joghurt oder Sauerkraut vertraut.
Traditionelle Technik, neue Möglichkeiten
Was also klingt wie Hightech im Labor, beruht auf einer bewährten Tradition – und könnte ein Game Changer u.a. für die globale Eiweißversorgung werden: „Präzisionsfermentation schlägt eine Brücke zwischen traditionellen Wegen der Lebensmittelherstellung und neuen technologischen Möglichkeiten. Sie ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie wissenschaftlicher Fortschritt Prozesse ökologischer machen kann – ohne die Bedürfnisse der Menschen aus dem Blick zu verlieren“, sagt Dr. Marlies Gruber, Geschäftsführerin des forum. ernährung heute (f.eh) und betont: „Innovation ist ein entscheidender Motor für die Anpassung unserer Ernährungssysteme.“
Herausforderungen und Chancen der Lebensmitteltechnologie
Der Weg in die europäischen Supermärkte ist aktuell noch lang: Die Herausforderungen reichen von technologischer Skalierung über hohe Produktionskosten bis zu regulatorischen Hürden in puncto Zulassung. Für Präzisionsfermentation fehlen – anders als in Singapur, Israel oder den USA – in Europa bislang klare rechtliche Rahmenbedingungen. Neben Technik und Regulierung beleuchtet das Heft daher die gesellschaftliche Dimension: Laut internationalen Studien zeigen sich viele Menschen offen für präzisionsfermentierte Lebensmittel – vorausgesetzt, die Kommunikation ist transparent, verständlich und positiv aufgeladen. „Akzeptanz entsteht auch bei diesem Thema nicht automatisch. Sie braucht Verständnis, Vertrauen und emotionale Anschlussfähigkeit. Besonders wichtig sind dabei transparente Informationen, eine positive Tonalität in der Kommunikation und alltagsnahe Vergleiche – etwa mit der vielen Menschen bekannten Bierherstellung“, ist Ernährungswissenschafterin Marlies Gruber überzeugt.
Akzeptanz braucht Aufklärung
Für eine alltagstaugliche, umweltbewusste Ernährung kann auch der persönliche Perspektivenwechsel vorteilhaft sein: Weg vom Bild des Verzichts, hin zu einem Gewinn-Narrativ. „Mehr von der Pflanze und aus der Vielfalt schöpfen ist keine Einschränkung, sondern eine Bereicherung. Offen und neugierig sein für noch unbekannte Speisen kann das Genusserleben steigern“, so Gruber. Auch innovative Produkte müssen nicht bloß Alternative sein – sie können mitunter besser schmecken und ressourcenschonender produziert werden. Denkt man zum Beispiel an Tierwohl, Klimaschutz oder Gesundheitsaspekte, so steigt oft die Bereitschaft, Neues auszuprobieren.
Die neue Ausgabe der ernährung heute liefert eine fundierte Einordnung dieser dynamischen Entwicklung – und regt an, über die Ernährung von morgen neu nachzudenken und die Anpassung von Ernährungssystemen aktiv zu gestalten.
Neben dem Schwerpunkt rund um die Präzisionsfermentation gibt das aktuelle Magazin zudem Einblicke in die Jodversorgung im DACH-Raum, informiert über das Einwegpfandsystem in Österreich und beleuchtet in einer neuen Serie die ernährungsphysiologischen Potenziale heimischer Beeren. So bietet ernährung heute einmal mehr fundierte Informationen und Denkanstöße für eine zukunftsweisende Ernährung.