Potenzial der Lupine
Hülsenfrüchte sind Fixstarter in einer gesunden und nachhaltigen Ernährung. Ihrem ernährungsökologischen Potenzial hat sich kürzlich die Ausgabe 3_2022 der ernährung heute gewidmet. Während Bohnen, Linsen und Erbsen in der Regel auch Hülsenfrucht-Muffeln bekannt sind, ist das bei der Lupine nicht zwingend der Fall. Das liegt daran, dass sie aufgrund ihres Alkaloidgehalts für geraume Zeit nicht genießbar war. Mittlerweile werden ihre Samen jedoch sogar als Alternative zu Soja gehandelt.
Zierpflanze, Dünger, Lebensmittel
Lupinen sind in nahezu allen Regionen der Welt verbreitet und gehören zur Pflanzenfamilie der Hülsenfrüchte (lat. Leguminosae). Die Gattung Lupinus umfasst ungefähr 300 Arten, die meisten von ihnen wurden und werden als Zierpflanzen genutzt. Mitte des 19. Jahrhunderts begann man, Lupinen im Ackerbau einzusetzen. Denn sie binden, wie andere Hülsenfrüchte, durch eine Symbiose mit Knöllchenbakterien Luftstickstoff. Das macht sie ideal für die Gründüngung und Bodenverbesserung, und besonders wichtig im biologischen Landbau, wo synthetischer Stickstoffdünger verboten ist. Als Tierfutter und für die Humanernährung wurden erst neue Sorten Anfang des 20. Jahrhunderts interessant. Heute werden vier Arten für die Lebensmittelproduktion genutzt: Weiße Lupine (Lupinus albus), Anden-Lupine (L. mutabilis), Gelbe Lupine (L. luteus) und Blaue Lupine (L. angustifolius). Die Weiße Lupine kommt aus dem Mittelmeergebiet, sie wurde schon in der Antike domestiziert. Die Anden-Lupine hat ihren Ursprung in den heutigen Ländern Peru, Bolivien und Ecuador, wo sie gemeinsam mit Quinoa und Mais einen bedeutenden Beitrag zur Eiweißversorgung der Indigenen leistete. Lupinen wurden anfänglich als Brei gegessen, später zum Strecken von Getreidemehl beim Brotbacken verwendet. Das erklärt, warum Ausbreitung und Anbau von Lupinen oft gemeinsam mit Getreide erfolgten.
Vorzügliches Nährstoffprofil
Interessant sind Lupinen vor allem als Eiweißquelle, besonders für Menschen mit (überwiegend) pflanzlicher Ernährungsweise. Die Eiweißqualität von Lupinen ist mit einem Digestible Indispensable Amino Acid Score (DIAAS) von 68 zwar deutlich geringer als jene von Soja (91) und tierischen Quellen (z. B. Ei 101, Casein 117), limitierende Aminosäuren sind Methionin und Cystein. Durch Kombination mit Getreide und/oder Kartoffeln lässt sie sich aber erheblich steigern.
Kombinationen für mehr Eiweißqualität:
7 % Hafer + 93 % Lupine → DIAAS 76
10 % Hafer + 30 % Lupine + 60 % Kartoffel → DIAAS 100
30 % Lupine + 70 % Kartoffel → DIAAS 100
Darüber hinaus sind Lupinen nach Erdnüssen und Soja die fettreichsten Hülsenfrüchte, den Großteil des Fettgehalts bilden ungesättigte Fettsäuren. Ihr Verhältnis Omega-6 zu Omega-3 ist mit 4,5:1 deutlich günstiger als jenes von Erdnüssen (22:1) und Soja (10,5:1). Wie alle Hülsenfrüchte sind Lupinen hervorragende Ballaststoffquellen (19 g/100 g). Die unverdaulichen Oligosaccharide Raffinose, Stachyose, Verbascose und Ciceritol verursachen zwar bei vielen Menschen anfänglich Blähungen, sind allerdings gleichzeitig als Präbiotika Futter für die Darmflora.
Lupinen sind glutenfrei. Sie enthalten reichlich Thiamin, und vor allem ihr Folatgehalt ist mit ca. 350 μg/100 g in den reifen, rohen Früchten bemerkenswert hoch. Auf der Mineralstoffseite punkten Lupinen mit viel Magnesium, Eisen, Kupfer, Zink und Mangan. Zudem sind sie, wie auch Soja, mit 180 mg/100 g eine Quelle für Kalzium. Gleichzeitig haben sie den niedrigsten Phytatgehalt aller Hülsenfrüchte. Phytat kommt vor allem in Lebensmitteln vor, die auch als Saatgut dienen können, z. B. Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide. Es bindet Zink im Magen-Darm-Trakt und mindert somit dessen Bioverfügbarkeit.
