04.02.2021 von Elisabeth Sperr, MSc

Deutscher Ernährungsbericht 2020

Über Ernährung zu reden ist das eine – Fakten statt Meinungen zu diskutieren wiederum oft etwas anderes. Um fundierte Aussagen über die Ernährungssituation einer ganzen Bevölkerung treffen zu können, benötigt man regelmäßig aktuelle Zahlen davon. Deshalb veröffentlicht die Deutsche Gesellschaft für Ernährung alle vier Jahre ihren Ernährungsbericht – so auch im November 2020. Ein Überblick über die neuesten Entwicklungen.

„Die Ernährungsberichte liefern […] eine vertiefte Beschreibung und objektive Bewertung der aktuellen Ernährungssituation in Deutschland. Gleichzeitig spiegeln sie […] immer auch den Zeitgeist und die jeweils aktuellen Herausforderungen in den Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften wider“, betonte Prof. Dr. Helmut Heseker, Ernährungswissenschafter an der Universität Paderborn und Chefredakteur des deutschen Ernährungsberichtes bei dessen Präsentation. Seit über 50 Jahren erarbeitet die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) den nationalen Ernährungsbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Mit den enthaltenen Handlungsempfehlungen zielt auch der nunmehr 14. Bericht auf eine weitere Verbesserung der Ernährungs- und Gesundheitssituation in Deutschland ab.

Wissenswert

In Österreich werden die Ernährungsberichte üblicherweise ebenfalls im Rhythmus von vier bis fünf Jahren veröffentlicht.  Der letzte Österreichische Ernährungsbericht stammt aus dem Jahr 2017, der nächste wäre somit für 2021/22 zu erwarten gewesen. Laut Gesundheitsministerium wird für den kommenden Bericht mit der Datenerhebung jedoch erst frühestens Ende 2021 begonnen werden.

Mehr Gemüse und Käse

Auf Basis der Agrarstatistik von 2007 bis 2018 erläutert die DGE die Trendanalysen zum Lebensmittelverbrauch der deutschen Bevölkerung. Über den Beobachtungszeitraum zeigt sich ein steigender Konsum von Gemüse. 2018 lag der durchschnittliche Verbrauch pro Kopf bei 104 kg. Zu den Spitzenreitern gehören dabei nach wie vor Tomaten (+440 g), Karotten und Rote Rüben (+260 g) sowie Zwiebelgemüse (+160 g). Auch Hülsenfrüchte steigen langsam in der Gunst der Deutschen (+90 g). Des Weiteren kommt immer mehr Käse auf die Teller, wie bereits die vorangegangenen drei Ernährungsberichte zeigten. Der Verbrauch steigerte sich von 2007 bis 2018 im Schnitt um 200 g. Dagegen werden frische Kartoffeln weniger häufig konsumiert, ebenso wie Obst. Die Rückgänge belaufen sich auf 840 g respektive 720 g. Auch bei den Getreideerzeugnissen zeigen sich Rückgänge. Während zwar der Verbrauch von Weizenmehl seit 2007 um ca. 300 g zugenommen hat, führt die Abnahme bei Roggenmehl (-160 g) sowie Brot und Gebäck (-430 g) insgesamt jedoch zu einem Minus.
Der jährliche Fleischverbrauch der Deutschen liegt seit einigen Jahren unverändert bei ca. 60 kg pro Kopf. Wie bereits in den vorherigen Berichten, steigt der durchschnittliche Konsum von Rind- und Kalb- (+130 g) sowie Geflügelfleisch (+190 g), während jener von Schweinefleisch deutlich sinkt (-370 g). Auch Milch und Milchprodukte werden weniger häufig konsumiert (z. B: Konsummilch -330 g, Joghurt -160 g).
Bei den Getränken zeigt sich ein deutliches Plus für Mineralwasser und Kaffee (ca. +1,5 bzw. 1, 4 L) sowie in kleinerem Ausmaß für Kräuter- und Früchtetee (ca. +400 mL). Alkohol wird dagegen weniger getrunken, wobei der Großteil des Rückgangs auf Bier entfällt (ca. -900 mL).

