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Gewürzkunde: Muskatnuss & Macis

Gewürze haben oft heikle Geschichten, und auf die kleine Muskatnuss trifft das ganz besonders zu. Wegen ihr wurden in der Vergangenheit sogar Kriege geführt und Völker ermordet.

Die Muskatnuss heißt auf mittellateinisch Nux muscata – die nach Moschus duftende Nuss. Und tatsächlich ist Muskatnussöl in manchem Männerparfum zu finden. Auch wenn Ihnen die Moschusnote beim Kochen und Würzen noch nicht aufgefallen sein mag – dass Muskatnuss und Muskatblüte richtig „dufte“ sind, wurde schon früh erkannt.

Bewegte Vergangenheit

In England glaubte man im 16. Jahrhundert, dass die Muskatnuss das einzige Mittel gegen die Pest sei. Im 17. Jahrhundert ließ ein niederländischer Generalgouverneur auf den indonesischen Banda-Inseln – damals der einzige Wachstumsort des Muskatnussbaums – den Großteil der Inselbewohner brutal ermorden. Damit sicherte er den Niederlanden ein Muskatnussmonopol, das letztlich 150 Jahre bestand. Im 18. Jahrhundert verbrannten die Niederländer 570 t Muskatnüsse, lediglich um deren Preis in die Höhe zu treiben. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelang es, einige Gewächse zu schmuggeln und mit dem Anbau auf Mauritius zu beginnen. Dass die Muskatnuss so begehrt war, hatte Fälschungen zur Folge, und so wurden ganze Baumrinden in Muskatnussform geschnitten. Besonders im US-amerikanischen Bundesstaat Connecticut gehörte es im 18. Jahrhundert zum guten Ton, immer eine Muskatnuss samt Reibe eingesteckt zu haben, um jederzeit ein Gericht verfeinern zu können. Das brachte dem Bundesstaat den Spitznamen Nutmeg State ein. Auch die Zusammenhängenden Fäden um die Muskatnuss sind als Gewürz beliebt. Muskatblüte, auch Macis genannt, ist jedoch keine Blüte, sondern eigentlich der Samenmantel. Als die Araber das Gewürz im 11. Jahrhundert nach Europa brachten, hielt man die Pflanzenteile irrtümlich für Blüten. Die Bezeichnung blieb fortan.

Heute wächst der Muskatnussbaum (Myristica fragrans) in Asien, Südamerika und Afrika. Hauptanbauland ist Indonesien, gefolgt von Guatemala, Indien, Nepal und Sri Lanka. Er ist jedoch bereits auf der Roten Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) angeführt. Der immergrüne Baum wird bis zu 18 m hoch und benötigt heißes, feuchtes Klima. Weibliche Pflanzen tragen erstmals im fünften bis achten Jahr Früchte, es dauert jedoch 15–20 Jahre, um quantitative Ernten einzufahren. Dann bringt ein Baum 2000–3000 Früchte jährlich ein. Geerntet wird zweimal pro Jahr. Die reifen Früchte platzen auf und werden entweder vom Baum geerntet oder vom Boden eingesammelt. Für die Produktion von Muskatnussöl werden die Pflanzen im unreifen Stadium nach etwa fünf Monaten geerntet. Für Muskatnüsse und Macis als Gewürz lässt man sie sieben bis acht Monate reifen. Zunächst wird das Fruchtfleisch entfernt, anschließend werden die Nüsse (Samen) und Macis (der Samenmantel) voneinander getrennt. Beides wird anschließend in der Sonne und/oder in Trockenöfen getrocknet. Diese Verarbeitung führen üblicherweise die Bauern selbst in Handarbeit am Anbauort durch.

Erwünschtes und Unerwünschtes

Zur Wirkung der Muskatnuss gibt es keine experimentellen Studien mit Menschen, jedoch Beobachtungen, Tierstudien und In-vitro-Studien. In der Unani-Heilkunde (ursprünglich Griechenland, heute Indien und Pakistan) nimmt man Muskatnuss als Aphrodisiakum und gegen Potenzstörungen. Muskatnussöl wirkt antibakteriell, etwa gegen Staphylokokken, Salmonella Typhi und Shigella dysenteriae. In der Ayurveda-Heilkunde wird Muskat gegen Durchfall eingesetzt. Das enthaltene Myristicin dürfte gegen Rotaviren wirksam sein. Zudem wird die Muskatnuss Madashaunda – Rauschfrucht – genannt. Denn das in Muskatnuss und Macis enthaltene Myristicin kann berauschend wirken. Neben der von den Betroffenen erwünschten halluzinogenen Wirkung treten als Vergiftungserscheinungen allerdings unangenehme, unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, aber auch Angstzustände auf. Für diese Wirkung ist allerdings eine deutlich höhere Dosis als beim Würzen erforderlich. Vergiftungen sind dementsprechend selten. Tödlich waren bisher erst zwei Fälle – in den Jahren 1887 und 2001.

Tipp für Zuhause: Ganze Muskatnüsse kaufen und selbst reiben. Die besten Qualitäten werden ausschließlich als ganze Nüsse verkauft, schlechtere Qualitäten gemahlen. Auch Macis nach Möglichkeit ganz kaufen.

Eva Derndorfer

Lebensmittelsensorikerin

Kulinarischer Einsatz

Das Aroma der Muskatnuss lebt vom Zusammenspiel vieler Aromastoffe: dem wärmenden Myristicin, dem anisartigen Safrol, dem harzigwürzigen Elemicin, dem harzigen α-Pinen, dem orangeartigen Limonen, dem zitrus- und fliederartigen α-Terpineol, Kampfernoten von Borneol, frisch-holzig riechendem Sabinen sowie den Aromastoffen Eugenol und Isoeugenol, die wir von Gewürznelken kennen. Dass die Muskatnuss so viele Aromen vereint, erklärt auch die vielen Einsatzmöglichkeiten des Gewürzes. Als Faustregel gilt: Muskatnuss zu pikanten Speisen, Macis zu süßen wie Lebkuchen oder Obstkuchen. Macis kann Muskatnuss immer ersetzen, umgekehrt gilt das nur eingeschränkt.

Muskat harmoniert perfekt mit Milchprodukten – von der Béchamel- bis zur süßen Vanillesauce. Auch Käsegerichte werden damit abgerundet. Klassisch ist das Würzen von Kartoffelgerichten. Gemüse mit starkem Eigengeschmack profitieren ebenfalls von Muskatnuss und Macis, denn sie verdecken schwefelige Noten von Kohlgemüsen, reduzieren erdige Noten in der Pastinake und mildern Oxalsäuren im Spinat ab. Muskatnuss passt überdies zu Piment, Zimt, Nelken, Kakao, Koriander, Ingwer, Zitronengras und Kokosnuss. Sie ist auch ein Bestandteil der Gewürzmischungen Quatre-épices, Garam Masala, Ras el Hanout, Tandoori und Baharat. Das Muskatnussöl kann Colagetränken ebenso wie Keksen oder Wurstwaren, Zahnpasta und Medikamenten zugesetzt werden.


Dieser Artikel ist in der ernährung heute 2_2021 „im Wandel“ erschienen.

Literaturverzeichnis

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Nurjanah S, Putri IL, Sugiarti DP: Antibacterial Activity of Nutmeg Oil. KnE Life Sciences, 563–569 (2017).

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Vierich T, Vilgis T: Aroma. Die Kunst des Würzens. Stiftung Warentest (2012).

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