Breite Produktpalette
Der Geschmack von Lupinen wird als neutral bis leicht nussig, grasig, bohnig, bitter beschrieben. Durch extraktive Fraktionierung lässt er sich jedenfalls positiv beeinflussen. Lupinen sind in der Humanernährung vielfältig einsetzbar: Man kann sie wie im Italienurlaub gekocht essen, ähnlich wie Soja zu einem Drink oder zu „Lupinen-Tofu“ verarbeiten, oder zu Tempeh fermentieren. Auch die Auswahl an Fleisch- und Wurstalternativen auf Lupinenbasis wächst laufend, hier kommen teils zerkleinerte Lupinensamen, teils Lupinenmehl oder Proteinisolat zum Einsatz. Zu Mehl vermahlen eignen sich Lupinen zudem sehr gut für Brot, Gebäck und süße Backwaren. Wegen seines hohen Amylosegehalts kann es bis zu 50 % der Getreidemehlmenge ersetzen. Darüber hinaus ist Lupinenmehl ein guter Ei-Ersatz. Lupinen-Proteinisolat eignet sich weiters für vegane Mayonnaise, Pudding, Aufstriche und Dips. Sogar veganes Lupinen-Eis gibt es bereits. Eine weitere interessante Produktinnovation ist „Lupinen-Kaffee“. Und zwar deshalb, weil er natürlich koffeinfrei sowie gut verträglich ist und zudem Bohnenkaffee im Geschmack deutlich ähnlicher als Getreidekaffee.
Unerwünschte Inhaltsstoffe
Innerhalb der Lupinen-Arten gibt es alkaloidreiche (Bitterlupinen) und, als Erfolg gezielter Züchtung, alkaloidarme (Süßlupinen). Auch alkaloidfreie Sorten existieren bereits. Bitterlupinen enthalten sogenannte Chinolizidinalkaloide, hauptsächlich Lupanin, Lupinin und Spartein – je nach Art, Varietät und geografischer Herkunft in unterschiedlichen Mengen. Diese Alkaloide sind toxisch, typische Vergiftungserscheinungen reichen von Schwindel, Übelkeit, Mundtrockenheit und motorischen Störungen bis hin zu Atemlähmung und Herzstillstand. Der Alkaloidgehalt der Süßlupinen liegt im Bereich von 100 bis 800 mg/kg und ist damit so niedrig, dass sie ohne spezielle Vorbehandlung für Lebensmittel verwendet werden können. Bitterlupinen hingegen müssen zuerst entbittert werden. Dafür gibt es industrielle Verfahren, hauptsächlich Kochen oder/und mehrfaches Wässern. Diese Methoden sind allerdings aufwendig und relativ ineffektiv, außerdem gehen viele wertgebende Inhaltsstoffe verloren. Forschungen zu alternativen Entbitterungstechniken laufen aktuell (siehe Info links). Vor diesem Hintergrund liegen die Vorteile der Süßlupinen auf der Hand. Leider haben sie auch einen Nachteil: Sie sind anfälliger für Schädlinge und Krankheiten. Auch Aspekte der genetischen Vielfalt sprechen für Bitterlupinen.
Doch nicht nur die Alkaloide sind potenziell problematisch. Wie alle Hülsenfrüchte enthalten auch Lupinen in rohem Zustand Lektine, das sind Eiweiße, die Zuckermoleküle an der Oberfläche von roten Blutkörperchen binden und verklumpen können. Lektine werden daher auch Hämagglutinine genannt. Ihr bekanntester Vertreter ist das Phasin in Bohnen, das so toxisch ist, dass 5–6 rohe Bohnen für ein Kind tödlich sein können. Lektine sind in größeren Mengen zwar auch für Erwachsene giftig, jedoch hitzeempfindlich und durch 15-minütiges Kochen unschädlich gemacht.
Bleibt noch das allergene Potenzial der Lupinen, das unbestreitbar vorhanden ist. Lupinen gehören deshalb zu den Lebensmitteln, die gemäß Lebensmittelinformationsverordnung auf der Zutatenliste hervorgehoben werden müssen. Vor allem bei Personen mit Erdnussallergie scheint ein hohes Risiko für eine Kreuzallergie zu bestehen. Und da Lupinen(-produkte) immer häufiger in Lebensmitteln vorkommen, könnte die Häufigkeit von Allergien zunehmen. Verlässliche Daten gibt es dazu aber (noch) nicht.
Wissenswert
LUPROME steht für „LUpinenPROtein für die Menschliche Ernährung“ und ist ein Public-Private-Forschungsprojekt, das im Rahmen der Eiweißpflanzenstrategie vom deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert wird.
Ziel ist es, Membranverfahren zu erforschen, um Eiweiß in hoher Ausbeute und Qualität aus Bitterlupinen gewinnen zu können.
Fazit
Lupinen, die „Sojabohnen des Nordens“, sind Hülsenfrüchte mit großem Potenzial für Gesundheit und Nachhaltigkeit. Sie können regional angebaut werden, liefern ihren Stickstoffdünger natürlich mit, haben ein hervorragendes Nährstoffprofil und äußerst vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der menschlichen Ernährung. Ob sie sich etablieren, wird sich zeigen. Ebenso offen ist die Frage, ob sie die Inzidenz von Allergien befeuern.
Literaturverzeichnis
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Kompetenzzentrum für Ernährung (Kern) an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Hülsenfrüchte: Kleine Kraftpakete – vielfältig und zeitgemäß (2018).
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