Übergewicht steigt weiter

Während die Analysen des Lebensmittelverbrauchs seit Jahren Trends zu einer ausgewogeneren Ernährung zeigen, hat die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas in manchen Bevölkerungsgruppen stagniert oder sogar weiter zugenommen. Männer waren dabei in allen Altersgruppen häufiger übergewichtig, als Frauen. Die Daten aus dem Jahr 2017 werden dabei immer noch als die aktuellsten geführt. So sind rund 60 % der Männer und rund 37 % der Frauen zwischen 18 und 65 Jahren übergewichtig. Dabei nimmt die Übergewichtsprävalenz mit fortschreitendem Alter deutlich zu. Normalgewichtige Männer sind ab dem 30. Lebensjahr, normalgewichtige Frauen ab dem 60. Lebensjahr in der Minderheit. Übergewicht ist ab diesem Alter somit der „Normalzustand“. Besonders die Verbreitung von Adipositas steigt mit zunehmendem Alter weiter an und hochbetagte Personen sind ebenfalls vermehrt adipös. Wieviel Prozent der gesamten Bevölkerung adipös sind, wird jedoch leider nicht angegeben.

Wissenswert

Die anhand der Abrechnungsdaten einer deutschen Krankenkasse durchgeführten Berechnungen von Effertz et al. weisen für den Zeitraum von 2008 bis 2012 jährliche adipositasbedingte Kosten von 63,04 Mrd. € aus.

Gewichtszunahme in der Schwangerschaft

Bei Schwangeren zeigen die Untersuchungen der letzten Jahre ebenfalls eine kontinuierliche Zunahme der Übergewichtsprävalenz. Wurden im Jahr 2007 noch 34 % der Schwangeren bei der Erstuntersuchung als übergewichtig eingestuft, waren es 2017 fast 40 %. „Adipositas in der Schwangerschaft ist für die werdende Mutter unter anderem mit einem erhöhten Risiko für Gestationsdiabetes, Bluthochdruck und Präeklampsie verbunden und mit einem erhöhten Geburtsgewicht sowie einem späteren Übergewichtsrisiko des Kindes assoziiert. Eine zu hohe Gewichtszunahme […] erhöht auch das Risiko des Kindes für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck und das Metabolische Syndrom.“, sagt Prof. Dr. Helmut Heseker. Die empfehlenswerte Gewichtszunahme in der Schwangerschaft beträgt laut DGE bei Normalgewicht deshalb 10-16 kg, bei Übergewicht maximal 10 kg.

Kinder und Jugendliche stabil

In der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen scheint der früher beobachtete Anstieg von Übergewicht und Adipositas gestoppt zu sein. Die Prävalenz stagniert seit 2014 in dieser Altersgruppe auf einem sehr hohen Niveau. Insgesamt lag die Prävalenz von Übergewicht im Zeitraum von 2014 bis 2017 bei den 3- bis 17-Jährigen bei 15,4 % und jene von Adipositas bei 5,9 %. Dabei zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigerem soziökonomischen Status wesentlich häufiger betroffen sind. Aus der wissenschaftlichen Literatur ist bekannt, dass adipöse Jugendliche im Erwachsenenalter zu 80 % adipös bleiben. Die DGE sieht dabei Defizite in der frühkindlichen und schulischen Ernährungsbildung als Mitgründe und fordert entsprechende Verhältnis- und Verhaltenspräventionsmaßnahmen.

Fazit

Mit dem breiten Themenspektrum und der übersichtlichen Aufbereitung von Daten und Fakten, bieten die DGE-Ernährungsberichte gute Anhaltspunkte für die Ernährungs- und Gesundheitspolitik in Deutschland. Im Bericht 2020 zeigt sich, dass die Zahlen für Übergewicht und Adipositas trotz einiger Verbesserungen im Ernährungsverhalten weiter steigen.

Literatur

Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsgb.): 14. DGE-Ernährungsbericht. Bonn (2020).
Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Der Wissenschaft verpflichtet – Ihr Partner für Essen und Trinken. Pressemappe zur Vorstellung des 14. DGE-Ernährungsberichts (2020).
Effertz et al.: The costs and consequences of obesity in Germany: a new approach from prevalence and life-cycle perspective. Eur J Health Econ 17:1141-1158 (2016).

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